Herr Candinas, als Gegner der «Ehe für alle» sind Sie selbst innerhalb der CVP bald ein Exot. Was ist passiert?
Martin Candinas: Es gibt in diesen Fragen die Tendenz hin zu einer Öffnung – auch in meiner Partei. Im Moment befindet sich die Diskussion in der Schweiz noch in einem frühen Stadium. Es werden erst Abklärungen getätigt, wie die «Ehe für alle» auf Gesetzesstufe umgesetzt werden könnte. Ich bin mir nicht so sicher, ob dann am Ende eine Mehrheit der CVP Ja stimmen wird.
Selbst die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel – Vorsitzende ihrer christlich-demokratischen Schwesterpartei in Deutschland – musste ihren Widerstand aufgeben, weil sich die Bevölkerung so deutlich für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprach.
Die Situation in Deutschland ist durchaus vergleichbar mit jener in der Schweiz. Aber Angela Merkel ist ja nicht plötzlich Befürworterin der «Ehe für alle», sie hat ihren Abgeordneten nur gesagt: «Stimmt so, wie ihr es mit eurem Gewissen vereinbaren könnt.» Das machen wir in der CVP ohnehin.
Warum wehren Sie sich persönlich so standhaft dagegen, dass Männer Männer heiraten dürfen und Frauen Frauen?
Nur dank der CVP sind heute eingetragene Partnerschaften überhaupt möglich – das Gesetz stammt aus der Feder der ehemaligen CVP-Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold. Was mich stört, ist, dass homosexuelle Paare mit der «Ehe für alle» auch Kinder adoptieren dürften. Denn es wäre unehrlich, ihnen vorzugaukeln, dass sie bei der Heirat die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare bekommen – und dann gleichzeitig in der Adoptionsfrage eine weitere Diskriminierung zu schaffen.
Glauben Sie, dass Homosexuelle die schlechteren Eltern sind?
Nein, so etwas würde ich nie behaupten. Aber es gibt kein Recht auf ein Kind. Ich finde es falsch, nur über die Rechte der Schwulen und Lesben zu reden und nicht danach zu fragen, wie es den Kindern in dieser Situation geht. Biologisch ist klar: Es braucht eine Frau und einen Mann, um ein Kind zu zeugen.
Realität ist aber auch, dass es bereits viele Kinder gibt, die in sogenannten Regenbogenfamilien aufwachsen.
Es ist nicht die Aufgabe der Politik, alles zu legitimieren, was in der Realität vorkommt. Es gibt schliesslich auch Männer, die mehrere Frauen haben – trotzdem ist die Mehrfachehe in der Schweiz verboten. Die Politik definiert, wie wir in diesem Land das gesellschaftliche Zusammenleben verstehen und orientiert sich dabei an gesellschaftlichen Traditionen.
Pink-Cross-Chef Bastian Baumann argumentiert, dass es gerade im Interesse konservativer Politiker sein müsste, die Institution Ehe zu stärken: Wäre er Marketing-Chef der Ehe, würde er in Zeiten alternativer Familien wollen, dass möglichst viele Leute heiraten.
Das finde ich jetzt ein schwaches Argument. Es kann doch nicht einfach darum gehen, die Heiratsquote raufzutreiben!
Hand aufs Herz: Glauben Sie, dass sich die Entwicklung angesichts der Signale aus dem Ausland noch aufhalten lässt?
Das weiss ich nicht. Aber diese Frage hat für mich auch nicht Priorität. Es gibt in der Familienpolitik Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die finanzielle Entlastung der Familien oder der Umgang der Kindern mit der Digitalisierung, die unsere CVP-Basis viel stärker beschäftigen. Die CVP muss sich auf diese Themen konzentrieren und Lösungen präsentieren.
Wie würden Sie reagieren, wenn eines Ihrer Kinder sich als schwul oder lesbisch outen würde?
Wenn es so ist, dann ist es so. Damit hätte ich kein Problem.