An den 17. August 1943 erinnern sich einige ältere Utzenstorfer noch genau: Es war ein heisser Sommertag, die Bauern waren draussen an der Arbeit, in einem «Pflanzblätz» las gerade eine Frau Stangenbohnen ab. Und plötzlich war da dieser US-B-17-Bomber.
Dass Kampfflugzeuge und Bomber die Region überflogen, war in den Jahren des Zweiten Weltkriegs nichts Ungewöhnliches. Doch an diesem Tag schauten die Utzenstorfer verdutzt auf: Der Motorenlärm klang anders als sonst, viel näher.
Tatsächlich kam ein amerikanischer B-17-Bomber «in beängstigendem Tiefflug» daher, wie Lokalhistorikern Barbara Kummer-Behrens im Buch «Utzenstorf im Spiegel alter Fotos und Postkarten» schreibt.
Etwas ausserhalb von Utzenstorf setzte der über Deutschland schwer angeschossene Bomber Battle Queen – Peg of my Heart zur Notlandung an. «Wir landeten mitten in einem Kartoffelacker und kamen in einem Bohnenfeld zum Stillstand», notierte Bordfunker Bill Carter danach in fein säuberlicher Handschrift in sein Tagebuch.
Die Frau im Bohnenfeld sah den Bomber auf sich zuschiessen und verkroch sich vor Schreck unter ihrem grossen Bohnenkorb. Dass sie unverletzt davon kam, grenzt an ein Wunder. Als der Bomber zum Stillstand kam, befand sich der Bohnenkorb mitsamt Frau direkt unter einem der Flügel, wie der Utzenstorfer Rolf Zaugg, ein Kenner der Ereignisse, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erzählt.
Doch nicht nur die Bohnenleserin hatten einen gehörigen Schreck, der zehnköpfigen Bomber-Besatzung erging es kaum besser. «Als wir zur Notlandung ansetzten, betete jeder für sich, dann hörten wir ein ohrenbetäubendes Krachen und das Innere des Bombers füllte sich mit Staub und Kartoffeln», wird der ehemalige Bordingenieur John Scott in Kummer-Behrens' Buch zitiert.
Carter notierte in sein Tagebuch: «Es war eine glatte Landung, wenn man bedenkt, dass wir mit mehr als 100 Meilen pro Stunde (rund 160 km/h) mit dem Flugzeugrumpf aufsetzten.»
«Es verging keine Viertelstunde, und das ganze Dorf war auf den Beinen», wie aus Carters Tagebuch hervorgeht, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Auszügen vorliegt. Schliesslich habe sich ein Mann gefunden, der Englisch konnte. «Er sagte uns, wir sollen mitkommen in ein Hotel im Dorf. So stapften wir los mit der ganzen Dorfbevölkerung im Schlepptau.»
Unterdessen waren auch die Behörden alarmiert. Der zuständige Berner Polizeikommandant rapportierte: «Die erfolgte Landung wurde dem Unterzeichneten durch Frau Gygax, Landjäger's in Utzenstorf um 14.20 Uhr telephonisch gemeldet.»
Die Offiziere der Bomber-Besatzung wurden in Utzenstorf im Bären einquartiert, die Unteroffiziere im Bahnhöfli. Später kamen die US-Soldaten nach Adelboden, wo die meisten von ihnen bis zum Ende des Krieges interniert blieben. Carter hingegen floh nach etwa einem Jahr nach Frankreich, von wo er sich wieder US-Truppen anschloss und noch diverse weitere Bomben-Angriffe flog.
In Adelboden waren die Amerikaner beliebt, verfügten sie doch über einen Sold von zwölf Dollar pro Tag, damals eine ansehnliche Summe. Die internierten Amerikaner konnten sich frei bewegen und gaben ihr Geld aus. Sie kauften sich etwa Uhren oder gingen Skifahren. Ein willkommener Zustupf in Zeiten, in denen der Tourismus im Berner Oberland wegen des Krieges zum Erliegen gekommen war.
Der in Utzenstorf niedergegangene Bomber wurde von den Schweizer Behörden eingezogen und zwecks militärischer Auswertung nach Zürich-Kloten abtransportiert. Der B-17-Bomber, im Volksmund «fliegende Festung» genannt, hatte beispielsweise ein sogenanntes Norden-Bombenzielgerät an Bord.
Dieses galt zu seiner Zeit als präziseste Zieloptik der Welt. Die Existenz und Funktionsweise des Geräts wurde von den Amerikanern zunächst strikt geheim gehalten. «Das Zweitgeheimste nach der Atombombe», wie Rolf Zaugg sagt, der ein «Norden Bombsight» in seinem privaten B-17 Museum in Utzenstorf stehen hat.
Zum Abtransport der Battle Queen – Peg of my heart hat Zaugg noch eine Anekdote auf Lager: Um das Flugzeug verladen zu können, wurde es teilweise demontiert. Dies verlangte den Männern einiges an Improvisationsvermögen ab. Die Amerikaner hatten für die Konstruktion nämlich Kreuzschrauben verwendet.
In der Schweiz waren aber nur Schlitzschraubenzieher gebräuchlich. So wurden kurzerhand Schweizer Armee Stylet-Bajonette auf den gewünschten Schraubenkopf-Durchmesser eingekürzt, fertig war der Kreuzschraubenzieher. (whr/sda)