Giuseppe Gracia ist seit 2011 Sprecher des Bistums Chur. Er ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Bild: KEYSTONE
Kaum jemand getraue sich, sich als Gegner der Homo-Ehe zu outen. Und wenn, dann sehe er sich bald einem Shitstorm ausgesetzt wie Martin Candinas (CVP) nach seinem Interview mit watson, schreibt der «Blick». Die Zeitung hat deshalb eine «Polemik» des Churer Bistums-Sprechers Giuseppe Gracia abgedruckt – und die hat es in sich.
07.07.2017, 11:4507.07.2017, 12:10
Die Provokation liegt Giuseppe Gracia, dem Sprecher des Bistums Chur, im Blut. Das stellte er heute im «Blick» erneut unter Beweis. In einem Gastbeitrag schiesst er scharf gegen die «Ehe für alle». Dass das standesamtliche Ja-Wort bald allen offenstehen könnte, «die sich ganz doll lieben», läuft aus seiner Sicht dem Staatsinteresse zuwider.
«Was den Staat betrifft, so hat er die Ehe bisher nicht deswegen privilegiert, weil Mann und Frau sich ganz doll lieben, sondern weil sie oft für Nachkommenschaft sorgen.»
Das Interesse des Staates bestehe im Heranwachsen künftiger Steuerzahler, Arbeitnehmer und Konsumenten «in stabilen Verhältnissen», argumentiert Gracia. Ohnehin fragt er sich, was eine Gesellschaft, die sich progressiv schimpft, überhaupt mit dem Konzept Ehe anfangen will:
«Wären flexible Patchwork-Modelle nicht besser, Lebensabschnitts-Partnerschaften mit niederschwelliger Kündigungsklausel?»
Immerhin sei die traditionelle Ehe die Hauptursache aller Scheidungen, höhnt PR-Profi Gracia. Allerdings sei es nicht an ihm, zu urteilen, welche Formen des Zusammenlebens der Staat künftig privilegieren soll.
«Der Staat darf auch Selbstmord in Zeitlupe begehen, wenn es demokratisch geschieht. Frei nach Oscar Wilde ist Demokratie schliesslich die Garantie dafür, dass das Volk tatsächlich das bekommt, was es verdient.»
Die totale Verluderung der Sitten ist jedenfalls nah, sollte der traditionelle Ehebegriff tatsächlich aufgebrochen werden, davon ist Gracia überzeugt. Beim Gedanken daran scheint seine Fantasie fast mit ihm durchzugehen.
Wenn es tatsächlich so ist, dass in Zukunft die «Ehe für alle» gilt, dann auch für drei Männer oder einen Mann und drei Frauen. Auch sehr behaarte Männer mit der Befähigung, mehrere Ehefrauen zu pflegen und mit ihnen diverse Kinder zu zeugen, dürfen nicht länger diskriminiert werden.
Die komplette Abschaffung der Ehe ist dann aus Sicht des Bistums-Sprechers nur noch eine Frage der Zeit. Gracia skizziert folgende Kaskade: Polygame Männer holen sämtliche Gemahlinnen per Familiennachzug in die Schweiz. Die Integrationsprobleme laufen aus dem Ruder. Am Ende bleibt nur noch eine Lösung:
«... eine Initiative lancieren mit dem Ziel, die staatliche Ehe ganz abzuschaffen. Ehe für niemanden.»
Shitstorm gegen Martin Candinas
In der Einleitung zum Gastartikel verweist der «Blick» darauf, dass das deutsche Ja zur «Ehe für alle» in der Schweiz überwiegend positiv bewertet worden sei. Die Gegner der Homo-Ehe getrauten sich kaum, ihre Bedenken laut zu äussern. Und wenn, gerieten sie prompt in einen Shitstorm – wie CVP-Nationalrat Martin Candinas nach seinem watson-Interview.
Das ganze Gespräch zum Nachlesen
Tatsächlich sorgte das Gespräch für emotionale Diskussionen. Die Kontroverse blieb auch in Candinas' bündnerischer Heimat nicht unbemerkt – das Onlineportal der «Südostschweiz» widmete den Kommentaren der watson-Leser einen eigenen Artikel. Mit der Kritik habe er keine Mühe, liess sich Candinas als Reaktion darauf zitieren. «Ich weiss, dass es ein emotionales Thema ist, das auch Reaktionen provoziert.»
(jbu)
Was sich in der Politik in Sachen Schwulen-Rechte getan hat
Speziell für Herr Gracia: Die schönsten Aufnahmen von der Zurich Pride
Video: srf/SDA SRF
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