Zahnarztbehandlungen in der Schweiz sind teuer. Nicht selten fliegen Patienten dafür ins Ausland. Doch gerade in medizinischen Belangen können billige Angebote teure Folgen nach sich ziehen.
Das musste Dolores Zimmermann am eigenen Leib erfahren: Im Jahr 2015 besuchte die Zürcherin das Büro von Aleksandar Stankovic – damals nannte er sich noch Sascha Aleksandar – in Spreitenbach.
Er vermittelt Zahnreisen in serbische Kliniken, inklusive Transport und Unterkunft in einem VIP-Hotel. Die Website ködert mit 100'000 zufriedenen Kunden, 78'000 gesetzten Implantaten und 350'000 Zahnbrücken sowie mit Gratis-Stadtrundfahrten und Pediküren.
Auf die Implantate habe man zudem lebenslange Garantie. Zimmermann flog vier Mal nach Belgrad, wo sie sich im Dental Plaza behandeln liess. Jedes Mal kam sie mit Entzündungen und Infektionen zurück. «Nun muss ein Schweizer Zahnarzt die verpfuschten Operationen ausbessern», sagt sie.
Stankovic war wegen solcher Fälle bereits des Öfteren in den Medien präsent und wurde als «falscher Zahnarzt» betitelt. Diese Zeitung berichtete im Jahr 2015, dass er seine Praxis ohne die nötige Bewilligung führte.
Unsere Berichterstattung von 2015: Falscher Aargauer Zahnarzt gerät ins Visier der Behörden
Sein Name steht bis heute nicht im Medizinalberufsregister des Bundesamts für Gesundheit, Stankovic ist also nicht als Zahnarzt registriert. Auch seine angeblichen Firmen Zahnreisen AG und Dentist Travel GmbH sind nicht im Handelsregister eingetragen, weder im schweizerischen noch im serbischen.
Im vergangenen Jahr publizierte auch der «Beobachter» einen Artikel über den Spreitenbacher und berichtete von zwei Patienten, die auf ihn reinfielen. Beide gingen schliesslich vor Gericht und verklagten Stankovic. Er selbst hat bisher nie Stellung genommen und die Reporter immer wieder abgewimmelt. Nun äussert er sich erstmals ausführlich. Das Fazit aus dem Gespräch: Aleksandar Stankovic sieht sich keiner Schuld bewusst.
Auf seiner Website wirbt Stankovic mit Videos von zufriedenen Kunden:
«Ich bin kein Zahnarzt», stellt der Spreitenbacher klar. Das Wort benutze er nur zur Suchmaschinenoptimierung, damit man ihn auf Google leichter finde. Ruft man seine beiden Websites auf, wird ein gewisser Dr. Med. Dent. Milan Arsenic als Kontakt angegeben.
Die beiden Websites des «falschen Zahnarztes»: http://www.zahnbehandlung-guenstiger-als-ungarn.ch/
https://guenstige-zahnbehandlung.weebly.com/
«Das ist ein Kollege von mir. Er ist Zahnarzt in Belgrad.» An ihn vermittelt Stankovic neuerdings. Zudem wurde der Firmensitz anscheinend nach Serbien verlegt. An der angegebenen Adresse befindet sich dort laut Google Earth jedoch eine Baubrache.
Kritik gibt es auch seitens der Firmen, mit deren Fotos der Spreitenbacher auf seinen Websites wirbt: So beispielsweise der Firma Zirkonzahn. Das Unternehmen stellt Produkte für die Zahntechnik her. Auf Anfrage dieser Zeitung dementiert die Firma jedoch eine Zusammenarbeit mit dem Spreitenbacher, die Publikation des Schriftzugs erfolgte ohne ihr Einverständnis.
Auch beim Implantate-Hersteller Straumann, ebenfalls ein angeblicher Partner, ist der Spreitenbacher nicht bekannt. Und obwohl die Firma Stankovic im vergangenen Jahr aufforderte, ihr Dokumaterial von seiner Website zu entfernen, wirbt er auch heute noch damit. Er werde die Website aber anpassen, sagt Stankovic dieser Zeitung. Aber er relativiert: «Mein Kollege arbeitet mit denen.» Von ihm habe er die Fotos. Er sei nur Vermittler. Das betont er mehrmals.
Es scheint, als sei das der Grund, weshalb sich Stankovic in einer Grauzone bewegt: Die Schweizer Behörden können seinem Treiben nicht Einhalt gebieten. Denn das Anbieten von Zahnreisen ins Ausland ist zulässig.
«Auf der Homepage ist eine Kontaktperson unter einer Adresse in Serbien aufgeführt. Es liegt nicht in unserer Zuständigkeit und Kompetenz, zu beurteilen, ob diese Person im Ausland ein Zahnarzt ist und dort rechtmässig tätig ist», sagt Jelena Teuscher, stellvertretende Leiterin Kommunikation des Kantonalen Departements für Gesundheit und Soziales. Das Vermitteln von Zahnreisen falle nicht in den Zuständigkeitsbereich des Departements.
So kommt es, dass Stankovic noch immer Zahnreisen anbietet, obwohl ihn die Medien bereits mehrere Male an den Pranger stellten. Und auch wenn sein Name mittlerweile bekannt sein sollte, fallen weiterhin gutgläubige Patienten wie Dolores Zimmermann auf seine Versprechungen rein.
Die Kosten für die Folgebehandlungen hierzulande will die Patientin aber auf keinen Fall selber tragen, weshalb sie den rechtlichen Weg einschlug: Laut einem Urteil des Bezirksgerichts Baden vom vergangenen Jahr, das dieser Zeitung vorliegt, schuldet Stankovic der Zürcherin rund 40'000 Franken. Gesehen hat sie von diesem Geld aber noch keinen Rappen. «Von so einem Urteil weiss ich nichts», sagt Stankovic dazu. Was passiert sei, tue ihm aber Leid.
Der Vorfall mache ihn jedoch wütend. Denn die Patientin hätte vor dem Eingriff einen Knochenaufbau machen müssen, weil ihr Kiefer stark geschädigt gewesen sei. «Die Knochen hatten Löcher wie ein Emmentaler», sagt Stankovic. «Daran kann die Brücke ja nicht halten.» Die Zürcherin habe das aus finanziellen Gründen jedoch nicht gewollt, obwohl er sie mehrmals vor dem Risiko gewarnt habe. Zimmermann sei selbst schuld.
Die Zürcherin ist mit dem gewonnenen Prozess nicht alleine: Schon mehrere unzufriedene Patienten haben den Serben angezeigt. In insgesamt 13 Prozesse war Stankovic laut eigenen Angaben schon verwickelt. Von mindestens dreien kennt diese Zeitung das Urteil: Stankovic musste Genugtuung zahlen. «Im Vergleich zu anderen Zahnärzten stehe ich mit nur 13 Prozessen gut da», findet Stankovic.
So oder so weist Stankovic jegliche Schuld von sich. Er ist der Meinung, mit seinen Zahnreisen eine gute Sache zu bieten: «In der Schweiz ist es einfach teuer. Ich verstehe das zwar, aber viele können sich medizinische Eingriffe hier nicht leisten.» Wenigstens sei er ehrlich und stehe zu den negativen Rückmeldungen. «Ich habe bei all dem ein reines Gewissen.» (aargauerzeitung.ch)
Wäre ich Zahnarzt und eine Patientin will den nötigen Knochenaufbau nicht machen, würde ich mir dies von ihr schriftlich bestätigen lassen.