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Jetzt reden die Händedruck-Verweigerer: «Politiker benutzen uns»

Der Händedruckstreit an der Sekundarschule Känelmatt in Therwil geht weiter.
Der Händedruckstreit an der Sekundarschule Känelmatt in Therwil geht weiter.
bild: googlemaps

Jetzt reden die Händedruck-Verweigerer: «Politiker benutzen uns»

Die Handschlag-Verweigerer aus Therwil BL sorgen weltweit für Schlagzeilen. Jetzt melden sich die syrischen Brüder erstmals ausführlich zu Wort.
10.04.2016, 09:1610.04.2016, 15:47
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Im Interview mir der «SonntagsZeitung» zeigen sich die beiden 14- und 16-jährigen Schüler schockiert über das Ausmass, das der Fall angenommen hat. «Wir fügen doch niemandem Schaden zu», sagt der jüngere der beiden. «Journalisten passen uns ab, in der Schule, in der Moschee. Wildfremde Leute drohen uns.»

Für den älteren der zwei Knaben ist klar: «Politiker benutzen uns, um Stimmung gegen Muslime zu machen, ganz besonders Vertreter der SVP.» Und das obwohl er und sein Bruder gut integriert seien und sich an die Gesetze halten würden.

«Wie kann man uns so angreifen, ohne uns zu kennen? Alle diese Leute, sie wissen nichts über uns.» Zu Radikalisierungsbefürchtungen der Schulleitung sagen sie: «Sind wir radikal, weil wir die Gebote des Islam befolgen? Das ist doch unsere Pflicht.»

Online-Video war Vorlage

Sie seien durch ein Online-Video auf die Idee gekommen, Frauen nicht mehr die Hand zu reichen, erzählen sie der «Schweiz am Sonntag». Ihr Vater habe ihnen auf Anfrage lediglich bestätigt, dass dies tatsächlich so im Koran stehe. Ihr Vorbild sei der Prophet Mohammed. Dieser habe nie Frauen berührt – ausser seine eigene.

Auch für das «IS»-Propaganda-Video auf dem Facebook-Profil des 14-jährigen Schülers gibt es eine Erklärung: Die problematische Botschaft sei ihm nicht bewusst gewesen, das Video habe ihm einzig wegen der hinterlegten Musik gefallen, sagt der Jugendliche. 

Der 16-jährige Bruder zur «Sonntagszeitung»: «Mein Bruder und ich sind ganz klar gegen den «IS». Der Islam verbietet es, Zivilisten zu töten.» Unterdessen ermittelt die Polizei wegen des Videos gegen den Jüngeren.

Bereits seit dem letzten Jahr wird das Brüderpaar vom Islamischen Zentralrat der Schweiz (IZRS) betreut. Vertreter der Organisation, die vom Nachrichtendienst beobachtet wird, begleiteten die beiden auch an Sitzungen mit der Therwiler Schulleitung.

Auch Mädchen verweigern

Die «Schweiz am Sonntag» berichtet von neuen Fällen von Händedruck-Verweigerern – diesmal sind es Mädchen, die ihrem Lehrer die Hand nicht geben. Ein konservativer Muslim, der in der König-Faysal-Moschee verkehrt, sagt, seine beiden Töchter besuchen die Basler Gymnasien Münsterplatz und Kirschgarten.

Jetzt auf

Probleme hätten sie mit dem Schwimmunterricht, den sie verweigern und dafür jährliche Bussen von 750 Franken bezahlen. Doch für die Begrüssung hätten sie eine konfliktfreie Lösung gefunden. Bei der ersten Begegnung würden sie den Lehrern jeweils die Hand reichen.

Danach würden sie ihnen erklären, dass sie sich künftig auf eine kontaktlose Art begrüssen möchten: Indem sie die rechte Hand auf die linke Brust legen. Diese Form werde von den Lehrern akzeptiert, erzählt der Vater. (nch/ldu/bzbasel.ch)

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149 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DaveKnobs
10.04.2016 09:46registriert Januar 2015
Ja genau, IS propaganda-video posten wegen der super hintergrundmusik. Das ich nicht lache.
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dopaminho
10.04.2016 09:42registriert Januar 2016
"Werden vom Islamischen Zentralrat betreut"
Das ist doch mal eine kompetente Beratung für die Jugendlichen...💩
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aloe
10.04.2016 11:45registriert November 2014
Vertreter des IZRS begleiteten die beiden Jungs an Gespräche mit der Therwiler Schulleitung? Was ritt denn die Schulleitung so etwas zu akzeptieren? An Gesprächen mit der SL sollten die Erziehungsberechtigten teilnehmen und nicht Personen einer Organisation, die vom Nachrichtendienst beobachtet wird! Was ist das los an dieser Schule?
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