Zwei Ohrfeigen soll Franz (Name geändert) seiner Tochter verpasst haben. Gegen die Busse von 500 Franken, die er aufgebrummt bekam, erhob er Einsprache. Deshalb musste er vor Bezirksgericht Brugg erscheinen. Tätlichkeiten gegenüber einem Kind, lautete der Sachverhalt.
Den Eindruck eines skrupellosen, brutalen Schlägers machte der über 50-Jährige in schneeweissem Hemd, dunklen Hosen und schwarzen Halbschuhen nicht. Ruhig und überlegt beschrieb er Einzelrichterin Gabriele Kerkhoven, was sich zugetragen hat.
Franz hat eine gute Arbeitsstelle mit einem anständigen Lohn. Er lebt in Trennung, ist aber noch nicht geschieden. Und er hat eine neue Freundin. Als seine «Ex», wie der Beschuldigte vor Gericht ausführte, von dieser Beziehung und seiner damals schwangeren Freundin erfuhr, sei es emotional geworden, sei die Situation eskaliert im Einfamilienhaus im Bezirk Brugg. «Sehr harte Worte sind gefallen.»
An jenem Abend im Februar des letzten Jahres sass Franz auf dem Sofa. «Ich wollte entspannen und fernsehen.» Plötzlich sei seine Tochter, die im Teenageralter ist, aufgetaucht mit seiner Frau im Schlepptau, habe über ihn geflucht, ihn übelst beschimpft und beleidigt, ihn als psychisch krank bezeichnet und sei über seine Freundin hergezogen. Er habe seiner Tochter mehrmals gesagt, sie soll aufhören, sich benehmen, sagte Franz. Seine Frau sei grinsend danebengestanden, aber nicht eingeschritten.
Seine Tochter habe sich nicht bremsen lassen – trotz Warnungen, fuhr der Beschuldigte fort. «Sie machte weiter.» Schliesslich habe er, gab Franz zu, sie geohrfeigt. Seine Frau habe postwendend die Notrufnummer 117 gewählt.
Knapp drei Wochen später kam es um die Mittagszeit zu einer weiteren Begegnung. Es habe eine Auseinandersetzung gegeben, räumte Franz ein, und es sei zu Beschimpfungen – auf beiden Seiten – gekommen. Der Beschuldigte bestritt allerdings, seine Tochter erneut geohrfeigt zu haben.
Er habe Unterlagen in seinem Büro in seinem Haus sichten und holen wollen, schilderte er. Seine Tochter wollte ihn daran hindern – und ihn in der Folge aufhalten, das Gebäude zu verlassen. Sie sei ihm bis zum Auto nachgerannt, habe ihn gestossen und angespuckt. Er sei daraufhin weggefahren, versicherte Franz. «Geschlagen habe ich nicht.»
Es wäre ihm lieber gewesen, es wäre anders herausgekommen, resümierte der Beschuldigte. Hässlich sei es gewesen. «Aber es ist, wie es ist.» Von seiner Tochter, die sich auf die Seite seiner Frau geschlagen hat, sei er enttäuscht. Sie habe für ihn aufgehört zu existieren.
Franz’ Verteidigerin forderte einen Freispruch. Der Schlag auf den Kopf der Tochter – die Verteidigerin sprach von einem leichten Klaps auf die Wange – sei erfolgt im Rahmen einer erzieherischen Massnahme eines Erziehungsberechtigten, führte sie aus. Zu diesem Schluss kam ebenfalls das Gericht. Franz wurde von Schuld und Strafe freigesprochen.
Beim zweiten Vorfall stehe Aussage gegen Aussage, erklärte Gerichtspräsidentin Gabriele Kerkhoven. Auch die Verteidigerin hatte in ihrem Plädoyer zuvor betont, dass Zweifel bestehen an den Ausführungen der Tochter. Sie wies auf das ungebührliche Verhalten hin sowie auf Widersprüche, Ungereimtheiten und Unwahrheiten. Unbestritten sei dagegen, so die Verteidigerin, dass ihr Mandant provoziert worden sei. Er sei nicht vorbestraft und geniesse einen einwandfreien Leumund. Nie zuvor habe er seine Hand gegen seine Tochter erhoben.
Gerichtspräsidentin Gabriele Kerkhoven gab dem Beschuldigten während der Verhandlung als Tipp mit auf den Weg, seine Tochter – die offenbar überfordert sei mit der Situation – nach Möglichkeit aus dem Konflikt mit seiner Frau herauszuhalten. Als Vater müsse er seine Verantwortung wahrnehmen.