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Kritik nach Walliser Bergdrama - das schreiben die Sonntagszeitungen.

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Hier ein Überblick zu den wichtigsten Meldungen der Sonntagspresse.bild: watson

Kritik nach Bergdrama und Kriegstheater an Schulen – das schreiben die Sonntagszeitungen

06.05.2018, 06:2006.05.2018, 06:50
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Kritik am verstorbenen Bergführer

Nach dem Skitour-Unglück mit sieben Toten am Pigne d'Arolla in den Walliser Alpen ist Kritik am verstorbenen Bergführer laut geworden. Ein Überlebender sagte der «NZZ am Sonntag», der Bergführer der 9er-Gruppe sei ab dem Zeitpunkt, als das Wetter umgeschlagen habe, komplett verloren gewesen. Er habe kein GPS-Gerät dabeigehabt, sein Satellitentelefon habe nicht funktioniert und in der nahen Berghütte sei nicht reserviert gewesen, schilderte der Italiener Tommaso Piccoli.

Der Leiter der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport beim Schweizer Alpen-Clerheit im Bergsport beim Schweizer Alpen-Club (SAC), Ueli Mosimann, sagte dem «SonntagsBlick», auf der Route seien immer grössere Gruppen mit Bergführern unterwegs. Die Leute buchten ein Abenteuer und würden ihr Schicksal in die Hände eines einzelnen Führers legen. Für den Leiter des Bergsportveranstalters Bergpunkt.ch, Michael Wicky, ist klar, dass eine Gruppe aus Sicherheitsgründen eine gewisse Grösse nicht überschreiten darf.

Der Präsident des Schweizer Bergführerverbandes (SBV), Marco Mehli, hingegen glaubt nicht, dass sich das Ereignis mit Vorschriften bezüglich Gruppengrösse oder Ausrüstung hätte verhindern lassen können. Für SBV-Geschäftsführer Pierre Mathey war das meteorologische Phänomen der Föhnwand massgebend für das Drama. Wenn man darin gefangen sei, sei es wie beim Schwimmen in stürmischem und trübem Wasser. Die Walliser Staatsanwaltschaft ermittelt, ob der verstorbene Gruppenführer möglicherweise seine Sorgfaltspflicht verletzt hat, und ob es fahrlässig war, neun Personen auf die schwierige Route mitzunehmen.

Türkische Propaganda an Schweizer Schulen

Schweizerisch-türkische Primarschüler haben im Rahmen eines Freifachs im Thurgau in Militäruniformen und mit Spielzeugwaffen blutige Schlachten nachgespielt. Bei der Darbietung in der Unterrichtsreihe «Heimatliche Sprache und Kultur» in einer Mehrzweckhalle in Uttwil am 25. März zielten gemäss vom «SonntagsBlick» publizierten Videobildern sechsjährige Buben gegenseitig aufeinander und posierten als Leichen – zugedeckt mit türkischen Fahnen. Dabei sei die Schlacht von Gallipoli dargestellt worden, ein Gefecht während des Ersten Weltkriegs, in dem die Soldaten des Osmanischen Reiches britische, australische und französische Einheiten zurückschlugen.

Treibende Kraft hinter der Darbietung war laut der Zeitung die türkische Botschaft in Bern, im Publikum sassen Ehrengäste aus Ankara. Für die Heimatkunde arbeitet die Botschaft mit den Kantonen zusammen. Diese stellen etwa Klassenzimmer zur Verfügung, der Besuch wird im regulären Zeugnis vermerkt.

Ein Türkei-Experte erklärte der Zeitung, bei dem Anlass würden Kinder gezielt für nationalistische Kriegs-Propaganda von Staatspräsident Erdogan instrumentalisiert. Beim in dem Fall zuständigen Kanton St. Gallen wusste man laut Angaben eines Amtsleiters nichts von den Kriegsszenen. Der Kurs-Organisator räumte ein, beim militärischen Schauspiel wohl etwas zu weit gegangen zu sein. Es sei aber «nur» ein historisches Ereignis nachgespielt worden. Ähnliche «Kriegsspiele» gab es laut «SonntagsBlick» auch in Solothurn und im Aargau.

Erstmals Urteil zu Notfallbehandlung

Erstmals liegt in der Schweiz ein Urteil zu zwingenden Notfallbehandlungen von Versicherten vor, auch wenn diese auf der schwarzen Liste der säumigen Prämienzahler standen. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, entschied das Versicherungsgericht St. Gallen diese Woche, dass eine Notfallbehandlung bereits dann vorliege, wenn «Medizinalpersonen eine Beistandspflicht zukommt».

Demnach sei ein Notfall nicht erst dann gegeben, wenn sich ein Patient in Lebensgefahr befinde. Es reiche aus, wenn es sich um einen «dringenden Fall» handle. «Dringend ist ein Fall auch dann, wenn zwar keine Lebensgefahr besteht, die betroffene Person aber umgehend Hilfe braucht, weil ihre Gesundheit ansonsten ernsthaft beeinträchtigt werden könnte.»

Im Urteil geht es um die Entbindung einer Frau und die Weigerung ihrer Kasse, dafür zu zahlen. Die Krankenkasse argumentierte, eine Geburt sei kein Notfall. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Sprecherin des betroffenen Versicherers Assura konnte gegenüber der Zeitung nicht sagen, ob es angefochten wird. Nächste Instanz wäre das Bundesgericht. Vor einer Woche wurde ein Fall aus Graubünden bekannt, wo einem HIV-Patienten die Medikamente nicht bezahlt wurden, weil er Ausstände bei den Prämien hatte. Der Patient starb später.

Kantone halten sich nicht an den Tierschutz

Sieben Kantone haben es im letzten Jahr bei den regelmässigen Tierschutzkontrollen bei Bauern vor Ort weniger genau genommen, als dass es das Gesetz verlangt. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, hielten sich bei den unangemeldeten Kontrollen nur 19 Kantone an die vorgeschriebene Quote von mindestens zehn Prozent. Im Wallis erfolgten nur 5.8 Prozent der Inspektionen unangemeldet, in Neuenburg 5.6 Prozent.

Klar unter den Anforderungen blieben die Urkantone (OW, NW, UR, SZ) mit durchschnittlich 3 Prozent. In Genf war gar jeder einzelne Bauer vorgewarnt. Die entsprechenden Kantone gaben gegenüber der Zeitung personelle Engpässe als Grund an. Zudem stünden die Inspektoren oft vor verschlossenen Türen, wenn sie sich nicht anmelden, was viele Ressourcen beanspruche.

Sanktionsmöglichkeiten hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in diesen Fällen nicht. Der Bund prüft, die Quote unangemeldeter Kontrollen gar auf 40 Prozent zu erhöhen.

Postauto will Untersuchungsbericht nur zensiert veröffentlichen

Der Untersuchungsbericht der Post zum Subventionsskandal bei Postauto soll nur in Teilen veröffentlicht werden. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, wird das Unternehmen bei der Publikation seiner Ergebnisse ganze Kapitel zurückhalten, Passagen einschwärzen oder gar nur eine Zusammenfassung abliefern. Eine Konzernsprecherin erklärte, dass sich die Post an die Vorgaben des Strafverfahrens sowie an arbeitsrechtliche Pflichten zu halten habe. Erste Ergebnisse seien im ersten halben Jahr zu erwarten.

ZUM THEMA POSTAUTO AN DER FRUEHLINGSSESSION 2018 AM MITTWOCH 14. MAERZ 2018 STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Zwei Postautos beim Busbahnhof in Chur, Kanton Graubuenden, aufgen ...
Bild: KEYSTONE

Mehrere von der Zeitung befragte Politiker sprechen von «Zensur». Sie gehen davon aus, dass hauptsächlich Infos über die Verantwortungsträger für den Skandal zurückgehalten werden sollen. Ein solcher Bericht sei nutzlos, sagte der Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart. Der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn verlangte, dass die Post ihre Pläne überdenkt. Er erwarte einen Bericht, der die Verantwortlichkeiten klar aufzeige, insbesondere jene von Post-Chefin Susanne Ruoff und Postautochef Daniel Landolf.

Anzeige gegen Whistleblower im Fall des Bündner Baukartells

Im Fall des Bündner Baukartells lässt der zuständige Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP) das Vorgehen der Polizei gegen den Whistleblower im Juni 2017 von der Staatsanwaltschaft prüfen. Wie die «NZZ am Sonntag» erfuhr, erstattete der Justiz- und Sicherheitsdirektor Anzeige gegen unbekannt, um einen Polizeieinsatz gegen Adam Quadroni, der die Weko-Untersuchung einst ins Rollen gebracht hatte, untersuchen zu lassen. Man werde nun abklären, ob sich Polizisten strafrechtlich relevanter Taten schuldig gemacht hätten, sagte Staatsanwalt Bruno Ulmi.

Eine Spezialeinheit hatte im Juni den ehemaligen Bauunternehmer Quadroni festgenommen, um ihn fürsorgerisch unterzubringen. Wegen Aussagen von dessen Frau, die sich mit ihm zerstritten hatte und die Gefahr geltend machte, er könnte sich und andere töten, schritt die Polizei ein. Gefesselt und mit verbundenen Augen wurde er in die psychiatrische Klinik in Chur gebracht. Vier Tage später entliessen ihn die Ärzte, weil sie ihn als nicht gefährlich einstuften.

Politisch brisant ist die Anzeige der Zeitung zufolge, weil sie den Verantwortungsbereich von Polizeikommandant Walter Schlegel betrifft. Dieser möchte am 10. Juni für die SVP in die fünfköpfige Regierung gewählt werden, sein Vorgesetzter Rathgeb kandidiert für eine weitere Amtszeit.

Lehrmittel über Holocaust muss überarbeitet werden

Ein eben erst in der Schweiz publiziertes Lehrmittel für die Primarschule über den Holocaust muss wegen einer Ungenauigkeit überarbeitet werden. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, steht in dem Material des Lehrmittelverlags Zürich an zwei Stellen fälschlicherweise, die Schweiz habe Deutschland 1938 den Vorschlag zur Einführung des Judenstempels auf Reisedokumenten von jüdischen Frauen, Männern und Kindern gemacht.

Zwar wollte die Schweiz die Einreise von Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich verhindern, doch der Stempel-Vorschlag kam von deutscher Seite. Autor Christian Mathis sagte, die Passage sei unglücklich und nicht ganz zutreffend formuliert. Allerdings sei erwiesen, dass der Druck von der Schweiz ausging, die Pässe «deutscher Nicht-Arier» zu kennzeichnen. Der Verlag will in jedem Ordner die fragliche Formulierung austauschen, sowohl bei den Exemplaren an Lager als auch bei den bereits ausgelieferten.

Mann wegen illegalem Waffendeal verurteilt

Der Inhaber des Thuner Waffenherstellers B&T ist wegen Verstosses gegen das Kriegsmaterialgesetz zu einer Busse von 3000 Franken verurteilt worden. Dies berichtet der «SonntagsBlick» unter Berufung auf den rechtskräftigen Strafbefehl. Der Mann hatte zuvor eine Einsprache zurückgezogen. Er hatte sich jahrelang vor Bundes- und Bundesstrafgericht gegen die Strafe gewehrt.

Den Waffendeal, der ihm zur Last gelegt wurde, fädelte er 2009 ein. Sein Unternehmen lieferte den Angaben zufolge Scharfschützengewehre, Granatwerfer und rund 1000 Tränengasgranaten nach Neuseeland, von wo das Kriegsmaterial an die Elitetruppe des autokratischen Regimes von Kasachstan weiterverkauft wurde. Die Ausfuhr von Waffen nach Kasachstan ist nicht grundsätzlich illegal, das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) lehnte Kriegsmaterialexporte aber mehrmals wegen der prekären Lage der Menschenrechte dort ab. Die Bundesanwaltschaft warf dem Waffenhändler vor, er habe in seinem Gesuch via Neuseeland falsche Angaben gemacht. (sda)

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