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Gesellschaft & Politik

Kandidiert Keller-Sutter für den Bundesrat?

ZUR WAHL DER STAENDERATSPRAESIDENTIN KARIN KELLER-SUTTER WAEHREND DER WINTERSESSION STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Karin Keller-Sutter (FDP-SG) spricht waehrend einer Debatt ...
Bild: KEYSTONE

Das Trauma der KKS: Deshalb wird sie sich eine erneute Kandidatur sehr gut überlegen

Die St.Gallerin ist die Kronfavoritin. Doch sie wird nur antreten, wenn sie sich ihrer Wahl in den Bundesrat sicher sein kann.
27.09.2018, 05:0316.10.2018, 16:23
sven altermatt / az
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So hätten sie alle gern, die freisinnige Bundesrätin: staatstragend und pflichtbewusst, mediengewandt und mehrsprachig, dossierfest und kompromissbereit. Es sind Attribute, die wie Versprechen an Karin Keller-Sutter haften.

Wer sich unter der Bundeshauskuppel umhört, darf eigentlich keine Zweifel haben. Selten, so scheint es, war die Sache derart klar. Keller-Sutter, 54, Ständerätin und frühere Regierungsrätin, diplomierte Dolmetscherin und Tochter eines Wirtepaars, ist die perfekte Kandidatin für den freiwerdenden Sitz im Bundesrat.

Petra Goessi, Nationalraetin und Parteipraesidentin FDP, Christian Luescher, Vizepraesident FDP und Nationalrat, sprechen an der Medienkonferenz der FDP Schweiz zum Ruecktritt von Bundesrat Johann Sch ...
FDP-Parteipräsidentin Petra GössiBild: KEYSTONE

KKS, wie sie in ihrer Heimat genannt wird, sagt Sätze wie: «Ich finde es wichtig, Demut und Distanz zu sich selber zu haben.» Nach dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann richten sich alle Augen auf sie – erst recht, nachdem sich Parteipräsidentin Petra Gössi nicht zur Wahl stellen will. «Ich stehe für eine Kandidatur nicht zur Verfügung», sagt die Schwyzer Nationalrätin. Noch ist niemand offiziell auf das FDP-Kandidatenkarussell aufgesprungen. Einzig der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler hat öffentlich sein Interesse angemeldet.

Gössi über ihren Verzicht:

Video: watson/Christoph Bernet

Gössi wünscht sich jedoch, dass die Partei eine Frau ins Rennen schickt. Und auch wenn sie betont, man wolle den Kandidatenkreis nicht künstlich einschränken, drängen die Ostschweiz und die Zentralschweiz am lautesten darauf, wieder in den Bundesrat einzuziehen. Dieser Anspruch macht ihnen niemand streitig.

Keller-Sutter auf Tauchstation

Beste Voraussetzungen also für die St. Gallerin Karin Keller-Sutter. Mit 29 schaffte sie es in den Wiler Gemeinderat, mit 33 wurde sie in den Kantonsrat gewählt, mit 36 folgte der Sprung in die Kantonsregierung, mit 47 in den Ständerat. Eine Ochsentour nach Lehrbuch. Folgt nun der Wechsel in den Bundesrat?

Christian Wasserfallen, FDP-BE, spricht an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 12. Juni 2018 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
FDP-Vizepräsident Christian WasserfallenBild: KEYSTONE

Keller-Sutter wurde und wird in den Himmel gehoben. «Ich sehe derzeit nichts, was ihr noch im Weg stehen könnte», sagt der Berner Nationalrat und FDP-Vizepräsident Christian Wasserfallen. Sein Solothurner Ratskollege Kurt Fluri sieht Keller-Sutter «klar in der Pole-Position».

Und selbst Petra Gössi, die sich an einer Medienkonferenz ihrer Partei eigentlich nicht zu konkreten Personalien äussern will, lässt sich auf Nachfrage entlocken: «Rein vom Profil her hat sie die besten Voraussetzungen.» Allerdings müsse die «hervorragende Kandidatin» natürlich selbst entscheiden, ob sie sich zur Verfügung stelle.

ZUR WAHL DER STAENDERATSPRAESIDENTIN KARIN KELLER-SUTTER WAEHREND DER WINTERSESSION STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Karin Keller-Sutter (FDP-SG) spricht waehrend einer Debatt ...
Karin Keller-SutterBild: KEYSTONE

Ja, will Keller-Sutter überhaupt? Fürs Erste geht sie auf Tauchstation. Wobei das nicht im Wortsinn zu verstehen ist – als Ständeratspräsidentin kann man schwer abtauchen. Keller-Sutter ist da und doch unerreichbar. Kerzengerade sitzt sie an diesem Mittwoch im Saal der kleinen Kammer, ihr Rücken berührt die Stuhllehne kaum je. Souverän und nüchtern führt sie durch die Ratsdebatten; in drei Landessprachen, wenn es sein muss.

Während der Session gleicht das Bundeshaus einem Bienenhaus. In den Pausen kann Keller-Sutter den Fragen von Kollegen und Journalisten nicht entweichen. Wie schon tags zuvor gibt es von ihr jedoch keinen Kommentar zu ihren Ambitionen. Sie will nach der Session zuerst einmal in die Ferien fahren und sich mit ihrem Umfeld besprechen.

Die lustigsten Auftritte von Bundesrat Schneider-Amman:

Video: watson/nico franzoni

Ein Einerticket gilt als Option

Taktisch gesehen, kann das nur richtig sein. KKS muss sich nicht äussern, ihr Name zirkuliert ohnehin. Wer sich zu forsch exponiert, hat bereits verloren.

Allerdings: Die Bedenkzeit dürfte bei Keller-Sutter nicht bloss Koketterie sein. Als es im Herbst 2010 um die Nachfolge von Bundesrat Hans-Rudolf Merz ging, verlor sie ausgerechnet gegen Schneider-Ammann. Nach ihrer Nichtwahl schloss sie eine erneute Kandidatur mehrfach deutlich aus. In den vergangenen Monaten dann wollte sie nicht mehr darüber sprechen, was vieldeutig interpretiert werden kann.

ARCHIVE --- ALT-BUNDESRAT HANS-RUDOLF MERZ FEIERT AM 10. NOVEMBER 2017 SEINEN 75. GEBURTSTAG. ZU DIESEM ANLASS STELLEN WIR IHNEN DIESES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Bundesrat Hans-Rudolf Merz lacht bei der ...
Altbundesrat Hans-Rudolf MerzBild: KEYSTONE

Die Niederlage vor acht Jahren hinterliess Kratzer – sie ist das Trauma der Karin Keller-Sutter. Eine erneute Nichtwahl würde ihr lange anhaften.

Das Thema ist heikel. So heikel, dass sich freisinnige Parlamentarier dazu lieber nicht namentlich zitieren lassen. «Sie wird sich gut überlegen, ob sie sich das nochmals antut», sagt ein FDP-Nationalrat. Man dürfe sie nun ja nicht verheizen, mahnt ein anderes Fraktionsmitglied.

Ob die Partei eine Mehrfachkandidatur anpeilt, entscheidet die Fraktion erst im November. Ein Zweiterticket gilt, entsprechend den Gepflogenheiten von Bundesratswahlen, als wahrscheinlichstes Szenario.

Oder setzt die FDP am Ende gar alles auf die Karte KKS? Noch mag niemand diese Forderung offensiv portieren. Doch für den Aargauer Nationalrat Matthias Jauslin etwa ist klar: «Nur weil andere Parteien ein Zweierticket verlangen, muss man dem noch lange nicht nachkommen.»

Schneider-Ammann goes YouTube:

Video: watson

«Blocher im Jupe» war einmal

Karin Keller-Sutter wird kräftig Rückhalt spüren wollen, bevor sie über ihre Kandidatur entscheidet. So viel steht fest. Die Voraussetzungen dafür sind immerhin sehr gut: 2010 war sie, damals noch Regierungsrätin, vielen Linken zu rechts. Als Justizdirektorin fuhr sie einen harten Kurs in Asyl-Fragen, sie wurde gar als «Blocher im Jupe» betitelt.

Im Ständerat politisiert Keller-Sutter nun in den Kommissionen für Aussenpolitik, Wirtschaft und Soziales, längst ist sie ein politisches Schwergewicht. Freund und Feind loben ihre Fähigkeit, Kompromisse schliessen zu können. Mit SP-Mann Paul Rechsteiner, der zu ihren Fürsprechern zählt, bildet sie das St. Galler «Ständerats-Dream-Team».

Skepsis kommt heute eher von rechts. In der SVP gilt Keller-Sutter nicht wenigen als zu brillant. Ihr staatsmännisches Auftreten wirke auf manche etwas überheblich, so formuliert es SVP-Fraktionsvizechef Felix Müri. Echte Kritik tönt wahrlich anders.

Johann Schneider-Ammann – ein kurzer Rückblick:

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Johann Schneider-Ammann – ein kurzer Rückblick
Eröffnung der OLMA am Donnerstag 8. Oktober 2015 in St.Gallen.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
27.09.2018 08:23registriert Februar 2017
"In der SVP gilt Keller-Sutter nicht wenigen als zu brillant."

Einmal heisst es aus diesen Kreisen, man wolle keine Quotenfrau sondern den/die am besten Qualifizierte(n), dann heisst es wieder, die Frau sei quasi nicht wählbar, da zu brillant.
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lö_
27.09.2018 08:05registriert Juni 2018
Frau Keller-Sutter würde nicht nur die Geographischen und Gender Kriterien erfüllen, es wären m. M. nach vor allem auch die 'es sollen die Fähigsten gewählt werden' Kriterien erfüllt.
Ob sie sich das antun wird ist ihre Entscheidung. Wünschenswert wäre es.
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rodolofo
27.09.2018 07:46registriert Februar 2016
Dass Gössi verzichtet, ist schon mal sehr gut!
Denn die knallharte Rechtsfreisinnige mit dem einnehmenden Innerschweizer "Meitli-Lachen" a la Francine Jordi bekäme sehr viele Stimmen aus dem Rechtsbürgerlichen Lager, was Keller-Sutter natürlich gefährlich würde.
Jetzt soll laut Tages Anzeiger Regine Sauter einer Kandidatur zugeneigt sein.
Das wäre dann der Super-Gau!
Mit der ultra-liberal politisierenden Regine Sauter hätte der Rechtsfreisinn sowohl das Parteipräsidium, als auch zwei Bundesrats-Sitze in seiner Hand.
Vermutlich sind hinter den Kulissen bereits Mauscheleien im Gang...
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