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Justiz

Komission stellt sich hinter Bundesanwalt Lauber.

Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat geben keine Empfehlung zur Wiederwahl von Bundesanwalt Michael Lauber ab.
Bundesanwalt Michael Lauber.Bild: KEYSTONE

Kommission stellt sich hinter Lauber – doch die wichtigere Frage wird heute beantwortet

Es gebe zum heutigen Zeitpunkt keinen Anhaltspunkt, dass Michael Lauber «bewusst nicht die Wahrheit» gesagt habe, meint die Geschäftsprüfungskommission. Doch die wichtigere Frage wird erst heute beantwortet.
15.05.2019, 05:05
Anna Wanner / ch media
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Ist Bundesanwalt Michael Lauber für eine dritte Amtszeit wählbar? Diese Frage stellt sich, weil die Aufsicht über den Bundesanwalt am Freitag eine Disziplinaruntersuchung gegen ihn eingeleitet hat: Im Fifa-Verfahren hatte er möglicherweise seine Amtspflichten verletzt.

Doch diese Frage wollte die Geschäftsprüfungskommission am Dienstag nicht beantworten. Es sei nicht ihre Aufgabe, eine Empfehlung abzugeben. Das sei Aufgabe der Gerichtskommission, die heute darüber urteilen wird.

Trotzdem haben die Geschäftsprüfer des Parlaments einen wichtigen Vorentscheid gefällt: Sie kommen nach Anhörung des Bundesanwalts und seiner Aufsicht zum Schluss, dass Lauber seine Amtspflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig schwer verletzt habe.

Das bedeutet für die Gerichtskommission übersetzt: Eine Amtsenthebung wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu rechtfertigen. Weil die Empfehlung zur Nichtwahl faktisch zu einer Amtsenthebung führen würde, soll die Gerichtskommission also davon absehen – und ihn empfehlen.

Natürlich kann die Gerichtskommission zu einem anderen Schluss kommen. Das gilt aber als höchst unwahrscheinlich. Eher könnte sie die Wahl auf den Herbst verschieben, um die Resultate der anstehenden Disziplinaruntersuchung abzuwarten – um eine Amtspflichtverletzung tatsächlich ausschliessen zu können.

Der Paradigmenwechsel

Festgestellt hat die Kommission zudem, dass es einen Vertrauensverlust zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde gibt, der behoben werden müsse. Und dass eine unterschiedliche Auffassung darüber bestehe, welche Rolle der Aufsicht zukommt. Hat sie eine eher begleitende Funktion oder muss sie bei möglichen Fehlleistungen eingreifen?

Diese Frage stellt sich, seit Hanspeter Uster Anfang Jahr das Präsidium der Aufsicht von Niklaus Oberholzer übernahm. Von einem «Paradigmenwechsel» spricht der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission. Er will diesen aber nicht bewerten. Wichtig sei nun, die Aufgaben der Aufsicht zu klären.

Gleichzeitig machte die Kommission keinen Hehl daraus, dass der Auftritt Laubers seine Spuren hinterlassen hat. Von grossen Emotionen, von verletzten Gefühlen, von Hexenjagd sprach FDP-Nationalrätin Doris Fiala, Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats. Die Kommission sei bemüht, Sachlichkeit in die Disussion um den Bundesanwalt und seine Wiederwahl zu bringen.

Sie veröffentlichte am Dienstag bloss nüchterne Feststellungen:

  • Die fachliche oder persönliche Eignung des Bundesanwalts sei in keiner Weise infrage gestellt.
  • Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Anhaltspunkte, dass der Bundesanwalt bezüglich eines dritten Treffens mit Fifa-Präsident Gianni Infantino bewusst nicht die Wahrheit gesagt habe.
  • Ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, ergibt erst die Disziplinaruntersuchung der Aufsichtsbehörde. Aus objektiver Sicht habe der Bundesanwalt seine Amtspflicht Stand heute nicht verletzt.

Ein durchweg gutes Zeugnis

Lauber hat in der Kommission einen überzeugenden Eindruck hinterlassen. Die Mitglieder äussern sich positiv über den Bundesanwalt. Um seine Leistung zu beurteilen, müsse seine Arbeit gesamthaft bewertet werden – und nicht das eine Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino, an das sich niemand erinnern mag. Genau das verlangt der Bundesanwalt selbst.

Am Freitag erklärte er vor den Medien, es sei «absurd» seinen Kopf zu fordern, weil er sich an ein einziges Treffen nicht erinnern könne. Seine Leistung über die letzten sieben Jahre müsse gesamthaft bewertet werden.

Nur ist das gar nicht so einfach. Wie lässt sich beurteilen, ob bei den Hunderten von Fällen, welche die Bundesanwaltschaft aufnimmt, an die Kantone überweist, einstellt, zur Anklage bringt oder sistiert, alles gut gelaufen ist? Erst wenn ein Fall vor Gericht kommt, ist die Beurteilung der Arbeit ansatzweise möglich.

Trotzdem sprechen die Parlamentarier vertrauensvoll von einer «positiven Bilanz» seiner über siebenjährigen Amtszeit. Lauber gilt als sehr aktiv, hat viele neue Projekte angerissen und vor allem intern viel verändert. Dass diese Veränderungen auch für Unsicherheit und schlechte Stimmung sorgten, fand die Aufsicht 2015 heraus, als sie die vielen Beschwerden von Mitarbeitern aufnehmen musste.

Trotzdem stellte die Aufsicht, die seit 2012 vereinzelte Verfahren anschaut, Lauber und seinem Team ausschliesslich gute Zeugnisse aus. Es gebe keine bedeutende Mängel zu vermelden, die Bundesanwaltschaft nehme ihre Aufgabe professionell und kompetent wahr (2013).

Die Aufsichtsbehörde habe den Eindruck, dass Verfahren nicht missbräuchlich oder unbegründet eingestellt werden (2014). Gerade bei den grossen und komplexen Fällen fand die Aufsicht, «dass die Verfahrenskomplexe verantwortungsbewusst und zielgerichtet geführt werden» (2016).

Von vielen Seiten zugutegehalten wird Lauber ausserdem, dass er Ruhe in die skandalträchtige Behörde bringen konnte – und so auf die Verfahren gegen Wirtschaftskriminalität, Terror oder organisiertes Verbrechen konzentrieren konnte.

Nicht für immer: Seit letztem November herrscht wieder Unruhe.

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