Schweiz
International

SP-Nationalrat Fabian Molina besuchte kurdische Stadt in der Türkei

Molina bei den Kurden
Fabian Molina (vorne links) mit der kurdisch-schweizerischen Dolmetscherin und dem emeritierten Soziologie-Professor Ueli Mäder (links) und Ruedi Tobler vom Schweizerischen Friedensrat.bild: zvg

SP-Nationalrat wollte in der Türkei Prozess beobachten und musste Flucht ergreifen

Um sich ein Bild vor Ort zu machen, bereiste der SP-Nationalrat Fabian Molina die Osttürkei. Sein Versuch als Beobachter an einem Gerichtsprozess teilzunehmen, scheiterte.
15.10.2018, 10:1316.10.2018, 04:15
Mehr «Schweiz»

Gemeinsam mit dem emeritierten Soziologie-Professor Ueli Mäder und dem Präsidenten des Schweizerischen Friedensrats Ruedi Tobler bereiste der SP-Nationalrat Fabian Molina anfangs Oktober die Osttürkei. Fünf Tage war die kleine Reisegruppe unterwegs. Zurückgekommen ist sie mit einem Strauss voller intensiver Erfahrungen. 

Die Mission sei gewesen, sich ein Bild der aktuellen Situation in der Türkei und speziell von derjenigen der ethnischen Minderheiten zu verschaffen. Seit seinem letzten Besuch in der Türkei Ende 2015 habe sich viel verändert, findet Molina: «In Istanbul sind heute die Wirtschaftskrise und vor dem Krieg geflüchtete Syrer in den Strassen präsent. Hingegen fehlen westliche Touristen fast vollständig.» Schon kurz nach der Ankunft sei ihm klar geworden, dass die Uno- und Medien-Berichte über die Türkei nicht übertrieben sind – im Gegenteil. «Es herrscht eine grosse staatliche Repression. Polizeigewalt, unvorhersehbare Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung.»

Molina bei den Kurden
Molina in Mardin an der türkisch-syrischen Grenze. bild: zvg

Am meisten beeindruckt habe Molina die Begegnung mit einer Physikerin in der kurdischen Stadt Diyarbakir. Die 50-jährige Frau habe bis vor Kurzem an der örtlichen Universität unterrichtet. Sie sei nie politisch aktiv gewesen, habe sich lediglich für den Frieden im Land ausgesprochen. Doch selbst das sei der Regierung von Machthaber Recep Tayyip Erdogan ein Dorn im Auge gewesen. «Sie erzählte mir, dass sie zusammen mit Hunderten anderen Akademikern von einem Tag auf den anderen entlassen wurde. Ihr Prozess wegen Terror-Unterstützung steht noch bevor», so Molina. 

Terror-Unterstützung. In der Türkei heisst das, mit den Anliegen der kurdischen Bevölkerung zu sympathisieren oder es zu wagen, Kritik an Erdogan zu äussern. Die Bestrafung für ein solches Vergehen ist gnadenlos. So wurde auch der Bürgermeister von Mardin, einer türkisch-syrischen Grenzstadt, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung abgesetzt, verhaftet und eingesperrt. Molina reiste an, um seinen Prozess zu beobachten. 

Doch dazu kam es nicht. «Wir sassen im Gang vor dem Gerichtssaal mit Dutzenden Verwandten und Angehörigen des ehemaligen Bürgermeisters, als plötzlich ein Polizist vor uns trat», schildert Molina. Er habe wissen wollen, was wir hier zu suchen hätten. Die Reisegruppe wies sich aus und legte alle Papiere vor. «Wir waren offiziell bei der türkischen Regierung angemeldet.» Der Polizist tat sich mit den Dokumenten aber nicht zufrieden, begann den Politiker und seine Begleiter zu fotografieren und telefonierte aufgeregt.

Molina bei den Kurden
Molina mit einem ehemaligen Bürgermeister von Mardin.bild: zvg

Nach einigen Minuten hin und her wurde es der Gruppe zu viel. Die Schweizer Botschaft in Ankara habe sie vor solchen Situationen gewarnt, sagt Molina. Schweizerisch-türkische Doppelbürger würden hier wie Türken behandelt. Und weil die Übersetzerin der Gruppe kurdische Wurzeln hatte, riskierte sie, verhaftet zu werden. «Wir verliessen das Gebäude Hals über Kopf.»

Zurück in der Schweiz will Molina das Thema nicht aus den Augen lassen. Wichtig werden könnte es auf nationaler Ebene, wenn eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei angestrebt wird. «Ich bin der Meinung, dass das unter den Umständen, die derzeit im Land herrschen, auf keinen Fall in Frage kommt», sagt er. 

(sar)

Unsicherheit und Unmut in der Türkei

Video: srf

Türkei verhaftet Journalisten

1 / 12
Türkei verhaftet Journalisten
In der Türkei sind Mitte Dezember 2014 mindestens 24 Journalisten, TV-Produzenten und Polizisten festgenommen worden.
quelle: x90138 / murad sezer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
70 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
theluke
15.10.2018 10:57registriert August 2016
Absolut fair sich ein bild vor ort zu machen um korrekt handeln zu koennen.
48454
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlingel
15.10.2018 10:46registriert März 2018
Der letzte Satz finde ich super. Die ganze EU sollte sich danach richten...
38018
Melden
Zum Kommentar
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
15.10.2018 10:52registriert Juni 2016
Tja aber dank dem Flüchtlingsdeal ist der Erdi ja ein Freund und für die EU unantastbar.

Er ist ein Guter Freund von Putin und jetzt kann er vom Konsulatsskandal der Saudis Profitieren und wieder auf Schmusekurs gehen zu Trump.

Den Kurden wird es leider auf Unabsehbarer Zeit kaum besser gehen
31710
Melden
Zum Kommentar
70
Schweiz auch 2023 Patent-Weltmeister – bei der Frauenquote haben wir aber noch Potenzial

Die Schweiz bleibt der innovativste Wirtschaftsstandort der Welt. Gemessen an der Anzahl Patentanmeldungen pro Einwohner war sie auch 2023 absolute Weltspitze. Konkret wurden hierzulande im vergangenen Jahr 1085 Patente pro Million Einwohner angemeldet, wie das Europäische Patentamt (EPA) in der Nacht auf Dienstag mitteilte.

Zur Story