Schweiz
International

Waffenexporte: Ständeräte kannten brisanten Bericht

Plakate fotografiert waehrend einer bewilligten Spontankundgebung gegen Waffenexporte, am Dienstag, 4. September 2018 in Bern. Die Teilnehmer der Kundgebung fordern den Bundesrat, Staenderat und Natio ...
Spontankundgebung in Bern gegen Schweizer Waffenexporte.Bild: KEYSTONE

Politiker kannten brisanten Bericht – und stimmten dennoch für Lockerung beim Waffenexport

Laut einem Bericht der Finanzkontrolle werden Waffenexport-Verbote geschickt umgangen. Jetzt zeigt sich: Die zuständigen Politiker waren über die Mängel informiert. Sie gaben trotzdem grünes Licht für eine Lockerung der Kriegsmaterialverordnung.
05.09.2018, 07:3305.09.2018, 17:19
Mehr «Schweiz»

Der am Montag veröffentlichte Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) hat es in sich: Er kritisiert, das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gehe bei der Kontrolle von Exportgesuchen für Kriegsmaterial lasch vor. Im untersuchten Jahr 2016 etwa lehnte das Seco keinen einzigen der insgesamt 2499 eingereichten Exportbewilligungsanträge ab.

Die Finanzkontrolleure zeigen auf, wie Schweizer Rüstungsfirmen Lücken in Gesetz und Verordnung nutzen, um Exportverbote zu umgehen. Zudem wird das Seco ermahnt, «eine kritische Distanz zu den beaufsichtigten Firmen und ihren Lobbyisten zu pflegen.»

Der brisante Bericht erreicht Bundesbern eine Woche zu spät. Denn beim Thema Waffenexporte wurden vor kurzem Nägel mit Köpfen gemacht: Die Sicherheitspolitische Komission (SiK) des Ständerats winkte letzten Donnerstag die Lockerung der Kriegsmaterialverordnung durch. In der Vowoche hatte dies bereits die nationalrätliche Schwesterkommission getan. Sie folgten damit dem Bundesrat. Er hatte im Juni entschieden, dass Schweizer Rüstungsfirmen ihre Güter künftig auch in Länder verkaufen dürfen, in denen ein interner bewaffneter Konflikt herrscht.

Ständeräte wussten von Bericht

Jetzt zeigen Recherchen: Die neun Ständeräte aus SVP, FDP und CVP, die der Lockerung zustimmten, wussten über die Missstände beim Seco Bescheid. Denn bereits Ende Juni legten die Finanzkontrolleure ihren brisanten Bericht den Mitgliedern der Finanzdelegation des Parlaments vor. Dies bestätigt EFK-Chef Michel Huissoud. Präsidiert wird die Finanzdelegation von CVP-Ständerat Jean-René Fournier – der gleichzeitig auch Mitglied der Sicherheitspolitischen Komission des Ständerates ist.

Fournier selbst reagiert auf die Anfrage von watson nicht. Der Präsident der SiK des Ständerates, FDP-Politiker Josef Dittli,  bestätigt jedoch: «Die Mitglieder der SiK des Ständerates wurden über die wichtigsten Elemente der Zusammenfassung des Berichts mündlich informiert.»

undefined

Doch offenbar waren die Mängel bei der Bewilligungspraxis für Kriegsgüter für die Kommissionsmehrheit kein Grund, sich gegen eine Lockerung auszusprechen. Über das Gehörte hat die Kommission laut Dittli zwar diskutiert, für die Entscheidung sei der Bericht aber nicht von Belang gewesen. «Weil es nichts mit der Verordnungsanpassung zu tun», sagt er. 

«Zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe»

Bei dieser gehe es darum, dass es künftig möglich sein soll, unter gewissen Bedingungen in Länder mit einem internen Konflikt Güter zu exportieren, sofern diese nicht in diesem Konflikt eingesetzt werden könnten. Beim EFK-Bericht steht die Anschuldigung im Raum, dass das bestehende Recht möglicherweise Umgehungen durch die Rüstungsindustrie zulasse. «Das sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe», so FDP-Ständerat Dittli. 

Nun war aber ein wichtiges Argument der Befürworter der Verordnungsanpassung stets die im europäischen Vergleich angeblich strenge Exportpraxis der Schweiz. Durch die Lockerung wolle man diese Ungleichheit beseitigen und den Schweizer Rüstungsfirmen gewisse Perspektiven eröffnen, sagte etwa CVP-Ständerat Isidor Baumann kürzlich gegenüber watson: «Die Kontrollmechanismen, und das möchte ich betonen, werden dadurch nicht geschwächt.»

Der Bericht der Finanzkontrolle zeigt nun aber, dass bei genau diesen Kontrollmechanismen vieles im Argen liegt. Obwohl sie der Lockerung der Exportvorschriften bereits zugestimmt haben, wollen sich nun auch die SiK-Mitglieder nochmals mit der Kritik der Finanzkontrolle am Seco befassen: «Die SiK wird den Bericht an einer der nächsten Sitzungen traktandieren, um den Bericht im Detail zu diskutieren, sagt Kommissionspräsident Josef Dittli.

Renato zum lustigen Thema: Waffenexporte! Jeeee!

Video: watson/Renato Kaiser

Rüstungsgüter à gogo: VBS-Chef Parmelin im Mörser-Mekka

1 / 12
Rüstungsgüter à gogo: VBS-Chef Parmelin im Mörser-Mekka
Bundesrat Guy Parmelin posiert in einem Piranha Radschützenpanzer mit neuem 12-cm-Mörser an der Materialvorführung zur Armeebotschaft 2016.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
40 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
glüngi
05.09.2018 08:24registriert Januar 2015
wir schweizer waren und bleiben wohl die scheinheiligen arschlöcher welche wir schon seit den weltkriegen sind.
30119
Melden
Zum Kommentar
avatar
walsi
05.09.2018 07:53registriert Februar 2016
Ohhhh, nein?! Doch!

Das ist jetzt wirklich nicht überraschend. Politiker stimmen im Interesse des Geldes und nicht der Vernunft. Nichts Neues unter der Sonne.
25412
Melden
Zum Kommentar
avatar
Olmabrotwurst vs. Schüblig
05.09.2018 08:23registriert Dezember 2014
Im März 1803 Napoleon: Hey Schweiz gebt mir doch euer Land - Bundesrat: Warte, da muss ich erstmal das Volk fragen! - Volk: Nein.

Heute Waffenlobby: Hey ich will Waffen auf beide Seiten verkaufen -Bundesrat: Warte da muss ich erst das Volk fragen! - Waffenlobby: Bist du bescheuert die sagen bestimmt nein, somit kriegst du und ich kein Geld also lass uns das unter dem Tisch erledigen.
17917
Melden
Zum Kommentar
40
Grünen-Girod hat ein neues Mandat – bei einem «Big Four»-Consultant

Das Beratungsunternehmen Deloitte hat Bastien Girod zum Partner für Nachhaltigkeit ernannt. Der Nationalrat der Grünen soll Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen von Deloitte ergänzen und Kunden in Sachen Nachhaltigkeitstransformation unterstützen, teilte das Unternehmen am Mittwoch in einer Medienmitteilung mit.

Zur Story