Die SBB will bald sämtliche Perrons rauchfrei machen. Die Meldung schreckte gestern die Schweizer Raucher auf. Der Tenor in den Kommentarspalten: Raucher würden immer stärker aus der Öffentlichkeit verdrängt. Ein Blick zurück zeigt: Bereits seit den 50er-Jahren wird die Luft für Tabakliebhaber dünner und dünner.
Der zweite Weltkrieg ist vorbei. Die Wirtschaft floriert. Durch die Schweizer Wohnzimmer wabert der blaue Dunst. Alle rauchen: Mütter, Väter – die Kinder beginnen früh. Die Tabakmultis riechen das grosse Geld. Doch 1950 macht ihnen der britische Forscher Richard Doll einen Strich durch die Rechnung. Denn Doll stellt fest: Rauchen schadet der Gesundheit. Seine Studie zeigt, dass Rauchen eine wichtige Ursache von Lungenkrebs ist.
Die Tabakindustrie lanciert darauf teure Gegenkampagnen um jeden Zusammenhang zwischen Rauchgenuss und Lungenkrebs zu widerlegen. Doch 1964 reagiert die Schweizer Politik und verbietet Zigarettenwerbung im Fernsehen. In Kinosälen läuft sie unterdessen auf Houchtouren weiter.
Der Kampf gegen den Tabakkonsum nimmt seinen Lauf. 1968 lanciert der Kanton Zürich eine der ersten Anti-Raucher-Kampagnen, sie trägt den Titel «Die Lunge ist dein letzter Filter». Auf nationaler Ebene wird 1973 die Arbeitsgemeinschaft «Tabakprävention Schweiz» gegründet. Schwerpunkt der Arbeit sind Kampagnen zur Förderung des Nichtrauchens, Medienarbeit und Mitarbeit in der Eidgenössischen Kommission für Tabakprävention.
Vor allem in den Schulen verstärkt sich die Präventionsarbeit. Damals noch mit dem Credo: Abschreckung führt zum Ziel. So brennt sich in den 80ern einer Generation von Schülern der Antiraucher-Film «Der Duft der grossen weiten Welt» ein. Darin unter anderem zu sehen: Eine Armada an kehlkopfkranken Cowboys, die durch die Wildnis reitet – eine schockierende Parodie auf den Marlboro-Mann.
Eingeführt wurde die Tabaksteuer zwar schon in den 30er-Jahren. Doch seit 1993 nimmt sie Jahr für Jahr stetig zu. Das hat auch Auswirkungen auf den Zigarettenpreis je Päckchen. Während man vor 24 Jahren noch weit weniger als 4 Franken für das Zigipäckli bezahlte, sind es heute rund 8.50 Franken.
Heute ist das Rauchen im Flugzeug undenkbar. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, als der blaue Dunst an Bord noch Alltag war. Erst 1998 verbot die Swissair das Rauchen an Bord für Passagiere und Piloten auf allen Flügen.
Trotzdem findet man bis heute Aschenbecher in den Maschinen. In den Regularien der European Aviation Safety Agency (EASA) ist dies so vorgeschrieben. Die EASA begründet dies folgendermassen: Werde trotz des Verbotes eine Zigarette angezündet und dann von dem Passagier in der Toilette oder mit Papierhandtüchern gelöscht, könne das unter Umständen gefährliche Folgen für alle Passagiere haben.
2003 schaltet sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein und bezeichnet den Tabakkonsum als weltweit wichtigsten Risikofaktor für nichtübertragbare Krankheiten. Die 192 Mitgliedstaaten verabschieden darauf die erste Anti-Tabak-Konvention. Darin werden die Staaten aufgefordert, Werbung für Tabakprodukte zu verbieten, die Gefahren des Passivrauchens ernster zu nehmen und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln anzubringen.
Am 11. Dezember 2005 gibt die Dachorganisation Verband öffentlicher Verkehr (VöV) bekannt: Es hat sich ausgeraucht in Zügen, Bussen und Schiffen. In einem ersten Schritt werden die Beschriftung in den SBB-Zügen geändert, in den folgenden sechs Monaten werden alle Aschenbecher entfernt.
Der Wunsch nach weiteren Verboten wird laut. 2006 legt der Kanton Tessin vor: Das Stimmvolk befürwortet ein Rauchverbot in Restaurants, Cafés, Bars und Discos mit rund 79,1 Prozent Ja-Stimmen. Im Kanton Zürich läuft unterdessen bereits eine Unterschriftensammlung der Lungenliga. Bald folgen andere Kantone: Bern, Genf, Basel. Auch in Europa tut sich viel. Frankreich, Österreich, Deutschland: Sie alle diskutieren über ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen.
Am 1. Mai 2010 ist es auch in der Schweiz soweit: Ab sofort gilt ein nationales Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen. Das Rauchverbotgesetz bleibt aber weiterhin ein Flickenteppich mit kantonalen Ausnahmen. So sind nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit in sieben Kantonen Raucherräume mit Service verboten. 19 erlauben bediente Fumoirs.
Am 23. September 2012 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über noch strengere Richtlinien ab. Die Initiative «Schutz vor Passivrauchen» will erreichen, dass in der Schweiz niemand mehr am Arbeitsplatz dem Tabakrauch ausgesetzt ist. Zwei Drittel der Stimmenden lehnen die Initiative jedoch ab.
Auch übers Portemonnaie will man weiterhin den Tabakkonsum reduzieren. Seit 2003 wurde die Steuer auf Zigaretten sechs Mal um insgesamt 1.50 Franken erhöht. Doch 2013 war der Spielraum für Steuererhöhungen ausgeschöpft. Darum fordert der Bund eine Revision des Tabaksteuergesetzes. Zur Diskussion stand eine schrittweise Erhöhung um 2.80 Franken auf 11 Franken pro Zigarettenpack. Doch der Vorschlag des Bundes scheitert im Parlament.
Seit Mai 2016 müssen in der EU Zigaretten- und Tabakschachteln zu zwei Dritteln mit Warnhinweisen und Schockbildern bedruckt sein – auf der Vorder- und Rückseite. Einige Länder, darunter Frankreich und Grossbritannien gehen sogar noch einen Schritt weiter: Die beiden Länder setzen auf «Plain Packaging» und verkaufen nur noch einheitliche, neutrale Zigipäckli ohne Markenlogo.
In der Schweiz hat die neue EU-Regelung keine Konsequenzen. Dennoch fordern Tabakgegner ähnliche Vorschriften.
Auch in Zukunft müssen Raucher mit weiteren Einschränkungen und Preiserhöhungen rechnen. So gaben die SBB kürzlich bekannt, dass sie derzeit komplett rauchfreie Bahnhöfe prüfen.
Für gleich viel Aufmerksamkeit sorgte die Meldung, dass eine Firma in Japan ihren nichtrauchenden Mitarbeitern sechs Tage mehr Ferien gewährt. Auch in der Schweiz wurde dieses Modell bereits diskutiert.
Auch ein Verbot von Tabakwerbung auf Plakaten, in Print- und Onlinemedien und im Kino könnte bald Tatsache sein. Im ersten Entwurf des neuen Tabakproduktegesetzes (TabPG) forderte der Bund bereits 2014 ein Verbot von Plakaten, Werbung und Sponsoring. Stände- und Nationalrat wiesen den Entwurf jedoch an den Bundesrat für eine Überarbeitung zurück. Ob es tatsächlich so weit kommt und das Gesetz angenommen wird, wird sich erst 2020 zeigen. Dann kommt es zur Schlussabstimmung im Parlament.