Bankdatenklau
Die grosse Kungelei um Spion Daniel M.

Die Nähe von Bundesanwalt und Geheimdienst scheint die Spionageaffäre begünstigt zu haben. Dabei sollten die Behörden unabhängig voneinander arbeiten.

Henry Habegger
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Daniel M. Ende 2014 im Frankfurter Hotel Intercontinental, fotografiert von Ex-BND-Leuten mit versteckter Kamera. Bei dieser Gelegenheit fand eine Geldübergabe statt für Bankdaten, die M. verkaufte.

Daniel M. Ende 2014 im Frankfurter Hotel Intercontinental, fotografiert von Ex-BND-Leuten mit versteckter Kamera. Bei dieser Gelegenheit fand eine Geldübergabe statt für Bankdaten, die M. verkaufte.

Gutmütig leitete Nicoletta della Valle über zum Bundesanwalt. «Mike hat das Wort», sagte die Chefin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) im letzten März an einer Pressekonferenz der Schweizer. «Mike» Lauber, neben Geheimdienstchef Markus Seiler sitzend, dankte. Seiler, Lauber, delle Valle. Eine Art fleischgewordene Kungelei zwischen von Gesetzes wegen unabhängig voneinander arbeitenden Schweizer Behörden. Im Fall des Spions Daniel M. ging das so: 2011 wurde der NDB gestützt auf eine Anfrage von Fedpol aktiv und schickte Daniel M. nach Deutschland. Dessen Informationen brauchte Anfang 2012 Lauber, kurz nach seinem Amtsantritt, für seine Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder.

Im Herbst 2011 wurde Lauber vom Parlament zum Bundesanwalt gewählt, mit sagenhaften 203 von 207 gültigen Stimmen. Er hatte den Support namentlich aus der rechtsbürgerlichen SVP- und FDP-Ecke der Bankgeheimnis-Anhänger. Denn Lauber ist ein Mann der Banken. Er war von 2004 bis 2010 Geschäftsführer des Liechtensteiner Bankenverbandes, danach Präsident der dortigen Finanzmarktaufsicht. Es gibt Hinweise, dass Laubers Wahlversprechen als Bundesanwalt war: Kampf mit allen Mitteln gegen die Kreise, die durch Bankdatenkäufe das Bankgeheimnis angreifen: Inländische Datendiebe, aber auch ausländische Steuerfahnder.

Pikant ist: Spätestens seit Anfang 2012, also seinem offiziellen Amtsantritt als BA, liess sich Lauber von Hans Wegmüller beraten. Dieser war 2001 bis 2008 Chef des Auslandgeheimdienstes SND, der später mit dem Inlandgeheimdienst DAP zum NDB fusioniert wurde. Wegmüller war Vorgänger und langjähriger Vorgesetzter von Paul Zinniker, der laut dem deutschen Haftbefehl den Einsatz von Spion Daniel M. in Deutschland leitete. Also hatte Lauber via Wegmüller einen inoffiziellen, aber direkten Draht in den NDB.

Ehemaliger Profi-Geheimdienstler fungiert als Berater

War dies der wahre Grund, warum sich Lauber Wegmüller als Berater nahm? Wegen dessen Kontakten in die Auslandabteilung des NDB, aber auch zum deutschen Geheimdienst BND? Ein BA-Sprecher sagte letztes Jahr zur «Nordwestschweiz», Wegmüller habe Lauber «in staatspolitischen, sicherheitsstrategischen und verwaltungstechnischen Fragen» beraten. Das kann alles und nichts bedeuten. Wegmüller selbst dementiert auf Anfrage, dass es auch um die Deutschland-Sache ging. Aber das heisst nichts: ein ehemaliger Profi-Geheimdienstler wie Wegmüller plaudert nicht aus der Schule.

Sicher ist, dass unter Lauber die Zusammenarbeit der BA mit dem NDB massiv enger wurde. Wie auch die Kooperation mit der Bundeskriminalpolizei (BKP) im Fedpol. Kein Wunder: Lauber arbeitete, bevor er ins Ländle ging, von 1995 bis 2000 selbst bei Fedpol. «Gegenwärtig sind die Beziehungen zwischen der BA und der BKP gut – sogar sehr gut», stellte Ende 2013 Experte Pierre Cornu in einem Bericht fest. Er lieferte eine Beschreibung des Systems Lauber: «Alle sechs bis acht Wochen findet ein informelles Treffen zwischen dem Bundesanwalt, seinen zwei Stellvertretern, dem Chef BKP und seinem Stellvertreter statt. In aller Vertraulichkeit werden dort verschiedene Themen allgemeiner Art oder betreffend sensibler Verfahren angesprochen. Es wird kein Protokoll erstellt, was einen offenen, ehrlichen und direkten Dialog begünstigt.»

Einsatz lief aus dem Ruder

Sicher ist, dass der Einsatz von Daniel M. schildbürgerhaft aus dem Ruder lief. Der Maulwurf, den er im nordrhein-westfälischen Finanzministerium angeblich auf NDB-Rechnung installierte, gab es womöglich nie. Und ab Ende 2014 gingen die Bundesanwaltschaft und die Grossbank UBS plötzlich selbst gegen Ex-UBS-Mann Daniel M. vor: Dieser war zwischenzeitlich selbst zum Verkäufer gestohlener Bankdaten geworden. Die BA eröffnete auf Anzeige der UBS hin ein Strafverfahren. Absicht oder Panne: Laubers Truppe lieferte Verfahrensakten an Werner Mauss, den deutschen Ex-BND-Agenten, der Daniel M. Bankdaten abgekauft hatte. Mauss, der wegen unversteuerter Millionen auf UBS-Konten derzeit vor Gericht steht, hatte als Mitbeschuldigter Recht auf Akteneinsicht. So kam die deutsche Justiz via Mauss zu Laubers Belastungsmaterial gegen M. und NDB.