Schweiz
Gesellschaft & Politik

Flugzeug oder Bahn? So reisen die Schweizer Beamten

Ignazio Cassis, seit Ende 2017 Aussenminister. Seine Leute reisen auch nach London meistens mit dem Flugzeug.
Ignazio Cassis, seit Ende 2017 Aussenminister. Seine Leute reisen auch nach London meistens mit dem Flugzeug.bild: lea senn

Vom EDA nimmt kein Einziger den Zug nach Brüssel: So reisen die Schweizer Beamten

Klima-Ikone Greta Thunberg fährt aus Überzeugung mit dem Zug quer durch Europa. Ganz anders die Beamten des EDA, des UVEK und des WBF. watson nahm das Reiseverhalten der Schweizer Bundesangestellten unter die Lupe.
13.03.2019, 06:4118.12.2019, 20:49
Lea Senn
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Die Klimabewegung hat die Politik aufgescheucht. Die Grünen fordern, dass Beamte und Parlamentarier bei Auslandsreisen innerhalb Europas künftig den Zug nehmen müssen, wenn die Destination mit der Bahn in weniger als acht Stunden zu erreichen ist.

watson wollte wissen, wie die Angestellten der Bundesverwaltung bisher dienstlich unterwegs sind – und hat gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz beim Bund nachgefragt.

Dieser hat für das EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten), das UVEK (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) und das WBF (Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung) die Anzahl Flug- und Bahnreisen an ausgewählte Destinationen der Jahre 2015, 2016 und 2017 zusammengestellt.

(Die Daten im Detail und Informationen zur Analyse gibt es in der Infobox weiter unten.)

EDA

Hier als erstes die Übersicht des Reiseverhaltens der EDA-Beamten für das Jahr 2017:

*Nur Hinreisen.
  • Um nach Brüssel zu gelangen, ist der Zug für die EDA-Beamten keine Option. Weder 2016 noch 2017 stieg ein Angestellter des Departements in die Bahn nach Brüssel. Die Stadt der EU-Zentrale wäre mit dem Zug von Bern aus in rund sieben Stunden erreichbar. Mit dem Flugzeug reisten die Beamten im Jahr 2016 258 mal nach Brüssel, 2017 waren es 271 Flüge.
  • Auch nach London reisten die EDA-Beamten 2017 immer per Luftweg. Im Jahr 2015 fuhren noch zwei EDA-Beamte mit dem Zug nach London. Die britische Hauptstadt wäre mit den meisten Verbindungen von Bern aus in rund 8 Stunden zu erreichen.
  • Nach Paris reisen die EDA-Beamten meistens mit dem Zug, manchmal aber auch per Flugzeug ab Kloten oder Genf-Cointrin – und das immer öfters. 2015 gab es 178 Flüge in die französische Hauptstadt, 2016 264 und 2017 mit 184 wieder weniger, aber immer noch knapp mehr als zwei Jahre zuvor. Dabei führt die Anreise mit dem TGV direkt ins Zentrum von Paris und dauert gut vier Stunden. Paris sei eine beliebte Stopover-Destination und selten das Endziel, wenn mit dem Flugzeug angesteuert, lässt eine Sprecherin verlauten.
  • Nach Rom reisen die EDA-Beamten etwa doppelt so oft mit dem Flugzeug wie mit der Bahn. Rom wäre von Bern aus mit dem Zug je nach Uhrzeit in knapp sechseinhalb Stunden zu erreichen.

UVEK

Hier die Übersicht der Angestellten des UVEKs für das Jahr 2017:

*Nur Hinreisen.
  • Auch die UVEK-Beamten unter Doris Leuthard stiegen meistens ins Flugzeug, um nach Brüssel zu gelangen: 2015 gab es einen Peak mit über 400 Flügen in die Stadt, 2016 waren es 219 Flüge und 2017 265. Ein Zugticket wurde im Jahr 2017 hingegen nur 27 Mal gebucht.
  • Die Beamten des UVEK reisen immer öfters mit dem Zug von Bern nach Paris und fliegen weniger. Dennoch haben im Jahr 2017 23 Beamte den Luftweg ab Zürich oder Genf gewählt.
  • Nach Wien flogen die UVEK-Beamten 2017 mit 141 Flügen hingegen öfters als noch 2015 (113 Flüge). Die Reise nach Wien dauert mit dem Zug knapp 9 Stunden.
*Nur Hinreisen.
  • Die WBF-Beamten reisen immer häufiger mit der Bahn nach Brüssel. 2015 waren es 21 Zugreisen, 2017 über 60 mehr. 361 Beamte entschieden sich 2017 aber weiterhin für den Luftweg.
  • Vom WBF reiste in allen drei untersuchten Jahren niemand mit dem Zug nach London.
  • Auch die WBF-Beamten nehmen meistens den Zug nach Paris. Etwas mehr als 50 Flüge wurden aber auch bei ihnen gebucht.

Entwicklung der Dienstreisen der drei Departamente per Flugzeug (nur Hinflüge)

*Nur Hinreisen.
*Nur Hinreisen.

Die meisten Kilometer legen die Beamten der genannten Departemente nach Brüssel zurück. Wenig überraschend, denn dort ist die EU-Zentrale. Hier gibt es das denn auch das grösste CO2-Einsparungspotenzial.

Ersichtlich werden im Datensatz auch starke Schwankungen je nach Geschäftstätigkeit. So reisten im Jahr 2015 beispielsweise ganze 2021 Angestellte der drei Departemente nach Mailand. Damals fand dort die Weltausstellung Expo statt. In den Jahren darauf waren es über 1000 weniger (nicht auf der Grafik).

Die untersuchten Auslandreisen der Beamten im Jahr 2017

(Nach Lyon reisten in besagtem Jahr nur vier Beamte der untersuchten Departemente und zwar mit dem Zug).
(Nach Lyon reisten in besagtem Jahr nur vier Beamte der untersuchten Departemente und zwar mit dem Zug).
Zur Auswertung der Daten
● Die Daten basieren auf einer Auswertung (Excel-Datei hier abrufbar), die das Ressourcen- und Umweltmanagementsystem der Bundesverwaltung (RUMBA) jährlich von der Bundesreisezentrale und der SBB zur Verfügung gestellt bekommt.

● Die Berechnung erfolgte mit Daten an folgende von watson selektionierte Destinationen: Brüssel, Frankfurt, Köln, London, Lyon, Strassburg, Mailand, Paris, Rom und Wien. Die Berechnung gilt somit auch nur für diese Städte und ist nicht repräsentativ für alle Reiseziele. Eine Analyse aller Reiseziele und Departemente würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

● Die RUMBA-Daten decken nur die Verwaltungseinheiten ab, die Teil der Systemgrenze RUMBA sind (circa 20'000 Vollzeitstellen). So sind beispielsweise die Reisen von Mitarbeitenden der Auslandstandorte des EDA nicht berücksichtigt.

● Die Flugdaten bestehen aus Einzelflügen. In der Statistik erscheinen so alle Flüge, die in irgendeiner Form über die aufgelisteten Destinationen führten – egal ob Enddestination oder Zwischenstopp.

● Nicht in der Auflistung erfasst sind Dienstreisen mit dem Bundesratsjet, gecharterten Businessjets oder mit Helikoptern.

● Die Daten weichen leicht von den in den RUMBA-Umweltberichten kommunizierten Daten ab. Dies ist laut dem Bundesamt darauf zurückzuführen, dass Flug- und Bahnreisen, die nicht über die Bundesreisezentrale gebucht wurden, nicht in dieser Auswertung erscheinen.

«Ich achte auf die Umwelt – und werde dafür blöd angemacht!»

Video: watson/Ralph Steiner, Emily Engkent

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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pumpkin42
13.03.2019 07:07registriert Januar 2015
Zürich - Brüssel rund 8h mit Umsteigen und Bahnhofwechsel in Paris. Mit dem Flugzeug inkl. Flughafenzeit weniger als die Hälfte. Der Mensch geht den Weg des geringsten Widerstandes.
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Paraflüger
13.03.2019 07:32registriert Januar 2015
Ein Problem ist sicherlich die Deutsche Bahn. Die Verspätungen sind so gravierend, dass sie für wichtige Termine nicht genommen werden kann. Die Fahrt auf der Strecke Karslruhe Basel (im Normalfall unter 2 Stunden) kann sich ohne Probleme auf eine 6 Stündige Reise verlängern.
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Posersalami
13.03.2019 07:54registriert September 2016
Die Grafik beweist nur eines: Europa ist bahntechnisch ein Entwicklungsland. 8h nach Frankfurt oder Wien, die jeweils nur ein paar 100km entfernt sind.

Shame on you, Europa!

Das sind Distanzen, darüber lacht man in China oder Japan wärend man in seinem Bullettrain hockt und mit 350kmh seine Zeil entgegen gleitet.
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