Erst hat der Bundesrat nach der Abstimmung Anfang März darüber nachgedacht, die 13. AHV-Rente über Lohnbeiträge zu finanzieren, dann mit einer höheren Mehrwertsteuer zu decken. Eine Kombination der beiden Ideen hätten die Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer am besten gefunden.
Doch der Bundesrat hat sich für eine dritte Variante entschieden: Es soll nun nur die Mehrwertsteuer erhöht werden, dies, weil es bei den AHV-Prognosen zu einem Verrechnungsfehler gekommen ist. Dies teilte die Regierung am Mittwoch unter anderem in einer Mitteilung mit.
Dieses Vorhaben, das die SP-Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider im Namen des Bundesrats am Mittwoch präsentierte, stösst auf viel Kritik. Viele Parteien und Verbände kritisieren das Weglassen der Lohnprozente oder die Senkung des Bundesbeitrages.
SP-Nationalrat und Gewerkschafter David Roth schreibt auf X, dass die Idee, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, zwar «nicht des Teufels» sei, sich in der Finanzierung der 13. AHV-Rente aber ausschliesslich darauf zu verlassen und dabei den Bundesbeitrag reduzieren zu wollen, sei «schlicht frech».
Die SP teilte am Mittwoch mit, dass eine Senkung des Bundesbeitrags «grotesk» wäre und dem Volkswillen, das wichtigste Sozialwerk der Schweiz zu stärken, widerspräche. Es könne nicht sein, dass der Bund weniger an die AHV-Renten zahle.
Auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte Co-Fraktionspräsident Samuel Bendahan (VD), dass das Ja der Stimmbevölkerung zur 13. AHV-Rente so schnell wie möglich umgesetzt werden müsse. Eine Erhöhung der Lohnbeiträge sei die sinnvollere und sozialere Finanzierungsvariante.
Der Bundesrat will die 13. AHV-Rente einzig über die Erhöhung der MWST finanzieren. Für eine starke Kaufkraft der Rentner:innen ist es zentral, dass das klare Ja der Bevölkerung vom März rasch umgesetzt wird und die Bundesbeiträge nicht gesenkt werden. https://t.co/BRwqr6Wzv5
— SP Schweiz (@spschweiz) August 14, 2024
Diese Meinung teilen auch die Grünen. Auch sie wollen eine sofortige Lösung für die 13. AHV. Die Kürzung der Bundesbeiträge sei unsolidarisch und unfair, teilte Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (ZH) mit. Die Finanzierung über Lohnbeiträge sei am günstigsten und gerechtesten, da dort alle gleich viel zahlen würden. Die Finanzierung über die Mehrwertsteuer sei der falsche Weg.
Travailsuisse gibt zu bedenken, dass die Mehrwertsteuer in erster Linie erhöht werde, um den Bundeshaushalt zu entlasten und den Bundesbeitrag zu senken. Die komplette Finanzierung über die Mehrwertsteuer sei nicht nachvollziehbar, hiess es in einer Mitteilung.
Damit würden in erster Linie Personen mit kleinen Einkommen den Preis für die 13. AHV-Rente bezahlen, schreibt der Dachverband der Arbeitnehmende in der Schweiz weiter.
Travailsuisse forderte deshalb das Parlament dazu auf, hier zu korrigieren. «Die Finanzierung über die Lohnbeiträge muss wieder auf den Tisch», wurde Edith Siegenthaler, Leiterin Sozialpolitik bei Travailsuisse im Communiqué zitiert. «Dazu brauchen wir aber zunächst die korrekten Zahlen der Prognosen für die AHV-Finanzen.»
Der Gewerkschaftsbunds-Präsident Pierre-Yves Maillard sagt gegenüber 20 Minuten, dass der Bundesrat «einen unfairen Finanzierungsvorschlag» präsentiert habe, den das Parlament nun korrigieren müsse. «Als Initianten haben wir uns immer für eine moderate Lohnbeitragserhöhung ausgesprochen, nicht für die Mehrwertsteuer – auch im Abstimmungskampf.» So oder so, sagt Maillard, müsse die neue Situation nach dem AHV-Berechnungsfehler vom Bund geklärt werden.
Die Grünliberalen hätten sich eine nicht isolierte Finanzierung der 13. AHV gewünscht. Diese wäre idealerweise im Gesamtkontext der strukturellen Reform der AHV gelöst worden, teilte GLP-Vizepräsidentin und Nationalrätin Melanie Mettler (BE) mit. Die Finanzierung der AHV bis 2050 müsse gelöst und die in Auftrag gegebene Reform der AHV mit Nachdruck weiterverfolgt werden. «Die Grünliberalen begrüssen aber insbesondere, dass der Bundesrat darauf verzichtet, den Arbeitsmarkt und die Erwerbstätigen zusätzlich zu belasten», wie sich Mettle in einer Mitteilung zitieren liess.
Die FDP lehnt den Vorschlag des Bundesrats deutlich ab – «aus Respekt vor unseren Institutionen und der Bevölkerung», wie es in einer Mittelung heisst. Sie ist der Meinung, die Steuern dürften für den Mittelstand erst erhöhen, wenn man belastbare Zahlen über die Finanzperspektiven der AHV habe.
Die Liberalen fordern stattdessen erstmal verlässliche, transparente und korrekte AHV-Zahlen vor Entscheiden zur Finanzierung der 13. AHV-Rente. Weiter will die Partei eine Aufarbeitung des Debakels durch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Die SP-Sozialministerin müsse im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und im Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) aufräumen, hiess es in einer Medienmitteilung.
Für die FDP sei eine Mehrbelastung des Mittelstandes und der KMU «inakzeptabel». Es sei völlig klar, dass das wichtigste Sozialwerk der Schweiz eine strukturelle Sanierung brauche.
Das sieht auch die SVP so, die in der Sendung «Echo der Zeit» auf Radio SRF 1 eine Gesamtvorlage zur AHV gefordert hat: «Die SVP lehnt eine reine Finanzierungsvorlage entschieden ab, deshalb erwarten wir, dass der Bundesrat eine Gesamtvorlage präsentiert und diese ist auch angekündigt auf Ende 2026.», sagte Nationalrat und Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) in der Sendung. Die jetzt vorliegende erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer würde die Kaufkraft weiter schwächen.
Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) begrüsst den Vorschlag des Bundesrates, dass die 13. AHV-Rente nicht mit höheren Lohnprozenten finanziert werden soll. Eine solche Finanzierung wäre höchst unsolidarisch. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer würden sich alle an der Finanzierung beteiligen, also auch die Rentnerinnen und Rentner, die von einer zusätzlichen Rente profitieren, schrieb der SAV. Nach wie vor würden sich die Arbeitgeber für eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer aussprechen.
Die Mitte sieht die vorgeschlagene Lösung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer als Schritt in die richtige Richtung an. «Die Mitte hat stets betont, dass es für die Finanzierung der 13. AHV-Rente eine möglichst ausgewogene Lösung braucht, die den Mittelstand so wenig wie möglich belastet», wurde Mitte-Nationalrat und Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy (VS) im Communiqué zitiert.
Auch der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) teilt diese Meinung. Der Dachverband der Schweizer KMU-Wirtschaft fordert jedoch eine umfassende Sanierung der AHV. (sda/lyn)
Man schröpft diejenigen, die keine Möglichkeit haben auszuweichen, weil man Angst hat dass diejenigen, die es sich leisten können, dann abwandern.
So wird die Schere immer grösser.
Röstis Ignorieren der Abstimmung zum Jagdgesetz scheint schon Schule zu machen.