Nach den Wahlen vom
18.Oktober wurde in den Medien heftig über eine mögliche Allianz der
Mitteparteien spekuliert. Ziel: Die Sicherung des Bundesratssitzes
von Eveline Widmer-Schlumpf (BDP). Mit deren Verzichtserklärung auf
eine erneute Kandidatur am letzten Mittwoch hat sich dieses Thema
erledigt – die Mitte scheint nicht bereit, den Sitz um jeden Preis
verteidigen zu wollen.
Die Träume von
einer Zusammenarbeit oder gar Fusion im politischen Zentrum aber
leben weiter. Der Solothurner CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt
hat in der «Schweiz am Sonntag» sein Konzept für eine neue
Mitte-Partei «Die Moderaten» dargelegt, bestehend aus CVP, BDP
und GLP. Nach den Wahlen biete sich «eine historische Chance, die
Mitte zusammenzuführen», schreibt Müller-Altermatt in einem
Beitrag, den er als «persönliche Sicht» deklariert
hat.
Eine Alternative zu
diesem Konzept brachte die «NZZ am Sonntag» ins
Spiel: Den Zusammenschluss der BDP mit der FDP. Als «Kronzeuge» dient der Politologe Claude Longchamp: «Die BDP würde von der
politischen Positionierung und von ihrer Kultur her besser zur FDP
passen als zur CVP», sagte Longchamp mit Verweis auf die
Smartvote-Profile der Fraktionen. BDP-Präsident Martin Landolt
schloss im Interview mit watson eine Annäherung an die FDP nicht
aus. Diese habe «mit der Mitte thematisch viel mehr Gemeinsamkeiten
als mit der SVP».
Realistisch sind
diese Gedankenspiele derzeit nicht: Die Mitte-Parteien sind eher auf
Abgrenzung voneinander bedacht, ihre Präsidenten kultivieren
gegenseitige Eifersüchteleien. Statt Fusion herrscht Konfusion.
Dabei wäre Handlungsbedarf vorhanden: Während die FDP am 18.
Oktober erstmals nach 36 Jahren wieder Stimmengewinne verzeichnen
konnte, gehörten die übrigen Mitte-Parteien zu den Verlierern. Am
glimpflichsten kam die CVP davon, mit einem Sitzverlust im
Nationalrat. Nach jahrzehntelangem Niedergang ist das jedoch
keine Kunst.
Begonnen hatte es
ganz gut: Am Mittwoch nach den Wahlen unterhielten sich die
Parteipräsidenten Christophe Darbellay (CVP), Martin Bäumle (GLP) und
Martin Landolt (BDP) erstmals über die Möglichkeit einer vertieften
Zusammenarbeit. EVP-Präsidentin Marianne Streiff-Feller war gemäss «NZZ am Sonntag» ebenfalls eingeladen, aber beruflich verhindert.
Zu einem konkreten Ergebnis führte das Gespräch nicht, es soll aber
in angenehmer Atmosphäre stattgefunden haben.
Die kalte Dusche
folgte am Sonntag danach. In einem Interview mit «Le
Matin Dimanche» anerkannte CVP-Präsident Christophe Darbellay
nicht nur den Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz im Bundesrat,
er attackierte auch die möglichen Partner. Die Weigerung der BDP vom
letzten Jahr, mit der CVP eine Union zu bilden, habe ebenso Spuren
hinterlassen wie die Aufkündigung der gemeinsamen Fraktion durch die
Grünliberalen nach deren Wahlerfolg 2011.
GLP-Chef Martin
Bäumle bestätigte in der «Aargauer Zeitung» vom Samstag, dass
die Vertrauensbasis erschüttert sei: «Die Diskussionen über
Unionen, Fusionen und dann der Rückzieher der BDP haben Wunden
hinterlassen. Auch zwischen CVP und GLP gibt es offene Wunden.» Sein Vertrauen zu FDP-Chef Philipp Müller sei «ziemlich nahe am
Nullpunkt», legte Bäumle nach: «Wie er sich bei der
Energiestrategie, bei unserer Initiative und dem Gegenvorschlag
verhalten hat, grenzt für mich an unfaires Verhalten. Das nehme ich
ihm übel.»
«Ja, die Union ist
an unserer Basis gescheitert, aber das ist nun einmal so»,
bestätigte BDP-Präsident Landolt im Interview. Sein Verständnis
für die CVP hält sich in Grenzen: «Ich begreife das
stetige Klagelied über die gescheiterte Union nicht ganz. Es gibt
genügend Varianten für eine verstärkte Zusammenarbeit.» Landolts
Partei ist in einer heiklen Lage: Nach dem Verlust von
Zugpferd Widmer-Schlumpf muss sie zeigen, ob sie sich sich
langfristig im Schweizer Parteienspektrum halten kann oder als
Fussnote in die Geschichte eingehen wird.
Ansätze für eine
Allianz gäbe es durchaus, zum Beispiel die Sitzverteilung im
Bundesrat. Ein Bündnis aus CVP, GLP, BDP und EVP könnte Anspruch
auf den zweiten FDP-Sitz anmelden. Umgekehrt könnten die
Freisinnigen diesen sichern, wenn sie sich mit der BDP (oder den
Grünliberalen) verbündeten. Auch in der Sachpolitik könnten solche
Mitte-Vereinigungen gegenüber links und rechts deutlich mehr Gewicht
auf die Wagschale legen.
Die Zeit dafür
scheint aber nicht reif. «In diesem Jahr macht es wirklich keinen
Sinn mehr, irgendetwas zu wursteln», sagte Martin Bäumle der «Aargauer Zeitung». Man solle warten, «bis der Pulverdampf der
Wahlen abgezogen ist». Der Horizont von Stefan Müller-Altermatt
reicht noch weiter: Es stehe wohl eine «Übergangslegislatur» bevor, in der die Erkenntnis reifen könne, «dass ein einziges Dach
wohl genügen würde».
Ob die BDP und vor
allem die Grünliberalen sich dieser Erkenntnis beugen und auf ihre
Eigenständigkeit verzichten werden, ist mehr als
fraglich. Martin Landolt scheint wild entschlossen, mit seiner BDP
einen eigenen Weg zu gehen, in vollem Wissem um das Risiko: «Wenn
wir 2019 wieder verlieren, gibt es keine Ausreden mehr.» Noch ist
der Traum von einer starken Mitte-Partei nicht mehr als genau
das: Ein Traum.