Für die einen bewirken die Globuli wahre Wunder, für andere handelt es sich um puren Hokuspokus: Homöopathie ist umstritten. Eine neue Studie der Universität Zürich zeigt nun: Schweizer Ärzte verschreiben Globuli, glauben aber nicht an deren Wirkung. Vor allem Kinder-, Allgemein- und Frauenärzte setzen auf die alternative Behandlungsmethode.
Stefan Markun ist Leiter der soeben erschienenen Studie. Er und seine Co-Autoren ziehen folgendes Fazit: «Die Ergebnisse spiegeln wahrscheinlich eine gewisse Offenheit der meisten Ärzte, Homöopathie als Placebo-Intervention zu akzeptieren.»
Manche Ärzte geben ihren Patienten also homöopathische Kügelchen oder Tropfen mit nach Hause, ohne daran zu glauben, dass sie wirken. Sie setzen dabei scheinbar auf den Placebo-Effekt. Ist das nicht eine Täuschung des Patienten? «Nein», meint Philippe Luchsinger, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz. «Es ist keine Täuschung, wenn ich dem Patient erkläre, dass ich da eine Therapie habe, die nicht wissenschaftlich belegt ist, aber von der schon einige Patienten profitiert haben. Und was heisst ‹nur› den Placebo-Effekt? Der kann je nach Krankheitsbild und Therapie bis zu 40 Prozent ausmachen.» Dies hingegen sei wissenschaftlich belegt.
Tatsächlich: Ein Forscherteam der Universität Basel fand bei einem Schmerz-Versuch heraus, dass selbst Patienten, die wussten, dass sie ein Placebo einnahmen, von einer Schmerzlinderung berichteten.
Gisela Etter Kalberer, Präsidentin des Schweizer Vereins homöopathischer Ärztinnen und Ärzte, kann sich hingegen gar nicht vorstellen, dass Ärzte homöopathische Mittel verschreiben ohne an deren Wirkung zu glauben. Sie stellt die Fragestellung der Studie an den Pranger, die laut ihr die Ergebnisse verfälscht haben könnte: «Die Fragestellung war zum Teil verfänglich und nicht dem neusten Wissenstand angepasst.» Ausserdem wirke Homöopathie, das würden Studien belegen und Ärzte in der täglichen Praxis erleben.
Die Resultate der neuen Studie der Uni Zürich sorgte in amerikanischen Wissenschaftspublikationen für Kritik. «What’s worse? Doctors who believe homeopathy or just use it for placebo effect?», fragte etwa eine Journalistin des Wissenschaftsportals Ars Technica in einem Kommentar. Doch in der Schweiz geniesst die Homöopathie regen Zuspruch. Im Gegensatz zu Ländern wie den Vereinigten Staaten schwören hierzulande viele auf die Kügelchen, die Teils abenteuerliche Inhaltsstoffe in sich haben.
Fast drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer haben schon homöopathische Medikamente benutzt, rund ein Drittel tut es regelmässig. Und auch Tierhomöopathie erlebt zurzeit einen regelrechten Boom, schrieb die «Schweiz am Wochenende» kürzlich.
Die Patienten lassen sich von der harschen Kritik an der Homöopathie also nicht beeindrucken. Und Experten, die die Patienten in diesem Belangen beraten können, sind einfach zu finden: Laut der SDA gibt es hierzulande 20'000 Therapeuten und fast 3000 Ärzte, die alternative Methoden einsetzen.
Ganz anders in den USA. Das Land führte 2016 gar Warnhinweise für homöopathische Mittel ein. Die Globuli oder Tinkturen müssen nun mit dem Satz «Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass dieses Produkt wirkt» gekennzeichnet werden, oder mit der Aussage: «Die Wirkungsbehauptungen des Produkts basieren einzig auf homöopathischen Theorien aus dem 18. Jahrhundert, die von den meisten modernen Medizinexperten nicht anerkannt werden.»
Um die Anerkennung der Komplementärmedizin (dazu gehört auch die Homöopathie) als kassenpflichtige Leistung, wurde in der Schweiz lange gerungen. Im Jahr 2005 hatte der damalige Gesundheitsminister Pascal Couchepin die Fachrichtungen aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung gekippt.
Vier Jahre später hiess das Stimmvolk jedoch mit deutlichem Mehr einen Verfassungsartikel gut, der eine bessere Berücksichtigung der Komplementärmedizin verlangt.
Couchepins Nachfolger Didier Burkhalter führte daraufhin eine befristete Regelung bis Ende 2017 ein, nach der die obligatorische Krankenversicherung ärztliche Leistungen der Homöopathie, der anthroposophischen Medizin, der traditionellen chinesischen Medizin und der Pflanzenheilkunde bezahlt.
Diese Behandlungsmethoden werden nun seit dem 1. August 2017 definitiv von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen. Voraussetzung ist, dass die Methoden von einem Schulmediziner praktiziert werden, der in einer der vier Methoden einen FMH-anerkannten Fähigkeitsausweis erworben hat.