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Kinderarzt Beat Richner ist tot

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Beat Richner
In Kambodscha liebten sie ihn: Beat Richner untersucht ein Kind in einem seiner Spitäler in Siem Reap im Jahr 2001.
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Er rettete hunderttausende Kinder: Das bewegte Leben des Beat Richner

Für die Einen war er ein sympathischer Spinner, für die Anderen ein «Gott». Unbestritten ist, dass Beat Richner das Leben hunderttausender Kinder gerettet hat. Nun ist der Kinderarzt mit 71 Jahren einer schweren Krankheit erlegen.
09.09.2018, 12:2310.09.2018, 07:44
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Im Frühling 2017 musste Richner aus gesundheitlichen Gründen die Leitung seiner fünf Spitäler in Kambodscha aufgeben und in die Schweiz zurückkehren. Seine Stiftung hatte mitgeteilt, dass er an einer seltenen und unheilbaren Hirnerkrankung mit zunehmendem Funktions- und Gedächtnisverlust leide.

So war Richner denn auch nicht dabei, als im November im Beisein des kambodschanischen Königs Norodom Sihamoni in Phnom Penh der Gründung des Kantha-Bopha-Kinderspitals vor 25 Jahren gedacht wurde. 1992 hatte der damals 45-Jährige seiner gutgehenden Praxis am Zürichberg den Rücken gekehrt, um in der kambodschanischen Hauptstadt die Kinderklinik wieder aufzubauen.

Im Kantha Bopha («Duftende Blume»), benannt nach einer jung verstorbenen Tochter von König Sihanouk, hatte Richner schon 1974 als junger Arzt für das Rote Kreuz gearbeitet. 1975 musste er das Land nach der Offensive der Roten Khmer aber fluchtartig verlassen.

Nach seiner Rückkehr nach Zürich arbeitete Richner zunächst am Universitätsspital und baute später seine eigene Praxis auf. Nebenbei erfand er die Rolle des melancholischen Musikclowns Beatocello, schrieb Kinderbücher für «Erwachsene ab etwa fünf Jahren» und trat in der Kinderstunde des Fernsehens auf.

15 Millionen Kinder behandelt

1991 wurde Richner von König Sihanouk angefragt, das unter dem Schreckensregime von Pol Pot zerstörte Kantha-Bopha-Spital zu renovieren. Nach der Einweihung im September 1992 gründete er von 1996 bis 2007 noch vier weitere Kliniken, drei in Phnom Penh und eine in Siem Reap.

Heute haben die Kantha-Bopha-Spitäler 2500 Mitarbeitende und den Status von Universitätskliniken. Sie verarzten über 80 Prozent aller kranken Kinder des Landes, und das völlig kostenfrei. Seit 1992 wurden fast 15 Millionen Kinder ambulant und mehr als 1,5 Millionen weitere stationär behandelt, die meisten unentgeltlich. Die kambodschanischen Ärzte werden durch eine strategische Zusammenarbeit mit dem Universitäts-Kinderspital in Zürich aus- und weitergebildet.

ARCHIVE --- DER KINDERARZT BEAT RICHNER FEIERT AM 13. MAERZ SEINEN 70. GEBURTSTAG. ER IST INITIANT DER STIFTUNG "KINDERSPITAL KANTHA BOPHA" UND HALF IN KAMBODSCHA MEHRERE SPITAELER AUFZUBAUE ...
In Richners Spitälern wurden bis heute 15 Millionen Kinder behandelt. Bild: KEYSTONE

Neben dem unermüdlichen Einsatz für seine jungen Patienten – eigene Kinder hatte der unverheiratete Zürcher nicht – war Richner auch unablässig als Geldeintreiber unterwegs. Jeden Samstag gab Beatocello ein Konzert in seinem Spital in Siem Reap und warb bei den Besuchern um Spenden. Auch tourte er regelmässig mit seinem Cello «Blondine» durch die Schweiz und trat an Galaveranstaltungen des Zirkus Knie auf.

Streitbarer Geist

Dazwischen legte sich Richner auch immer wieder mit der UNO an, die ihm indirekt eine Luxusmedizin unterstellte. Der Kinderarzt wiederum verabscheute die von der Weltgesundheitsorganisation propagierte Basismedizin als «arme Medizin für arme Leute». Seinen Kritikern hielt er entgegen, dass seine Spitäler weltweit das beste Verhältnis zwischen Kosten und Heilungsrate aufwiesen.

Auch mit den Schweizer Behörden lag der von den Menschen in Kambodscha als «Gott» verehrte Richner zeitweise über Kreuz. Weil er sich weigerte, mit den «korrupten» Gesundheitsbehörden Kambodschas einen Vertrag zu unterzeichnen, stellte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) 2004 vorübergehend ihre Zahlungen ein.

Unterdessen attestierte sie Richner eine «überragende Arbeit» zugunsten der Kinder und des Gesundheitswesens in Kambodscha. Aktuell unterstützt der Bund die Kantha-Bopha-Stiftung mit 4 Millionen Franken pro Jahr. Seit 1994 flossen so über 60 Millionen Franken in die Spitäler. Die kambodschanische Regierung ihrerseits verdoppelte 2016 ihren Beitrag auf jährlich 6 Millionen Dollar.

Darüber hinaus steigen die privaten Spenden aus Kambodscha kontinuierlich an. 2017 kam ein Drittel des Budgets von 42 Millionen Franken aus Kambodscha.

Vielfach geehrt

Richner war Ehrendoktor der Universität Lausanne und der Universität Zürich. Daneben erhielt er weitere Auszeichnungen und Ehrungen. Schon 1994 wurde ihm etwa der Adèle-Duttweiler-Preis zugesprochen. 2003 wurde er im Rahmen der SRF-Fernsehshow «SwissAward» als erster «Schweizer des Jahres» ausgezeichnet.

Der französisch-schweizerische Dokumentarfilmer Georges Gachot widmete dem charismatischen Wohltäter fünf Filme. Richner selbst schrieb drei Bücher, zuletzt «Ambassador. Zwischen Leben und Überleben», in dem er über seinen Alltag als Kinderarzt in Kambodscha berichtet. (sda)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Macrönli
09.09.2018 12:57registriert April 2018
Ruhe in Frieden lieber Beat Richner.

Wunderbar was er alles geleistet hat und wie viel Gutes er gebracht hat. Ich hoffe es geht in seinem Sinne weiter ❤
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honesty_is_the_key
09.09.2018 12:47registriert Juli 2017
Mein herzliches Beileid der Familie und den Freunden von Beat Richner. Ich war mehrmals In Kamboscha und obwohl ich ihn nie persönlich kennen gelernt habe, für mich war er immer ein "moderner Held" der so vielen Menschen ohne Geld eine ärztliche Behandlung ermöglicht hat.
RIP "Beatcello".
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LifeIsAPitch
09.09.2018 14:59registriert Juni 2018
Mein Beileid - und meinen grössten Respekt für sein Lebenswerk. Im Zuge der beliebig austauschbaren und selbstverliebten Influencer-Generation war es ein Trost, dass es mit Beat Richner tatsächlich noch wirkliche "Superstars" gab. Bleibt zu hoffen, dass er nicht einer der Letzten einer aussterbenden Art von selbstlosen Menschen war, die für eine bessere Welt einstehen. RIP Beatocello.
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