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Interview

Tierschützer Michael Gehrken kritisiert Bundesrates wegen Import von Quälpelz.

Interview

Kein Importverbot für Quälpelz: «Die Argumente des Bundesrats sind fast schon pervers»

Der Bundesrat sieht keine Notwendigkeit für ein Importverbot von Pelzen aus tierquälerischer Produktion. In einem Bericht zeigt er sich zufrieden mit der 2013 eingeführten Deklarationspflicht. Für Tierschützer Michael Gehrken von der Alliance Animale ist das ein Ausdruck der «tierfeindlichen Linie» der Regierung. Eine Volksinitiative soll Abhilfe schaffen.
24.05.2018, 06:3024.05.2018, 16:06
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Herr Gehrken, wie bewerten Sie den Bericht des Bundesrats zur Deklarationspflicht und Importen von Pelz?
Michale Gehrken: Man musste leider damit rechnen, dass sich der Bundesrat nicht für ein Importverbot von Pelzen aus tierquälerischer Produktion aussprechen würde. Der Bericht liegt auf der tierfeindlichen Linie, die in Bundesbern immer noch vorherrscht, wenn es darum geht, das Tierwohl und wirtschaftliche Partialinteressen gegeneinander abzuwägen. Aber sogar an diesem Massstab gemessen ist der Bericht sehr dürftig, zumal unberücksichtigt bleibt, dass die Zukunft einer verantwortungsvoll handelnden Wirtschaft gehören wird.

epa01574704 Slaughtered mink are seen at a mink farm in Harbin, China, 02 December 2008. China is the world's largest exporter of fur clothing, with more than 90 per cent of its locally produced  ...
Geschlachtete Nerze auf einer Pelzfarm in China.Bild: EPA

Können Sie das erläutern?
Einige der Argumente sind fast schon pervers. Der Bundesrat lehnt etwa das Postulat von BDP-Nationalrat Lorenz Hess ab, dass Pelze aus der einheimischen Jagd fördern will. Die Begründung: Die von Schweizer Konsumenten nachgefragten Pelze von Nerz- oder Marderhund könnten hierzulande nicht gewonnen werden, weil die Tiere hier nicht lebten. Ergo müssten diese Pelze weiterhin importiert werden dürfen. Im Ausland werden die Pelze vieler Wildtiere allerdings auf Pelzfarmen mit Käfighaltung unter widrigsten Umständen für die Tiere produziert oder mit Fallenfang gewonnen. Wildtiere werden dort also auf engstem Raum gehalten oder tappen in brutalste Fallen.

«Mit der Deklaration der Brutalitäten wird beim Konsumenten den Eindruck erweckt, als sei all dies legal und auch in der Schweiz in Ordnung.»

Die Konsumenten kaufen solche Ware.
Die Schweiz verbietet aus Tierschutzgründen die Zuchthaltung von Wildtieren richtigerweise und rühmt sich für ihr Tierschutzgesetz. Gleichzeitig importiert man aber die gleichen Produkte aus dem Ausland. Diese Haltung halte ich für pervers. Mehr noch: Mit der Deklaration der Brutalitäten wird beim Konsumenten den Eindruck erweckt, als sei all dies legal und auch in der Schweiz in Ordnung.

Bundesrat sieht kaum Handlungsbedarf
Die 2013 eingeführte Deklarationspflicht für Pelz hat laut Bundesrat dazu geführt, dass Geschäfte und Kunden heute mehr über die Herkunft von Pelzprodukten wüssten. Am Kaufverhalten der Konsumenten habe sich indes wenig geändert.

Mit dem Bericht antwortet der Bundesrat auch abschlägig auf zwei Vorstösse aus dem Parlament: SP-Ständerätin Pascale Bruderer Wyss forderte, «Import und Verkauf von tierquälerisch hergestellten Pelzprodukten» zu verhindern. BDP-Nationalrat Lorenz Hess wollte einheimische Pelzprodukte fördern, um «auf Importe aus tierschutzwidriger Haltung zu verzichten». Beide Vorstösse lehnt der Bundesrat mit Verweis auf rechtliche und praktische Probleme ab. Er spricht sich lediglich für leichte Anpassungen bei der Deklaration und eine bessere Schulung des Verkaufspersonals aus. (cbe/sda)

Gibt es auch positive Aspekte am Bericht?
Kaum. Der Bericht zeigt einmal mehr auf, dass der beim Tierwohl eingeschlagene Weg des Bundesrates und einer Mehrheit des Parlaments grundfalsch und einer Tierschutzpolitik unwürdig ist. Das zeigt: Es braucht hier wohl den Druck einer Volksinitiative, um dem Tierwohl zum Durchbruch zu verhelfen.

«Die Weigerung des Bundesrates, etwas gegen Quälpelz-Importe zu tun, ist ein absoluter Steilpass für unsere Initiative.»

Eine solche haben Sie im Namen einer Allianz von über 50 Tierschutzorganisationen Mitte März in der «NZZ am Sonntag» angekündigt. Sie fordert ein Verbot des Imports von tierquälerisch hergestellten Produkten – bei Esswaren und Kleidung. Wie steht es um die Initiative?
Die Weigerung des Bundesrates, etwas gegen Quälpelz-Importe zu tun, ist ein absoluter Steilpass für unsere Initiative. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Was heisst das konkret? Gibt es bereits einen Initiativtext?
Wie gesagt, die involvierten Tierschutzorganisationen und politischen Kreise sind intensiv an der Arbeit. Das Initiativkomittee hat sich konstituiert.

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Die «NZZ am Sonntag» berichtete über Uneinigkeit unter den Politikern, die Ihre Initiative unterstützen wollen: Die einen wollen beim Import von koscherem Fleisch eine Ausnahme, andere wollen kein Schächtfleisch importieren lassen. Hat man sich da geinigt?
Bei unserer Initiative geht es ums Prinzip, nicht um Einzelfälle. Das lässt sich am Beispiel Pelz hervorragend aufzeigen. Im Zentrum steht das Tierwohl.

Wird es Ausnahmen für koscheres Fleisch geben oder nicht?
Die Initiative ist keine Religionsinitiative, sondern eine Tierschutz-Initiative. Und der Bericht des Bundesrates zeigt, wie notwendig diese ist, wenn man den Tierschutz effektiv ernst nimmt.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P. D.
24.05.2018 06:43registriert Oktober 2015
Direkte Demokratie

Unser höchstes Gut.

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass es mit dieser Initiative ein Pelzimportverbot geben wird.
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piedone lo sbirro
24.05.2018 07:53registriert November 2016
der bundesrat als handlanger der pelzimporteure. gut kommt eine volksinitiative.
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dechloisu
24.05.2018 07:35registriert November 2016
Leider behandelt unser Bundesrat den Tierschutz genau so Schizophren wie die Menschenrechte.

In der Schweiz zum Glück gefordert und gefördert. Sobald man Geld verdienen kann und die Landesgrenze überschritten ist, sind diese aus den Augen aus dem Sinn.

Und immer wieder fällt der Name China.
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