Gemeinsam mit dem emeritierten Soziologie-Professor Ueli Mäder und dem Präsidenten des Schweizerischen Friedensrats Ruedi Tobler bereiste der SP-Nationalrat Fabian Molina anfangs Oktober die Osttürkei. Fünf Tage war die kleine Reisegruppe unterwegs. Zurückgekommen ist sie mit einem Strauss voller intensiver Erfahrungen.
Die Mission sei gewesen, sich ein Bild der aktuellen Situation in der Türkei und speziell von derjenigen der ethnischen Minderheiten zu verschaffen. Seit seinem letzten Besuch in der Türkei Ende 2015 habe sich viel verändert, findet Molina: «In Istanbul sind heute die Wirtschaftskrise und vor dem Krieg geflüchtete Syrer in den Strassen präsent. Hingegen fehlen westliche Touristen fast vollständig.» Schon kurz nach der Ankunft sei ihm klar geworden, dass die Uno- und Medien-Berichte über die Türkei nicht übertrieben sind – im Gegenteil. «Es herrscht eine grosse staatliche Repression. Polizeigewalt, unvorhersehbare Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung.»
Am meisten beeindruckt habe Molina die Begegnung mit einer Physikerin in der kurdischen Stadt Diyarbakir. Die 50-jährige Frau habe bis vor Kurzem an der örtlichen Universität unterrichtet. Sie sei nie politisch aktiv gewesen, habe sich lediglich für den Frieden im Land ausgesprochen. Doch selbst das sei der Regierung von Machthaber Recep Tayyip Erdogan ein Dorn im Auge gewesen. «Sie erzählte mir, dass sie zusammen mit Hunderten anderen Akademikern von einem Tag auf den anderen entlassen wurde. Ihr Prozess wegen Terror-Unterstützung steht noch bevor», so Molina.
Terror-Unterstützung. In der Türkei heisst das, mit den Anliegen der kurdischen Bevölkerung zu sympathisieren oder es zu wagen, Kritik an Erdogan zu äussern. Die Bestrafung für ein solches Vergehen ist gnadenlos. So wurde auch der Bürgermeister von Mardin, einer türkisch-syrischen Grenzstadt, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung abgesetzt, verhaftet und eingesperrt. Molina reiste an, um seinen Prozess zu beobachten.
Doch dazu kam es nicht. «Wir sassen im Gang vor dem Gerichtssaal mit Dutzenden Verwandten und Angehörigen des ehemaligen Bürgermeisters, als plötzlich ein Polizist vor uns trat», schildert Molina. Er habe wissen wollen, was wir hier zu suchen hätten. Die Reisegruppe wies sich aus und legte alle Papiere vor. «Wir waren offiziell bei der türkischen Regierung angemeldet.» Der Polizist tat sich mit den Dokumenten aber nicht zufrieden, begann den Politiker und seine Begleiter zu fotografieren und telefonierte aufgeregt.
Nach einigen Minuten hin und her wurde es der Gruppe zu viel. Die Schweizer Botschaft in Ankara habe sie vor solchen Situationen gewarnt, sagt Molina. Schweizerisch-türkische Doppelbürger würden hier wie Türken behandelt. Und weil die Übersetzerin der Gruppe kurdische Wurzeln hatte, riskierte sie, verhaftet zu werden. «Wir verliessen das Gebäude Hals über Kopf.»
Zurück in der Schweiz will Molina das Thema nicht aus den Augen lassen. Wichtig werden könnte es auf nationaler Ebene, wenn eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei angestrebt wird. «Ich bin der Meinung, dass das unter den Umständen, die derzeit im Land herrschen, auf keinen Fall in Frage kommt», sagt er.
(sar)