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80 Rappen für ein Ladekabel: Darum ist Aliexpress so billig

80 Rappen für ein Ladekabel: Darum ist Aliexpress so spottbillig

Auf dem chinesischen Online-Marktplatz Aliexpress können Kunden die unterschiedlichsten Produkte bequem zu sich nach Hause bestellen. Die Schweizer Online-Shop-Betreiber können kaum mit den Spottpreisen mithalten. Wie ist das möglich? 
16.02.2017, 07:2617.02.2017, 16:45
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Verlobungsringe für 1.50 Franken, iPhone-Ladegeräte für 90 Rappen, Ohrringe für 70 Rappen und das alles inklusive Versandkosten: Willkommen bei Aliexpress, dem Onlinemarktplatz des chinesischen Internetgiganten Alibaba. Die chinesische Version von Amazon sorgt in der Schweiz für eine wahre Flut an Päckchen aus Übersee, wie die Handelszeitung berichtet. Der Grund dafür ist simpel: Die ultratiefen Preise. In der Schweiz muss man etwa für ein vergleichbares Ladekabel auf Amazon mindestens 7.50 CHF plus Versandkosten bezahlen.

Ein original iPhone-Ladegerät von Apple beim Online-Anbieter Digitec kostet gar 19 Franken. Doch: «Solche ‹Original-Produkte› sind kaum mit solchen, die bei Aliexpress zu kaufen sind, zu vergleichen», sagt E-Commerce-Experte Malte Polzin. «Denn hinter diesen Produkten stehen Konzerne, die ein gewisses Mass an Qualität garantieren, andere Infrastrukturen wie z.B. die Apple Stores unterhalten und eine saftige Marge für sich selbst beanspruchen.» Sprich: Apple und Co. geben ihre Geräte bereits teuer an die Detailhändler weiter.

So sieht ein Preisvergleich zwischen den Händlern aus:

Verglichen wurde jeweils ein 1 Meter langes iPhone-6-Ladekabel. Bei Digitec kostet es 19 Franken, bei Aliexpress nur 80 Rappen. Wie ist das möglich? Die Auflösung folgt weiter unten.
Verglichen wurde jeweils ein 1 Meter langes iPhone-6-Ladekabel. Bei Digitec kostet es 19 Franken, bei Aliexpress nur 80 Rappen. Wie ist das möglich? Die Auflösung folgt weiter unten.daten: digitec, amazon, aliexpress

Doch wie kann zum Beispiel ein Mp3-Player für 80 Rappen produziert, verpackt und von China aus in die Schweiz geliefert werden? Eines ist sicher – bei der Hardware wird wenig bis gar nichts gespart. «Der grosse Preisunterschied bei Elektrogeräten entsteht nicht primär in der Produktion. Produktionskosten werden oft überschätzt», sagt Polzin.

So sehen die Produkte von Aliexpress aus bei der Ankunft aus:

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So sehen die Produkte von Aliexpress aus
So sehen die Kabel aus. Sie wurden getestet und funktionieren alle. Bild: watson
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So hat zum Beispiel ein Technik-Blogger der Risikokapital-Gesellschaft «Bolt» herausgefunden, dass die Produktionskosten von echten Beats-Kopfhörern nur etwa drei Dollar über denen von Gefälschten liegen. Die Produktion des Originals kostet etwa 20 Dollar, die von Gefälschten 17 Dollar. Bei günstigeren Elektrogeräten dürfte dieser Preisunterschied noch kleiner sein.

Malte Polzin:
Malte Polzin ist ehemaliger CEO des Online-Versandhauses Brack.ch, Dozent für Digital Business und E-Commerce-Experte. Polzin war ausserdem Partner bei der Unternehmensberatungsfirma Carpathia. (leo)

Zwischenhändler und Versandkosten machen den Unterschied

Bei der Produktion liegt der Hund also nicht begraben. Bleibt das Angebot und der Versand. «Bei Ricardo und Co. gibt es viele Privatpersonen und Handelsfirmen, die ihre Geräte von chinesischen Händlern einkaufen und auf Amazon weiterverkaufen, also als Zwischenhändler fungieren», sagt Polzin. Diese Zwischenhändler wollen auch etwas an diesem Geschäft verdienen, also wird das Produkt teurer.

Weiter sind die Versandkosten von Paketen aus Deutschland in die Schweiz teurer als aus China. «Es ist absurd, aber wenn Aliexpress/Alibaba, wie jüngst berichtet wurde, ein Lager in Bulgarien einrichten würde, wären die Versandkosten aktuell trotzdem teurer, als wenn sie die Waren direkt aus China schicken», so Polzin weiter. Der Grund dafür ist, dass China vom Weltpostverein als Entwicklungsland eingestuft wird und somit günstiger in die Schweiz liefern kann als zum Beispiel Deutschland oder Bulgarien. 

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Die tatsächlichen Kosten der Versendung übersteigen aber die von China an die Schweizer Post bezahlten Vergütungen. «Die Schweizer Post und damit indirekt die Schweizer Händler müssen den chinesischen Online-Handel subventionieren», sagt Patrick Kessler, Präsident des Versandhandelsverbands, zur Handelszeitung. Dies soll aber nicht mehr lange so bleiben. Bis 2021 sollen auf Drängen der westeuropäischen Postverbunde die Posttarife angeglichen werden.

Doch um Spottpreise wie 80 Rappen für ein Ladekabel erzielen zu können, muss weiter an den Kosten geschraubt werden. So sehr sogar, dass die Anbieter dabei möglicherweise Verluste einfahren. «Solche Angebotsplattformen wie Alibaba und Amazon funktionieren mit einem Bewertungssystem. Je besser und zahlreicher die Bewertungen eines Anbieters sind, desto weiter oben wird er bei der Suche gelistet», sagt Polzin. «Es ist also denkbar, dass ein Anbieter ein Produkt für kurze Zeit noch günstiger anbietet, um bessere Bewertungen einzufahren und in Zukunft besser gelistet zu werden.»

Der Preiszerfall lässt sich also auf folgende Gründe zurückführen:

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daten: digitec, amazon, aliexpress
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114 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lutz Pfannenstiel
16.02.2017 08:30registriert Februar 2015
Ein Verlobungsring für Fr. 1.50, juhuuuu!
Kommt sicher gut an.
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dmark
16.02.2017 10:21registriert Juli 2016
Woher kommen denn fast all unsere Produkte her? Es sind doch nur noch ganz wenige Firmen, welche nicht in China fertigen lassen und viele davon quasi lediglich nur noch als "Zwischenhändler" fungieren. Also ist es doch kein Wunder, dass die Chinesen hierzulande auch ihre Produkte direkt absetzen möchten und die Kunden, dank Internet auch "global" kaufen können. Zumal diese sich mit weit weniger Marge zufrieden geben. Für Chinesen zählt nur Stückzahl.

Es lebe die Globalisierung. ;-)
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ströfzgi
16.02.2017 09:18registriert April 2016
Vielleicht sollte noch erwähnt werden dass zwischen 0.90 und 7.50 Arbeitsplätze liegen. So lange es nicht der Eigene ist, gälled Sie?
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