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Schweiz-Besuch von Erdogan-Sprachrohr: Behörden wussten nix

AKP-Parlamentarier Mustafa Yeneroglu im Gespräch mit türkischer Generalkonsulin Asiye Nurcan İpekçi in Zürich am 30. März 2017. Yeneroglu besichtigt als Vertreter der AKP die Wahllokale für das Verfas ...
AKP-Mann Mustafa Yeneroglu im Gespräch mit der türkischen Generalkonsulin in Zürich. Im Hintergrund die Wahlkabinen für die Stimmabgabe zur Verfassungsreform. bild: screenshot twitter.com/myeneroglu, bearbeitung: watson

Wie Erdogans Propaganda-Chef Schweiztürken beim Abstimmen zuguckt – und niemand es merkt 

Mustafa Yeneroglu ist der lauteste Fürsprecher von Präsident Erdogans Verfassungsreform im deutschen Sprachraum. Der AKP-Vertreter besuchte die Wahllokale in Zürich, Genf und Bern – während Wähler abstimmten. Das EDA war nicht über seinen Besuch informiert.
05.04.2017, 14:3106.04.2017, 04:18
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Rund 95'000 in der Schweiz lebende Türken sind derzeit aufgerufen, über die umstrittene Verfassungsreform abzustimmen, die Staatspräsident Erdogan mehr Macht verleihen soll. Seit Anfang letzter Woche können sie in speziell dafür eingerichteten Wahllokalen in den türkischen Generalkonsulaten in Zürich und Genf sowie in der Botschaft in Bern ihre Stimme abgeben. Wer am letzten Donnerstag seinen Stimmzettel einwarf, konnte in den Wahllokalen auf einen prominenten Besucher treffen: Mustafa Yeneroglu, Abgeordneter der regierenden AKP und Vorsitzender der Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments.

Dauergast in deutschen Talkshows

Der 42-Jährige besichtigte die Wahllokale in Zürich, Bern und Genf in seiner Funktion als Leiter der «Koordinationsstelle für Wahlen im Ausland» der AKP. Gemäss einem Bericht der Post Gazetesi, einer türkischsprachigen Zeitung aus der Schweiz, überprüfte er als Wahlbeobachter für seine Partei, ob die Abläufe in den Schweizer Wahllokalen ordnungsgemäss waren. Fotos in sozialen Medien zeigen, dass sich Yeneroglu auch mit den Generalkonsuln, dem Botschafter sowie einzelnen Wähler unterhielt.

Doch Mustafa Yeneroglus Interessen reichen weiter über die Formalitäten des Wahlablaufs hinaus. Er hat sich seit dem Putschversuch in der Türkei im letzten Sommer als Erdogan-Sprachrohr in den deutschen Medien etabliert – unbeirrt vertritt er die Position des türkischen Präsidenten in Talkshows wie «Maybritt Illner» oder «Anne Will». Ob zum Völkermord an den Armeniern, zur Verhaftungswellen gegen Akademiker oder den Entlassungen von Richtern und Staatsanwälten: Yeneroglu weibelt stets um Verständnis für den Standpunkt von Erdogan und dessen Regierung.

EDA über Besuch im Dunkeln

In den letzten Monaten trat der in Deutschland aufgewachsene und ausgebildete Jurist Yeneroglu in Europa prominent für ein Ja zu Erdogans Verfassungsreform ein, sprach in Antwerpen, Wien und Stuttgart vor Wählern und gerne auch in Fernsehkameras und Mikrofone. Auf Twitter und Facebook verurteilte er deutsche Medien, die in seinen Augen unausgewogen über die Türkei berichten und kritisierte türkischstämmige deutsche Politiker, die Erdogans Reform ablehnen.

Die Schweizer Behörden waren über den Besuch Yeneroglus von vergangener Woche nicht informiert, wie Pierre-Alain Eltschinger, Sprecher des Eidgenössischen Departements des Äusseren (EDA), auf Anfrage erklärt. Dabei hatte der Wahlkampf zur Verfassungsreform auch hierzulande für Schlagzeilen gesorgt: Geplante Auftritte des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu und von AKP-Parlamentarier Hursit Yildirim wurden aus Sicherheitsgründen verboten und konnten nur im privaten Rahmen stattfinden. Spitzelaktionen gegen vermeintliche Anhänger der Gülen-Bewegung fanden den Weg in die Öffentlichkeit.

Als sein türkischer Amtskollege dann doch noch den Weg in die Schweiz fand, fand Aussenminister Didier Burkhalter (FDP) in einem Communiqué zum Besuch ungewöhnlich deutlich Worte: Er ermahnte die Türkei, Schweizer Gesetze einzuhalten und die Freiheitsrechte der hier lebenden Türken zu respektieren. Burkhalter betonte die Bedeutung der Meinungsäusserungsfreiheit in einer Demokratie. Die Schweiz erwarte von der Türkei, dass sie ihren internationalen Verpflichtungen in dieser Hinsicht nachkomme. Auf dieses Communiqué verweist nun auch EDA-Sprecher Eltschinger im Zusammenhang mit dem Besuch Yeneroglus in den Wahllokalen in der Schweiz.

Die Stadtpolizei Zürich will sich auf Anfrage nicht zu den Sicherheitsmassnahmen rund ums türkische Generalkonsulat äussern, auch nicht zur Frage, ob sie über den Besuch Yeneroglus informiert war. Sprecher Marco Cortesi sagt lediglich, dass man sich permanent im Austausch mit dem Generalkonsulat befinde. Mustafa Yeneroglu wollte keine Fragen über seinen Besuch in der Schweiz beantworten.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Henzo
05.04.2017 15:11registriert August 2014
Wenn der Typ eh schon alles kontropliert, wie kann man ihn denn davon abbringen die stimmzettel die ihm nicht passen nicht als ungültig zu erklären oder irgendwelche zahlen zu der abstimmung zu erfinden? Ich denke alle wichtigen ämter sind schon mit seinen anhängern besetzt und die die sich gegen ihn stellen sind im knast oder tot. Mit demokratie hat das nichts mehr zu tun....
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wtf
05.04.2017 18:19registriert August 2015
Also wie jetzt? Hat er beim Ausfüllen/ Abstempeln der Wahlzettel über die Schulter der Wähler geschaut?
Wie soll uch diesen nicht gelungenen Titel interpretieren?
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Kaffo
05.04.2017 17:09registriert Februar 2016
Warum Wahlbeobachter? Das ist doch scheinheilig. Erdogan "gewinnt" diese Wahl sowieso.
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