Schweizer Armee
Turnschuh statt Kampfstiefel: Die Armee wird zum grössten Fitnesscenter der Schweiz

Ein neues Sportkonzept soll Schweizer Rekruten fitter, leistungsbereiter und motivierter machen – und die Armee zum grössten Fitnesscenter des Landes.

Othmar von Matt
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Mit dem neuen Sportkonzept der Schweizer Armee steigt auch die militärische Leistungsfähigkeit.

Mit dem neuen Sportkonzept der Schweizer Armee steigt auch die militärische Leistungsfähigkeit.

Christian Beutler/Keystone

Die Empfehlungen der Studie sind spektakulär. Die Rekrutenschule soll mit einem neuen Sportkonzept aufgewertet werden. Es beinhaltet vier Stunden Sport pro Woche, gestaltet nach modernsten wissenschaftlichen Kriterien.

Der Fokus liegt auf Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit, aber auch auf Ausdauer. Das alte Konzept sah drei Stunden Sport pro Woche vor, wurde aber mangelhaft umgesetzt. Geprüft werden soll auch, ob Sportschuhe und Sportuhren abgegeben werden können. Weiter regt die Studie eine Smartphone-Trainings-App an, mit der sich angehende Rekruten über individuelle Trainingsprogramme auf die RS vorbereiten können.

Die Armeespitze ist begeistert über die Resultate der neuen Studie «Swiss Army Physical Fitness Training» (Saft). Mit ihr testete die Eidgenössische Hochschule Sport Magglingen das neue Sportkonzept zwischen Juni 2015 und Juni 2016 in zwei Rekrutenschulen.

Es zeigte sich: Die Kompanie, welche die RS nach neusten sportwissenschaftlichen Kriterien absolvierte, war deutlich fitter, militärisch leistungsfähiger und erlitt weniger Sportverletzungen. Vor allem aber blieben die jungen Männer nach der RS sportlich aktiver – und der Anteil der Nichtraucher stieg.

«Aufgrund der positiven Ergebnisse» habe Daniel Baumgartner, heute Chef Heer und bald Armee-Ausbildungschef, das Sportkonzept bewilligt, sagt Armee-Sprecher Daniel Reist. «Modernste Erkenntnisse aus der Trainingslehre werden in einem miliztauglichen Programm verpackt. Die Ausbildung der verantwortlichen Berufskader für die Umsetzung hat bereits begonnen.»

Thomas Wyss von der Sporthochschule Magglingen und verantwortlich für die Studie, hat ein klares Ziel: Die Rekruten sollen in Zukunft nach 18 Wochen RS davon schwärmen, dass sie «noch nie so fit» gewesen seien. Und dass es kein besseres Fitnesstraining als die RS gebe.

«Finnlands grösstes Fitnesscenter»

Die Rekrutenschule soll zum grössten Fitnesscenter der Schweiz werden. Als Vorbild gilt Finnland, das Land, das gemäss einer Umfrage der Europäischen Kommission von 2010 das fitteste von ganz Europa ist. Die finnischen Streitkräfte haben daran einen beträchtlichen Anteil.

Sie bewerben sich selbst mit dem Slogan «Finnlands grösstes Fitnesscenter». Über die Homepage www.marsmars.fi kann sich jeder angehende Rekrut mit individuellen Programmen auf die RS vorbereiten. Die Seite mit Fitnesstest und Schulungsvideos ist aber auch jedem finnischen Bürger für massgeschneiderte Fitnessprogramme zugänglich.

Sporthochschule Magglingen und Armee haben für das neue Sportkonzept eng zusammengearbeitet. Sie treffen damit «den Nerv der Zeit noch präziser», wie Armee-Sprecher Reist sagt. Gerade in der fitnessaffinen Schweiz. Sie ist eine im internationalen Vergleich «überaus sportliche Nation», heisst es in der gross angelegten Untersuchung «Sport Schweiz 2014» des Bundesamts für Sport (Baspo) mit total 17'756 Befragten.

Darin zeigt sich: Die Schweiz hat nach Schweden, aber vor Dänemark, Finnland und den Niederlanden den höchsten Anteil von Bürgern, die mindestens einmal pro Woche Sport treiben.

Frauen treiben gleich viel Sport

Die Untersuchung von 2014 zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung polysportiver geworden ist. Erfasst wurden über 250 verschiedene Sportarten. Ein Viertel der Sportler betreibt mindestens fünf Sportarten. Am häufigsten genannt werden Wandern, Radfahren, Schwimmen und Skifahren. Besonders beliebt sind auch Jogging und Fitness.

Dass der Joggingboom anhält, hängt mit den Frauen zusammen. Ihr Anteil stieg beim Joggen seit 2008 um 5 Prozent und liegt heute bei 50 Prozent. Frauen betreiben inzwischen praktisch gleich viel Sport wie Männer. Das zeigt der Vergleich mit den Studien von 2000 und 2008.

Auch die Jugendlichen von heute sind «durchaus fit» und üben oft mehrere Sportarten aus, wie Thomas Wyss von der Sporthochschule Magglingen sagt. «Doch die Belastung in der RS ist anders.» Da Jugendliche praktisch nur noch Turnschuhe tragen, sind sie sich die Belastung von Schuhen in Leder und harten Sohlen nicht mehr gewohnt.

Genauso wie das Marschieren mit Rucksack. «Die RS ist körperlich ganz klar anspruchsvoller als der zivile Alltag», sagt Wyss. «Die Rekruten müssen jeden Tag Vollgas geben. Es ist für sie, als ob sie eine neue Sportart erlernten.»

Die Sporthochschule Magglingen und das Baspo prüfen nun eine Trainings-App, mit der sich angehende Rekruten besser auf die Anforderungen einer RS vorbereiten können. Die Rekruten sollen die Daten ihres Fitnesstests bei der Rekrutierung und die Einheit eingeben, der sie zugewiesen wurden. Die App spuckt dann individuelle Trainingspläne aus. «Dänemark und Schweden kennen solche Apps», sagt Wyss, der Daten-Monitoring-Spezialist im Leistungssport. Ob und wie die App umgesetzt wird, entscheidet sich im Frühsommer.

Thematisiert wird gemäss Armee-Sprecher Reist auch die Sportausrüstung für Rekruten, «im Speziellen die Turnschuhe». Ob Rekruten künftig auch Sportuhren erhalten, ist offen. Die Niederlande prüfen ein entsprechendes Projekt. Sollte es auch die Schweiz an die Hand nehmen, käme es zu einer WTO-Ausschreibung im grösseren Stil. In einem einzigen Jahr müssten 20 000 Sportuhren beschafft werden. Es wäre ein grosser Schub auf dem Weg vom Uhrenland Schweiz zum Sportland Schweiz.