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Noch ein Rüffel für Bundesanwalt Lauber in der Fifa-Affäre

Bundesanwalt Michael Lauber steht wenige Wochen vor seiner Bestätigungswahl durch das Parlament in der Kritik. (Archivbild)
Gerät immer mehr unter Druck: Bundesanwalt Michael Lauber.Bild: KEYSTONE

Noch ein Rüffel für Bundesanwalt Lauber in der Fifa-Affäre

Im letzten Herbst schoss Bundesanwalt Michael Lauber seinen höchsten Wirtschaftsermittler ab. Auch für diese Aktion wurde Lauber von seiner Aufsichtsbehörde gerüffelt, wie sich jetzt zeigt.
09.05.2019, 05:51
Henry Habegger / ch media
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Rüffel Nummer eins ist bekannt: Lauber erhielt von seiner Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) einen Rüffel, weil er Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino nicht protokollierte. So ist bis heute nicht klar, worum es vor allem beim dritten dieser Treffen im Juni 2017 ging.

Die mutmasslichen Teilnehmer, neben Infantino und Lauber auch ein Walliser Kumpel des Fifa-Chefs sowie Laubers Pressechef, wollen, können oder dürfen sich nicht erinnern.

Lauber kassierte von seiner Aufsicht allerdings noch einem zweiten Rüffel. Auch dieser steht im Zusammenhang mit dem Verfahren, das die Bundesanwaltschaft in Sachen Fussballkorruption rund um die Fifa führt.

Festgehalten ist die Rüge ganz offiziell im Tätigkeitsbericht 2018 der Aufsichtskommission, die derzeit vom ehemaligen Zuger Regierungsrat Hanspeter Uster (Grüne) präsidiert wird. In diesem Tätigkeitbericht steht: «Am 19./22.10 Oktober 2018 machte die AB-BA Cornel Borbély und den Bundesanwalt schriftlich auf die Einhaltung des Dienstwegs aufmerksam.»

Chefermittler abgeschossen

Es geht um die sonderbare Aktion von Bundesanwalt Lauber, mit der er im Oktober 2018 einen herausragenden Mitarbeiter abschoss: Olivier Thormann, den Chef der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Bundesanwaltschaft, zuständig für die strukturelle Leitung auch der Fifa-Verfahren. Die «Munition» für den Abschuss seines Cherermittlers hatte Lauber von Cornel Borbély erhalten.

Der Zürcher Anwalt Borbély war damals selbst Mitglied der Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA). Zuvor war er angesehener Chefermittler der Fifa-Ethikkommission bis er 2017 vom Infantino-Lager ausgebootet wurde.

Der Thormann-Fall lief so ab: Marco Villiger, Chefjurist der Fifa, informierte Thormann per SMS darüber, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Fifa aufgelöst wurde. Das war am 20. August 2018. Thormann schrieb zurück: «Freue mich auf News, wünsche ein erfolgreiches Kapitelende und falls ich irgendwie von Hilfe sein kann…»

Dieses SMS wiederum empfand Villiger als «unangebracht». Das Hilfsangebot des Staatsanwalts habe ihn «irritiert», erzählte er seinem Kollegen Borbély. Gemäss Villiger schlug Borbély vor, er informiere den Bundesanwalt. Laut Aufsichtsbehörde AB-BA hätte er seine Informationen aber zuerst innerhalb der Behörde zur Diskussion stellen müssen. Damit die über das weitere Vorgehen hätte entscheiden können.

Gravierende Vorwürfe

Borbélys Gespräch mit Lauber fand am 28. September statt. Es sei um «eine potenzielle Nähe von Herrn Thormann zu Herrn Villiger» gegangen, nämlich um zwei gemeinsame Essen in einem Club, um ein «Duzis» zwischen den beiden sowie um eine angebliche Anfrage von Herrn Thormann, ob er für eine Stiftung der Fifa arbeiten könne: Das sagte Borbély im Oktober 2018 dem ehemaligen Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder.

Dieser untersuchte im Auftrag der AB-BA, weil Lauber mittlerweile Strafanzeige gegen Thormann eingereicht hatte. Der Verdacht, dem sich dieser ausgesetzt sah: Amtsgeheimnisverletzung, Begünstigung, passive Bestechung, Vorteilsannahme.

Am 9. November stellte Weder das Verfahren gegen Thormann bereits ein. Kein einziger der strafrechtlich relevanten Vorwürfe, die aus Laubers Aufzeichnungen hervorgingen, hatte sich bestätigt. Das geht aus Weders Einstellungsverfügung hervor.

Der Anfangsverdacht habe sich «nicht erhärtet, sondern entkräftet», so Weder. Lauber hatte seine Vorwürfe an Thormann offenbar kräftig zugespitzt. Jedenfalls bestritten sogar Borbély und seine Quelle Villiger in mehreren Punkten die Darstellung des Bundesanwalts.

Aber Thormann wurde von Lauber freigestellt, und noch letztes Jahr verliess er die Bundesanwaltschaft «im gegenseitigen Einvernehmen». Etwas war an ihm hängengeblieben, aber das war strafrechtlich nicht relevant: Thormann hatte laut Weder nicht die gebotene Distanz zu Fifa-Mann Marco Villiger gehalten.

Interessant ist etwas anderes. In der Befragung durch Weder hatte Thormann auch von «zwei Treffen zwischen Michael Lauber, Gianni Infantino, André Marty und dem Oberstaatsanwalt des Oberwallis» gesprochen. «Beziehungsweise – im Folgetreffen – zwischen Lauber, Infantino, Villiger und ihm, Thormann, in Bern».

Neue Fragen

An einem der Treffen von Lauber mit Infantino war Thormann dabei. Es fand am 22. April 2016 statt. Am Schluss dieses Treffens sagten Lauber und Infantino laut Thormann, dass «der Austausch auf nicht operativer Ebene künftig zwischen Herrn Villiger und ihm, Thormann, stattfinden» solle.

Was wiederum heisst: Es gab nach dem 22. April 2016 für Lauber keinen Grund mehr, Infantino im Fifa-Zusammenhang nochmals zu treffen, da ja der Austausch «auf nicht operativer Ebene» zwischen Thormann und Villiger lief. Aber trotzdem kam es im Juni 2017 nochmals zu einem Treffen von Lauber und Infantino. Es war das ominöse dritte Treffen, an das sich keiner erinnern mag.

Worum also ging es beim dritten Treffen? Leute, die glauben, es sei um Ermittlungen zur Uefa (und nicht zur Fifa) gegangen, fühlen sich bestärkt. Das aber wäre Sprengstoff: Die Bundesanwaltschaft führte damals noch ein Strafverfahren gegen Unbekannt in Sachen Uefa. Es ging um Vorgänge zur Zeit, als Infantino dort noch Generalsekretär war. Die Bundesanwaltschaft stellte dieses Verfahren erst im November 2018 ein.

Der erstaunliche Austausch von Lauber und Borbély abseits des Dienstwegs deutet auch an, dass es in der Fifa-Affäre vielschichtige Fronten gibt. Thormann wurde ziemlich brachial aussortiert, die Hintergründe sind unklar. Borbély trat kurz nach dem Rüffel aus der Aufsichtsbehörde zurück. Offizielle Begründung: Als ehemaliger Fifa-Mann müsse er in der AB-BA ständig in den Ausstand.

Lauber will im Sommer für eine dritte Amtszeit als Bundesanwalt kandidieren. Sein möglicher Kontrahent Thormann ist weg, er wurde unlängst an die neue Berufungskammer am Bundesstrafgericht in Bellinzona gewählt.

Aber bis im Sommer kann noch viel passieren. Ende Woche will die Aufsichtskommission AB-BA Bericht erstatten und sagen, wie es mit Lauber weitergeht, ob sie ein Disziplinarverfahren eröffnet. Die Verfahren, die die Bundesanwaltschaft wegen Fifa-Korruption führt, dürften jedenfalls beschädigt sein. Bereits haben laut Medienberichten verschiedene Beschuldigte Beschwerde eingereicht, weil Lauber befangen sei.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
09.05.2019 07:27registriert Juli 2014
Das kann man drehen und wenden, wie man will, ein Bundesanwalt, der mit der Fifa geheime, informelle Treffen pflegt, während sein eigener Laden gegen die Fifa ermittelt, ist nicht tragbar. Wenn der Chef küngelt, küngelt die ganze Bundesanwaltschaft. Lauber ist nicht tragbar.
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1+1=3! Initiative
09.05.2019 07:04registriert Januar 2018
Vielleicht sollte sich Herr Lauber besser für einen Job bei Donald Trump bewerben.. 🤔
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Fairness
09.05.2019 07:48registriert Dezember 2018
Es reicht!
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