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Rahmenabkommen: So reagiert Europa auf den Abbruch der Verhandlungen

Bundespraesident Guy Parmelin spricht an einer Medienkonferenz ueber das Rahmenabkommen mit der EU, am Mittwoch, 26. Mai 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Zu engstirnig? Die Entscheidung des Bundesrates, die Verhandlungen mit der EU abzubrechen, stösst in der europäischen Presse auf nicht sehr viel Verständnis. Bild: keystone

Enttäuschung bei den Meisten, Jubel bei den Rechten – so reagiert Europa auf das InstA-Aus

Das Aus des Rahmenabkommens schlägt hohe Wellen in Europa. Der Tenor ist meist negativ – Lob kommt von Brexit-Befürwortern, der britischen Klatschpresse und AfD-Politikern.
27.05.2021, 05:3227.05.2021, 13:13
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So reagieren die Medien

«Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist auf einem Tiefpunkt angekommen», titelt der Spiegel. In den deutschen Medien herrscht die Meinung vor, dass die Schweiz mit dem Ende der Verhandlungen das enge Verhältnis zur EU einer Belastungsprobe aussetze. «Die Schweiz sägt an der Brücke nach Europa», schreibt etwa die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».

«Wer beim Projekt EU und ihrem Binnenmarkt mitmachen will, muss ein Stück Autonomie aufgeben und die Spielregeln akzeptieren.»
«Süddeutsche Zeitung»

Es sei aber das Recht der Schweiz als «autonomer Staat, der explizit kein EU-Mitglied und auch kein Teil des Europäischen Wirtschaftsraums sein will», die Verhandlungen abzubrechen, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Die Schweiz müsse jetzt aber auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. «Wer beim Projekt EU und ihrem Binnenmarkt mitmachen will, muss ein Stück Autonomie aufgeben und die Spielregeln akzeptieren.»

Aus Österreich tönt es ähnlich. «Das enge Verhältnis zur Europäischen Union wird auf die Probe gestellt», schrieb etwa die Wiener Tageszeitung «Der Standard».

«Noch eine blutige Nase für Ursula von der Leyen nach dem Abschluss des Brexits im Januar.»
«Daily Mail»

Aber auch ausserhalb der deutschsprachigen Medienwelt wurde das Thema aufgegriffen. Für den britischen Boulevard, der als EU-kritisch gilt, schien der «Schwexit» ein gefundenes Fressen zu sein. So schrieb die «Daily Mail» zum Beispiel: «Noch eine blutige Nase für Ursula von der Leyen nach dem Abschluss des Brexits im Januar.»

Die «Daily Express» wurde noch etwas bildhafter: «Die Schweiz SCHMETTERT Gespräche mit der EU ab und lehnt auch engere Verbindungen ab: ‹wir müssen UNSERE Interessen Verteidigen›.»

Etwas gemässigter gab sich die «Financial Times». Die Schweiz hätte wie kein anderes Land eine einmalige Beziehung zur EU, doch nun seien «Jahre der Verhandlungen verschrottet» worden. In Brüssel sei man frustriert, da in den letzten acht Jahren hunderte von Stunden für Verhandlungen investiert worden seien.

Wie reagierten andere Exponenten der EU?

Vielleicht zuerst zur EU selbst: Diese reagierte relativ kurz angebunden: «Wir nehmen die einseitige Entscheidung der Schweizer Regierung zur Kenntnis», hiess es in einer Erklärung. Die EU bedauere die Entscheidung.

Auch warnt sie vor den Folgen: «Ohne dieses Rahmenabkommen wird diese Modernisierung der laufenden Beziehungen unmöglich und die bestehenden bilateralen Abkommen werden zwangsläufig veralten.»

Beim angrenzenden Bundesland Baden-Württemberg werden indes etwas sanftere Töne angeschlagen: «Für BW ist die Schweiz ein wichtiger und verlässlicher Partner in Wirtschaft & grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Wir müssen die sehr guten Beziehungen auch künftig intensiv pflegen.» Aber auch sie bedauere den Abbruch der Verhandlungen zutiefst.

Für den EU-Delegationsleiter für die Beziehungen zur Schweiz, Andreas Schwab, steckt hinter der Entscheidung der Schweiz hingegen viel «Polittheater». Ähnlich sieht das Christian Leffler, ehemaliger EU-Chefverhandler für die Schweiz und jetzt pensioniert: «Der Bundesrat zieht es vor, der Vergangenheit nachzuhängen: Ein 50-jähriges Freihandelsabkommen, das reif ist fürs Museum, und ein 20 Jahre altes, statisches und limitiertes Paket von Bilateralen. Die Vergangenheit wird weiter schwinden, ebenso wie dieses Abkommen, während die Flagge der EU voranschreitet. Schade!»

Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Europaparlament, fand in einem Blogeintrag auch keine lobende Worte. Im Gegenteil. «Das ist ein schlechter Tag für den europäischen Binnenmarkt», schreibt er. «Mir ist schleierhaft, was nun einfacher oder besser werden soll.»

In den sozialen Medien klatschen derweil vor allem Exponenten aus EU-skeptischen Kreisen Beifall. Joana Cotar, Beisitzerin im Bundesvorstand der AfD, twitterte: «Sich nicht auf der Nase rumtanzen lassen.»

Auch Brexit-Unterstützer aus Grossbritannien und EU-Skeptiker aus Frankreich machten aus ihrer Freude keinen Hehl.

(dfr/sda)

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quelle: ap / virginia mayo
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155 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eeyore
27.05.2021 06:44registriert Februar 2020
Mir ist die ganze Berichterstattung zu sehr auf links/rechts konzentriert. Be dem Thema ist es nicht links gegen rechts. Es gab Gegener und Befürworter in allen Lagern. Ein Grossteil der SP hätte das Ablommen ohne Lohnschutz und anderen Pubkten nie angenommen.
Ein EU Beitritt ist illusorisch ein EWR Beitritt aber wohl machbar da man in Norwegen sieht wie gut das laufen kann.
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Jonas der doofe
27.05.2021 06:29registriert Juni 2020
Ich denke, es war richtig, hier den Stecker zu ziehen. Das ganze war zu "verchachlet" und mittlerweile konnte niemand mehr dahinterstehen, werder von rechter oder linker Seite.

Ob es schlau war, steht auf einem anderen Blatt geschrieben, aber nachvollziehbar ists alleweil.

Ich habe auch keine bessere Idee, ehrlicherweise.
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Alice36
27.05.2021 06:30registriert Juni 2017
Seit Jahrzehnten lebe ich nun in der angeblich besten Demokratie der Welt. Ich werde sogar gebüsst wenn ich eine Abstimmung verpasse (SH) und nun das, bei einer der wohl wichtigsten Entscheidung der letzten Jahre wird mir mein Recht verweigert, stattdessen bestimmen unsere Bundesräte*innen was gemacht wird und was nicht. Ich hätte wohl keine Mühe damit wie eine allfällige Abstimmung ausgegangen wäre, es wäre wenigstens demokratisch gewesen. Was jetzt gelaufen ist war wohl die schlechteste aller Möglichkeiten und es wird noch lange Konsequenzen haben.
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