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Du willst nur das Beste? Voilà:
Herr Pelda, wir sind ein wenig enttäuscht von Ihnen.
Kurt Pelda: Warum?
Weil Sie mit dem «Weltwoche»-Artikel über eine angebliche «IS»-Zelle in Winterthur mit ein bisschen dünner Faktenbasis Panik machen.
Das sehe ich anders. Ich kenne die Situation dort und ich bin überzeugt, dass es nicht schlecht wäre, wenn man sich ein bisschen mehr Sorgen um diese Leute machen würde, als man es hier in der beschaulichen Schweiz gemeinhin tut.
Das mag ja sein, aber Sie zitieren lauter anonyme Quellen, Leute wollen belgische Nummernschilder gesehen haben, andere sind aus irgendwelchen Gründen nach Syrien gereist: Das Versprechen auf der Titelseite, der Nachweis einer Terrorzelle in Winterthur, die bei SMS-Alarm losschlagen kann, lösen Sie nicht ein.
Ich habe vier Quellen. Ich habe Tonaufnahmen von Predigten. Ich weiss, was diese Leute singen. Ich stehe zu jeder Zeile, die ich in der «Weltwoche» geschrieben habe. Sie werden verstehen, dass meine Quellen anonym bleiben wollen, ja anonym bleiben müssen, wenn sie nicht in Gefahr kommen wollen. Sie und auch Ihre Journalisten-Kollegen müssen endlich anfangen, den «IS» ernst zu nehmen.
Tu' ich doch. Aber nicht Koranverteiler mit Sonderklassen-Abschluss.
Ich hoffe, Sie tun das. Es ist vielleicht auch kein Zufall, dass Sie jetzt anrufen. Als wir im Sommer in der «Rundschau» über eine «IS»-Zelle in der Schweiz berichtet hatten, wurden wir belächelt. Das ist jetzt anders und das ist auch richtig so. Es hat Leute in Winterthur, die dazu bereit wären, solche Anschläge wie in Paris durchzuführen.
Aber wären die auch fähig, sowas zu machen? Abgehalfterte Thaiboxer und Koranverteiler?
Das weiss ich nicht. Ich würde es jetzt mal bezweifeln, aber was nicht ist, kann noch werden. Der «IS» lernt und wird besser und man muss endlich aufhören, ihn zu unterschätzen. In den letzten drei Wochen hat er in Beirut viele Tote verursacht, er hat ein russisches Passagierflugzeug gesprengt und Paris in Angst und Schrecken versetzt.
Das bestreitet doch gar keiner ...
… jetzt nicht mehr, aber ich weiss noch, wie die «Charlie Hebdo»-Attentäter von der gesamten Journaille als dilettantische Einzelgänger verharmlost wurden. Aber auch Dilettanten können gefährlich sein. Das mag jetzt angesichts der Tragik der Ereignisse zynisch tönen, aber das Massaker im Pariser Club Bataclan war letztlich auch das Werk von Dilettanten.
Das müssen Sie erklären.
Drei Schwerbewaffnete haben innert zwei Stunden in einem Konzertlokal mit Hunderten von Besuchern 89 Menschen getötet. Das ist – zum Glück – nicht besonders effizient. Wären da wirklich professionelle Killer am Werk gewesen, wie es die Augenzeugen geschildert haben, hätte es ein noch viel grösseres Blutbad mit 300 oder 400 Todesopfern gegeben.
Also, ich frage anders: Wie viel Angst haben Sie davor, dass der «IS» in der Schweiz Anschläge verübt?
Ich habe keine Angst um mich, aber ich bin vorsichtig. Ich habe Drohungen von mutmasslichen Dschihad-Sympathisanten erhalten, die mich wegen meiner Arbeit in Syrien tot sehen möchten. Und es ist klar, dass die Schweiz kein primäres Terrorziel ist. Aber das schliesst Anschläge nicht aus. Die Schweiz hat schon ein paar Merkmale, die vielen Leuten wahnsinnig auf den Wecker gehen.
Welche?
Das Minarettverbot und die anstehende Abstimmung über das Burkaverbot. Das kommt in salafistischen Kreisen überhaupt nicht gut an. Natürlich sind wir nicht so gefährdet wie Frankreich oder Grossbritannien, aber auf dem Radar ist die Schweiz schon. Nicht zuletzt wegen internationaler Grossanlässe, anlässlich derer sich hochrangige Delegationen wirklich gefährdeter Länder in der Schweiz aufhalten.
Das WEF? Nicht zugänglich für Dilettanten.
Gut, das WEF vielleicht nicht. Aber auch nur wegen der international koordinierten Sicherheitsvorkehrungen und weil es topographisch günstig liegt. Aber ansonsten? Der Schweizer Sicherheitsapparat sieht die Gefahr einfach nicht kommen. Er ist seiner Aufgabe nicht gewachsen, er hat zu wenig personelle Ressourcen. Das birgt das ungleich grössere Risiko, dass dschihadistische Terrororganisationen wie der «IS» die Schweiz als rückwärtigen Raum brauchen, in dem Finanz- und logistische Aufgaben abgewickelt werden.
So schlecht ist der Sicherheitsapparat auch nicht. Der Nachrichtendienst selbst hat die sogenannte Ostschweizer «IS»-Zelle gemeldet.
Ja, auf einen Hinweis der Amerikaner hin. Aber ich bin im Verlauf meiner jahrelangen journalistischen Arbeit zur Überzeugung gelangt, dass Bundesanwaltschaft, Fedpol und Nachrichtendienst des Bundes massiv, ich sage massiv, unterdotiert sind. Wenn ich sehe, wie die Bundesanwaltschaft arbeitet, dann wundere ich mich schon, wie ineffizient das sein soll. Ich bin zwar kein Polizist, aber ich kann recherchieren und das ist eine ähnliche Arbeit. Die Bundesanwaltschaft müht sich mit dem riesigen FIFA-Fall ab und den Tamil Tigers, einem vielleicht zehn Jahre alten Fall, der heute keine Bedeutung mehr hat.
Also sagen Sie: Mehr Mittel in die Bundessicherheitsbehörden stecken. Das hat aber in Frankreich auch nichts genützt.
Nicht in diesem Fall, aber in anderen. Und ja: Wenn ich höre, dass das Fedpol zehn Tage braucht, um in Winterthur eine Hausdurchsuchung durchzuführen, weil zu wenig deutschsprachige Ermittler zur Verfügung stehen, dann muss dieser Apparat ausgebaut werden. Auch die Bundesanwaltschaft ist völlig unterdotiert und der Bundesnachrichtendienst hat de facto momentan nicht viel mehr Recherchemittel zur Verfügung als Sie und ich. Das ist einfach brandgefährlich.
Nochmal: Es ist nicht nötig, dass wir uns selbst bespitzeln. Die Amerikaner machen das sehr effizient und wenn Daten gestohlen werden, merkt es die UBS.
Lassen Sie die fatalistischen Witzlein sein. Wir können uns als souveräner Staat nicht auf die USA verlassen. Wir wissen nicht, wann sie unsere Freunde sind und wann nicht. Es stimmt, im Fall der Ostschweizer Dschihadisten …
... mutmasslichen Dschihadisten …
... ja, mutmasslichen Dschihadisten. Bei denen hat die Zusammenarbeit funktioniert, was die Entdeckung anbelangte. Aber jetzt? Wir sind überfordert. Das Verfahren der Bundesanwaltschaft dauert wieder ewig, die Öffentlichkeit wird nicht informiert, obwohl in kaum einem anderen Fall grösseres öffentliches Interesse am Fall bestünde. Wir müssen in der Lage sein, solche Leute selbst zu erkennen, mit einem ausreichend mit Personal und technologischen Mitteln ausgerüsteten Nachrichtendienst.
Der Leute abhören und deren Leben verwanzen kann? Ich glaube nicht, dass das Terroranschläge verhindert.
Nochmal: Vielleicht nicht alle. Aber der Status quo ist auch keine Lösung. Wir brauchen einen Nachrichtendienst, der unserer eigenen parlamentarischen Kontrolle und der der Justiz untersteht und gleichzeitig schlagkräftig ist. Oder glauben Sie, Sie und ich könnten «IS»-Operationen aufdecken?
Nein. Das nicht.
Eben. Aber mehr als Zeitung lesen, Gespräche führen und im öffentlichen Raum observieren kann der Nachrichtendienst des Bundes derzeit nicht. Das ist doch Wahnsinn. Und dann kommen noch die Juso und ergreifen das Referendum gegen das neue Nachrichtendienstgesetz. Diese Leute wissen nicht, was sie tun.