Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex, sogenannnte Anlandezentren für Flüchtlinge in den nordafrikanischen Transitländern, geschlossene Auffangzentren für Bootsflüchtlinge in den EU-Mittelmeerstaaten: Die in der Nacht auf Freitag getroffenen Beschlüsse des EU-Gipfels bedeuten eine weitere Verschärfung in der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union.
Unter dem Druck von konservativen und nationalistischen Regierungschefs wie dem Österreicher Sebastian Kurz oder dem Ungarn Viktor Orbán wurde einmal mehr der Wunsch nach einer hermetisch abgeriegelten «Festung Europa» bekundet, welche energisch Migrationsbewegungen unterbindet.
Die Schweiz ist als Mitgliedsstaat der Abkommen von Schengen und Dublin Teil der Architektur der EU-Flüchtlingspolitik. Justizminsterin Sommaruga brachte in einer schriftlichen Stellungsnahme gegenüber watson gemischte Gefühle angesichts der jüngsten EU-Entscheide zum Ausdruck.
Positiv bewertete sie die Anerkennung durch die europäischen Staaten, «dass kein Staat allein die Migrationsprobleme lösen kann». Dieses Bekenntnis zur Solidarität sei «nach all den Ideen über nationale Alleingänge» erfreulich. Ebenfalls begrüssenswert sei, dass sich die Staaten der EU darauf verpflichten, weiterhin auf «der Basis des internationalen Rechts und damit auch der Genfer Flüchtlingskonventionen» zu handeln.
Grundsätzlich solle der Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen in Europa «auf raschen und fairen Asylverfahren basieren». Dazu gehöre die schnelle Integration der Schutzbedürftigen auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine konsequente Rückkehr derjenigen, welche keinen Schutz brauchten.
Sommaruga gibt in ihrer Stellungnahme auch bemerkenswert kritische Töne ab. Die Aufnahme von Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, gehöre zu den Grundwerten Europas, ruft sie den EU-Regierungschefs in Erinnerung: «Die Schweiz wird sich dafür einsetzen, dass daran nicht gerüttelt wird.» Der auf dem Brüsseler Gipfel beschlossene verstärkte Schutz der Aussengrenze dürfe nicht dazu führen, dass Grenzen für Flüchtlinge geschlossen werden.
Sommaruga weist explizit darauf hin, dass es «in Europa zur Zeit keine Migrationskrise, sondern – wenn schon – eine politische Krise gibt». Die meisten Flüchtlinge und schutzbedürftigen Personen befinden sich in den Nachbarstaaten von Krisenregionen, heisst es in Sommarugas Statement. Dazu gehörten Länder wie Libanon, Türkei, Jordanien oder Äthiopien.
Besonders betroffen von Migration seien ausserdem oft die ärmsten Länder: «Europa tut gut daran, sie zu unterstützen und damit auch zum Schutz der Flüchtlinge und Migranten vor Ort beizutragen.»