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124 Anzeigen gegen Polizisten sind im letzten Jahr in der ganzen Schweiz eingegangen, wie der Blick berichtet. 2013 waren es noch 88 solcher Begehren gewesen: ein Anstieg von einem Drittel innert zwei Jahren. Häufig lautet der Vorwurf Amtsmissbrauch. Spitzenreiter sind die Kantone Basel-Stadt und Zürich mit 35 respektive 47 Fällen.
Die Kantonspolizei Zürich begründet die hohe Zahl der Anzeigen wie folgt:
Im krassen Gegensatz dazu sieht sich der Kanton Bern, der trotz häufiger Ausschreitungen mit Linksautonomen in den Schlagzeilen ist, mit gerade mal sechs Anzeigen konfrontiert.
Zu einer Verurteilung kommt es dennoch nur in wenigen Fällen: Im vergangenen Jahr haben sich die Vorwürfe nur gerade in 20 Fällen vor Gericht bewahrheitet.
watson hat mit Max Hofmann, dem Generalsekretär des Verbandes Schweizer Polizeibeamter und selbst ehemaliger Polizist, über mögliche Gründe gesprochen.
Herr Hofmann, Sie sagen seit mehreren Jahren, die Polizei sei überlastet und brauche mehr personelle Ressourcen.
Max Hofmann: Richtig.
Innert zwei Jahren sind die Anzeigen gegen Polizisten um einen Drittel gestiegen. Fühlen Sie sich bestätigt?
Warum sollte ich mich bestätigt fühlen?
Weil es zeigt, dass Polizeibeamte dauernd am Rande des Nervenzusammenbruchs stehen und dann womöglich unflätig und gewalttätig werden.
Dies ist nun wirklich eine falsche Analyse der statistischen Zahlen.
Wie erklären Sie sich dann die Zunahme der Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs gegen Polizeibeamte?
Diese Anzeigen aufgrund von Amtsmissbrauch sind eine Vergewaltigung des Gesetzes. Sie dienen alleine der Verzögerung der tagtäglichen Arbeit eines Polizisten.
Das müssen Sie erklären.
Anzeigen werden auch wegen kompletter Bagatellen eingereicht. In meiner Tätigkeit als Polizist bin ich selbst angezeigt worden, weil ich einer Person gesagt habe, sie müsse an einem Ort warten bis zur Einvernahme der Ehefrau.
Im Gespräch mit «Blick» sagen Sie, dass Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs zu einer Waffe geworden sind.
Richtig.
Ist es also eine Waffe zur Selbstverteidigung des Bürgers gegen übergriffige Polizisten?
Nein. Selbstverteidigung gegen missbräuchliche Amtshandlungen ist das gute Recht jedes Bürgers und absolut demokratisch notwendig, um sich vor missbräuchlichem Verhalten zu schützen. Allerdings zeigt die Statistik auch, dass die Anzeigen missbräuchlich verwendet werden. 2015 kam es nur zu 20 Verurteilungen.
Kein Wunder. Die Polizei ist sich den Umgang mit dem Rechtssystem gewohnt, Polizisten werden kaum je zur Rechenschaft gezogen.
Falsch. Gerade der Schrebergarten-Fall von Schlieren zeigt ja das Gegenteil. Natürlich macht eine Anzeige gegen Amtsmissbrauch Sinn – wenn sie gerechtfertigt ist. Wichtig ist einfach, dass den Menschen klar ist, welche Konsequenzen folgen, wenn falsche Anschuldigungen gemacht werden: Sie werden anschliessend selber gebüsst. Und die Zahlen der Verurteilung zeigen ganz klar, dass diese Anzeigen nur eine Alibi-Übung sind.
Könnte der Anstieg auch daher rühren, dass es immer mehr spezialisierte Anwälte gibt, die ihren Klienten empfehlen, gegen Polizisten juristisch vorzugehen?
Nein, das würde ich so nicht begründen. Wir haben in der Schweiz noch keine amerikanischen Verhältnisse, wo Anwälte an Brennpunkten warten und potentiellen Klienten gleich ihre Dienste anbieten.
Zürich und Basel sind Spitzenreiter, was Anzeigen gegen Polizeibeamte anbelangt. Warum scheint dagegen die Polizei in Bern besser mit Konfrontationen klarzukommen?
Ich glaube, es ist nicht möglich, eine allgemein gültige Aussage zu machen, ob und weshalb ein Korps mit brenzligen Situationen besser klarkommt. Ich stelle einfach die Tendenz fest, dass Leute Autoritäten weniger ernst nehmen und das Gefühl haben, sich mit einer Anzeige gegen einen Polizisten schützen zu können. Die Konsequenz, dass sie bei einer Falschbeschuldigung selber gebüsst werden könnten, ist ihnen nicht bewusst.
Die Statistik zeigt, dass Kantone mit kleineren Korps weniger Anzeigen kriegen als die beiden Städte Zürich und Basel – welche ja häufig bei Grossanlässen (Derbys, Demonstrationen) mit einem Grossaufgebot auffahren. Sind die grossen, anonymen Korps ein Problem?
Ich glaube, es ist jedem klar, dass in einem Dorf, wo sich jeder kennt, die Beziehung zwischen Polizei und Bewohner vertrauter ist als beispielsweise in Zürich. Man kennt sich häufig persönlich. In einer Grossstadt wie Zürich fehlt diese Vertrautheit, alles ist viel anonymer.