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Burkaverbot hält arabische Touristen nicht ab

ZUR LANCIERUNG DER INITIATIVE „JA ZUM VERHUELLUNGSVERBOT“ DES EGERKINGER KOMITEES, STELLEN WIR IHNEN AM DIENSTAG, 29. SEPTEMBER 2015, FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Touristinnen mit Kopftuch am ...
Touristinnen mit Kopftuch auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland.Bild: KEYSTONE

Verschleiert in den Alpen: Burkaverbot hält arabische Touristen nicht ab

Österreich verzeichnet mehr arabische Touristen – trotz Burkaverbot. In der Schweiz muss die neue Bundesrätin Karin Keller-Sutter ein solches bekämpfen. Wie tickt sie in dieser Frage?
03.01.2019, 03:1603.01.2019, 08:24
SVEN ALTERMATT / ch media
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Es wird eine der ersten Bewährungsproben für die neue Justizministerin Karin Keller-Sutter: Die FDP-Bundesrätin muss im Parlament erklären, warum der Bundesrat die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehnt. Vor allem aber muss Keller-Sutter in den kommenden Monaten aufzeigen, wie der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats griffig umgesetzt werden könnte.

Die neu gewaehlte Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht waehrend einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 5. Dezember 2018 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Karin Keller-SutterBild: KEYSTONE

Die Regierung ist gegen die Initiative des SVP-nahen Egerkinger Komitees, die Gesichtsverhüllungen aller Art verbieten will und dabei in erster Linie auf Frauen in muslimischen Verschleierungen wie Burka oder Niqab zielt. Die Kantone sollen weiterhin selbst über ein Verhüllungsverbot entscheiden können, ein solches gehöre nicht in die Bundesverfassung.

Wie hält es Keller-Sutter damit? Als Ständerätin stimmte sie gegen ein nationales Verhüllungsverbot. In einer Ratsdebatte im Frühjahr 2017 wollte sie ihre Haltung allerdings rein formal verstanden wissen, allein deshalb, weil Verbote eben Sache der Kantone seien. Dass dort entsprechende Regeln angebracht sind, stand für Keller-Sutter ausser Frage. Zwar sei die Burka in der Schweiz nicht weitverbreitet, erklärte die Freisinnige bereits im Sommer 2016 dem «Sonntagsblick». «Ich finde aber, dass Frauen, die permanent in der Schweiz wohnen, keine solche tragen sollten.»

Touristiker fürchten ums Image

Der Bundesrat möchte die Regeln zumindest auf gesetzlicher Ebene verschärfen. Zum einen sollen Kontakte mit Behörden mit unverhülltem Gesicht erfolgen müssen. Zum anderen soll der Zwang, das Gesicht zu verhüllen, unter Strafe gestellt werden. Ob es dafür überhaupt neue Regeln braucht, ist freilich umstritten. Schliesslich verbietet das Gesetz schon heute jegliche Art von Zwang.

Für seinen Vorschlag erntete die Regierung in der kürzlich abgelaufenen Vernehmlassung viel Kritik. Derzeit wertet das Justizdepartement die Stellungnahmen von Parteien und Verbänden aus. Schon jetzt ist klar: Die meisten unterstützen den indirekten Gegenvorschlag zumindest zähneknirschend – aus taktischen Gründen. Denn ohne diesen dürfte die Burkainitiative an der Urne noch bessere Chancen haben, so der Tenor.

Für Araber ist Interlaken das Tourismus-Mekka:

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Für Araber ist Interlaken das Tourismus-Mekka
Schmelztiegel der Kulturen: In Interlaken trifft amerikanisch-anzügliche Burger-Kultur auf eine hohe Dichte an Burkas. (Bild: Mario Heller)
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Dieser Ansicht sind auch die Vertreter der Tourismusbranche, deren Worte in der Debatte von grosser Bedeutung sind. Schliesslich träfe ein Verhüllungsverbot besonders arabische Reisende. Gäste aus den Golfstaaten machen unterdessen 2,5 Prozent der Erträge im Schweizer Tourismus aus, seit 2007 ist die Zahl ihrer Logiernächte laut Branchenangaben um 163 Prozent gestiegen. Im Berner Oberland bilden arabische Touristen sogar eines der drei wichtigsten Gästesegmente.

«Nur sehr wenige Frauen» trügen eine Ganzkörperverhüllung, schreibt der Schweizer Tourismusverband in einem Positionspapier. Die Initiative schiesse darum über das Ziel hinaus. «Sie problematisiert ein seltenes Phänomen und greift in die bewährte kantonale Regelungsautonomie ein.»

Ähnlich argumentiert der Verband Hotellerie Suisse in seiner Stellungnahme. Ein Gastgeber beurteile seine Gäste nicht nach Merkmalen wie Religion, sexueller Ausrichtung oder ethnischer Herkunft. Was also, wenn das nationale Burkaverbot kommt? Die Touristiker befürchten, dass zumindest ein Teil der arabischen Gäste wegbleiben könnte. Nicht wegen der direkten Auswirkungen, sondern weil ein Verbot auch für Musliminnen, die sich nicht verschleiern, ein Zeichen sein könnte, dass sie weniger willkommen wären.

Viel Arbeit für die Polizei

Interessant ist aus hiesiger Sicht ein Blick nach Österreich, wo seit Oktober 2017 ein nationales Verhüllungsverbot gilt. Der Tourismus hat in der Alpenrepublik einen ähnlich hohen Stellenwert, und was für die arabischen Gäste hierzulande das Berner Oberland ist, ist für sie in Österreich die Region um Zell am See südlich von Salzburg. Seit den 1990er-Jahren zieht es Touristen aus Saudi-Arabien, Kuwait oder den Emiraten gerne und oft dort hin.

Vorerst zumindest hat das neue Gesetz arabische Touristen nicht von einer Reise nach Zell am See abgehalten. Im Gegenteil, wie die Statistiken des örtlichen Tourismusverbandes zeigen: In der wichtigen Sommersaison zwischen Mai und Juli 2018 nahm die Zahl der Übernachtungen sogar deutlich zu, obwohl auch noch der Fastenmonat Ramadan in diesen Zeitraum fiel. Im Vergleich zu 2017 stieg der Anteil arabischer Touristen in Zell im Sommer um 45 Prozent, in ganz Österreich immerhin um über 12 Prozent.

Die Zeller Polizei hatte wegen des Verhüllungsverbots allerdings alle Hände voll zu tun. Während der Sommersaison stiessen Polizisten auf rund 200 Burkaträgerinnen, die sie mittels Broschüren über die neuen Regeln aufklärten. Meistens hätten die Frauen eingewilligt, ihren Schleier abzunehmen, berichtete der örtliche Polizeichef den «Salzburger Nachrichten». «Zuerst ermahnen, dann strafen», lautet sein Credo. Nur wer den Schleier nach dem Hinweis der Polizei wieder aufsetzte, kassierte eine Busse von 30 Euro. (aargauerzeitung.ch)

«Dinge, die man einer Burka-tragenden Frau nicht sagen sollte»

Video: watson

Frauenfeindliches Land in UN-Frauenrechtskommission gewählt:

Video: srf
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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorfne
03.01.2019 09:53registriert Februar 2017
Die Burka ist mehr als ein Kleidungsstück. Sie steht für die Scharia und den radikalkonservativen Islam, der die Frauen wie Leibeigene der Männer behandelt. Wenn wir nicht jetzt wo noch Zeit ist ein klares Zeichen für Gleichberechtigung und Demokratie setzen, wird es eines Tages zu spät dafür sein.
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dorfne
03.01.2019 09:59registriert Februar 2017
Den Gegenvorschlag könnt Ihr auf der Bundeshausterrasse gemütlich in der Pfeife rauchen. Wie will man denn beweisen, dass eine Frau gezwungen wird sich im Stoffgefängnis zu verkriechen? Eine Frau, die ihren Mann anzeigt, weil sie sich seinem Befehl die Burka zu tragen verweigert, ist so gut wie tot. Drum wird sie sich hüten das zu tun.
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Nik G.
03.01.2019 10:12registriert Januar 2017
Da sich die Angst der wenigeren Touristen aus dem nahen Osten nicht bestätigt, kann man dieses Symbol der Unterdrückung der Frau (Burka und Nidqab) auch in der Schweiz verbieten.
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