Schweiz
Islamischer Staat (IS)

IS-Terrorist soll in den Irak ausgeschafft werden

Nach 65 Monaten Gefängnis: IS-Terrorist soll in den Irak ausgeschafft werden

Nach 65 Monaten im Gefängnis muss ein irakischer Terrorist nun freigelassen werden. Um die von ihm ausgehende Gefahr zu bannen, wollen ihn die Behörden umgehend in sein Heimatland abschieben.
10.10.2022, 08:04
Kurt Pelda / ch media
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Was soll die Schweiz mit Terroristen tun, die ihre Gefängnisstrafe abgesessen haben? Diese Frage stellt sich nun erneut, weil der verurteilte IS-Terrorist Azad M. heute Montag aus dem Regionalgefängnis Thun entlassen wird. Er hat die 65 Monate Haft verbüsst, die ihm das Bundesstrafgericht 2021 in zweiter Instanz aufgebrummt hatte. Eine Verwahrung lehnte die Berufungskammer dagegen ab. Der 54-jährige Kurde aus dem Irak muss also freigelassen werden.

ARCHIVBILD ZUM AUFTAKT DES BERUFUNGSPROZESSES GEGEN BESCHULDIGTE DER EHEMALIGEN AN'NUR-MOSCHEE, AM MONTAG, 6. SEPTEMBER 2021 - Polizei-Razzia in der An'Nur-Moschee in Winterthur, am Mittwoch ...
Azad M. soll in der inzwischen geschlossenen Winterthurer An'Nur-Moschee für den IS rekrutiert haben.Bild: keystone

Das Gericht in Bellinzona sah es als erwiesen an, dass Azad M. innerhalb der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) eine mittlere Kaderposition innehatte.

Bei Azad M. handelt es sich also um einen waschechten Terroristen, der seine Taten bis heute nie bereut hat.

Er hat nicht nur Geld an den IS überwiesen und Jihadisten ins syrisch-irakische Kriegsgebiet geschleust, sondern auch seine im Libanon lebende Zweitfrau in ihrem Beschluss bestärkt, sich bei einem Selbstmordattentat in die Luft zu sprengen. Bei Azad M. handelt es sich also um einen waschechten Terroristen, der seine Taten bis heute nie bereut hat.

Bellinzona ordnete ausserdem 15 Jahre Landesverweisung an. Schon 2020 hatte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) die Ausschaffung verfügt, weil Azad M. eine «erhebliche Gefährdung» für die Sicherheit der Schweiz darstelle. Der Kanton Thurgau, wo Azad M. vor seiner Verhaftung in einem Asylheim gewohnt hatte, wurde mit dem Vollzug beauftragt.

Ausschaffung steht offenbar unmittelbar bevor

Die Ausschaffung steht nun offenbar unmittelbar bevor, wie gut informierte Quellen in Bundesbern berichten. Demnach soll der Ausweisungsvorgang direkt nach der Freilassung aus dem Regionalgefängnis in Thun beginnen. Der Plan der Behörden ist es, Azad M. mit einem Begleitkommando aus Polizisten auf einem Linienflug in die kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak auszufliegen. Ob sich dieses Vorhaben problemlos durchführen lässt, bleibt abzuwarten. Zu fragen ist auch, wie die Behörden auf die Idee kommen, einen als «erheblich gefährlich» eingestuften IS-Terroristen mit einem Linien- statt mit einem Sonderflug abzuschieben.

Azad M. hat sich zur drohenden Ausweisung kontrovers geäussert. Manchmal sagte er, ihm drohe im Irak Gefahr an Leib und Leben, und bei anderen Gelegenheiten bezeichnete er die Ausreise in sein Herkunftsland als gangbare Option. Auf Anfrage schreibt sein Anwalt, dass eine rechtskräftige Landesverweisung vorliege, wobei er aber nicht wisse, wann diese vollzogen werde:

«Eine Gefährdung meines Klienten im Irak wurde seitens Fedpol, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement und Gericht geprüft und dementiert. Es sind alle Rechtsmittelfristen abgelaufen, um sich gegen den Vollzug der Urteile weiterhin zur Wehr zu setzen.»

Der Kurde, der früher in der Türkei als Schlepper gearbeitet hatte, kam 1998 in die Schweiz und stellte ein Asylgesuch. Dieses wurde aber abgelehnt. Unter anderem wegen Drogenhandels wurde er schon 2002 in Winterthur zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Zwei Jahre später kamen drei Monate Gefängnis unbedingt hinzu, wegen Raufhandels.

Später reiste Azad M. nach Schweden aus, wo er ein neues Asylgesuch stellte, das aber ebenfalls abgelehnt wurde. Danach kam er zurück in die Schweiz. Aus dem Kleinkriminellen war inzwischen ein radikalisierter Salafist geworden, der seine Ehefrau drangsalierte und sie auch dazu zwingen wollte, sich den muslimischen Kleidervorschriften zu unterwerfen.

In Winterthur für den IS rekrutiert

2020 kassierte er vom Obergericht Thurgau eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Franken, weil er seine Frau mit dem Tod bedroht und sie gewürgt hatte - eine bemerkenswert milde Strafe. Azad M. ging nie einer ordentlichen Arbeit nach, er lebte von Sozialhilfe und den mageren Einkünften seiner Frau.

Im Gefängnis Frauenfeld erteilte er über ein offiziell genehmigtes Telefongespräch mit seiner Mutter im Irak einen Mordauftrag.

Auf Grund eines anonymen Hinweises eröffnete die Bundesanwaltschaft 2016 ein Strafverfahren. Der Hinweisgeber beschuldigte Azad M., Muslime in der inzwischen geschlossenen Winterthurer An'Nur-Moschee aufgefordert haben, sich dem IS anzuschliessen. Daraufhin wurden geheime Überwachungsmassnahmen angeordnet, was im Mai 2017 zur Verhaftung des Kurden vor der An'Nur-Moschee führte. Seither befindet sich der Mann in Haft, und das Winterthurer Gotteshaus wurde kurz danach endgültig geschlossen.

Doch auch die Verhaftung änderte das Verhalten von Azad M. nicht im Geringsten. Im Gefängnis Frauenfeld erteilte er über ein offiziell genehmigtes Telefongespräch mit seiner Mutter im Irak einen Mordauftrag. Ausserdem wurde er von einem Mithäftling beschuldigt, er habe versucht, einen Auftrag zur Tötung seiner Ehefrau im Thurgau aus dem Gefängnis zu schmuggeln.

Bei Gebeten in der Haftanstalt fungierte er als Imam und verbreitete mutmasslich Propaganda zugunsten des IS. In seiner Zelle hängte er ein der IS-Flagge nachempfundenes Transparent auf. Die Bundesanwaltschaft hat daraufhin ein neues Strafverfahren eröffnet. Weil die Frauenfelder Gefängnisleitung offenbar mit beiden Augen weggesehen hatte, wurde Azad M. schliesslich in das Regionalgefängnis Thun verlegt.

Was passiert nun, wenn die Ausschaffung scheitern sollte und der Mann wieder auf freiem Fuss ist? Vorsorglich hat der Nachrichtendienst des Bundes Zwangsmassnahmen unter dem neuen Anti-Terrorgesetz (PMT) beantragt. Fedpol ordnete in der Folge laut Quellen in Bundesbern an, dass der Kurde nach der Freilassung eine Fussfessel tragen muss. Zudem darf er den Kanton Thurgau nicht mehr verlassen. Ob die von Azad M. ausgehende Gefahr damit gebannt wird, ist aber zu bezweifeln. Alle Massnahmen sind auf sechs Monate befristet. (aargauerzeitung.ch)

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10 Kommentare
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Booker
10.10.2022 08:50registriert September 2016
Die Anwälte stehen sicher bereits Spalier um ihn den Auf dem Weg über Strassburg zu unterstützen. Ich wette, dass die Schweiz ihn behalten und weiterhin durchfüttern muss. Er kann sein Dschihad Zeugs weitermachen in der Schweiz und uns alle auslachen!
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