Schweiz
Klimastreik

Klimastreik: Klima-Aktivisten wollen ins Kloster ziehen

Pati und Jann möchten schon bald ins Klima-Kloster ziehen.
Pati und Jann möchten schon bald ins Klima-Kloster ziehen. bild: keystone/montage watson

Ab ins Klima-Kloster

Mit dem weltweiten Streiktag am Freitag fiebert die Klima-Bewegung ihrem vorläufigen Höhepunkt entgegen. Schweizer Klimaaktivisten sagen, warum sie schon bald in eine Klima-Kommune ziehen wollen. Und weshalb Greta Thunberg für sie ein Problem ist.
14.03.2019, 19:4415.03.2019, 08:16
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Das Handy surrt pausenlos. 300 Whatsapp-Nachrichten aus Klimastreik-Chats ploppen bei Jann Kessler innert 30 Minuten auf. «Ich habe viele Sachen angerissen, langsam wächst mir die Sache schon etwas über den Kopf», sagt der 22-jährige Thurgauer und grinst, als watson den Filmstudenten und seine gleichaltrige Freundin Pati Kudrnac in einem Pub in Weinfelden trifft.

Die beiden fallen nicht nur wegen ihren Dreadlocks auf. Sie sprechen mit viel Verve und Überzeugung. Sie sind bei der Schweizer Klimabewegung mit vielen weiteren Aktivistinnen und Aktivisten an vorderster Front aktiv. Momentan planen sie, wie sie ihr Leben in noch nachhaltigere Bahnen lenken können.

Ihr Plan: Sie wollen mit weiteren Leuten aus der Klima-Bewegung in den nächsten Monaten in leer stehende Klöster ziehen und ein Netz von Klima-Kommunen aufbauen. Dazu wurde eigens eine Arbeitsgruppe einberufen. «Wir möchten einen Ort schaffen, wo Leute aus der Klima-Bewegung zusammen leben und den Systemwandel ausprobieren können», erklärt Jann, der kürzlich in der SRF-Sendung «Schawinski» zu Gast war. Pati und Jann wollen ihren Traum von den Klima-Klöstern schon bald in die Realität umsetzen. Sie hätten bereits diverse verlassene Klöster an verschiedenen Orten in der Schweiz entdeckt. Noch sei aber nichts spruchreif.

Jann und Pati sind fast pausenlos am Handy.
Jann und Pati sind fast pausenlos am Handy. bild: watson

Die beiden Klima-Aktivisten wissen, worauf sie sich einlassen. Zuletzt lebten sie mit 15 anderen Personen in einer Kommune ausserhalb von Lausanne. «Wir teilten miteinander und versuchten so nachhaltig wie möglich zu leben. Das Gemüse kauften wir etwa bei einem lokalen Bauern», erklärt Pati. Das Paar teilt auch die Liebe. Die beiden Ostschweizer leben polyamor, also in einer offenen Beziehung.

Der Traum vom Aussteiger-Leben hegten die beiden schon lange. Doch dann kam Greta. Und stellte vieles auf den Kopf.

Swedish teenager Greta Thunberg, center, leads a march of thousands of French students through Paris, France, to draw more attention to fighting climate change, Friday, Feb. 22, 2019. Sign reads : &qu ...
Greta überall. Bild: AP/AP

Seit Anfang Jahr sind Pati und Jann aber für die Klimastreik-Bewegung fast pausenlos unterwegs in der ganzen Schweiz. Auch an diesem Abend zieht es sie noch an einen Anlass in Zürich. Als watson die beiden im Zug begleitet, gibt es kaum eine freie Minute. Jann hängt dauernd am Telefon oder schreibt Whatsapp-Nachrichten. Pati tippt derweil auf ihrem Laptop.

«Greta ist fast nie an einer Telefonkonferenz dabei»

Jann ist eine der Personen, welche die Schweizer Klimastreik-Bewegung auf internationaler Ebene vertritt und dort eine führende Rolle inne hat. Er ist sogar in einer Whatsapp-Gruppe mit Greta Thunberg. Sie sei weiterhin eine starke Figur. Aber: «Sie hält sich in der Organisation der Klima-Bewegung mittlerweile zurück und übernimmt wenig Verantwortung.» So nehme sie fast nie an einer Telefonkonferenz teil. «Das ist schon ein Problem für uns», sagt er.

Und fügt sogleich an, man sei Greta unendlich dankbar, wie sie das Feuer in der Klima-Bewegung entfacht habe. Sie bleibe natürlich eine wichtige Figur.

Make love not Co2: Pati an der Klima-Tagung in Bern im Februar.
Make love not Co2: Pati an der Klima-Tagung in Bern im Februar. bild: watson

Das Engagement der Schweiz ist in der internationalen Klima-Gruppe besonders gefragt. «Wir haben viel Erfahrung in der Konsensdemokratie», erklärt Jann. Seit dem ersten nationalen Treffen in Bern im Dezember werden auch in der Schweizer Klima-Bewegung alle Entscheidungen basisdemokratisch gefällt. «Der Anlass Reitschule war für uns ein super Experimentierfeld», so Pati.

Jann Kessler.
Jann Kessler. bild: watson

Länderübergreifend gelangt die Basisdemokratie aber an ihre Grenzen. Kürzlich kam es in der internationalen Klimagruppe beinahe zur Spaltung. Dies wegen einer Einladung von 60 europäischen Klimastreikenden ans Europaparlament in Strassburg. Eine Delegation aus Griechenland wollte per Flugzeug anreisen. Dies, weil die Griechinnen und Griechen sonst eine sechstägige Reise für ein zweitägiges Treffen hätten auf sich nehmen müssen, was kaum Sinn macht.

Flüge erlauben oder die Griechen vom Treffen auschliessen? Die Meinungen gingen weit auseinander. «Schlussendlich gab es einen Mehrheitsentscheid gegen die Flugreise», erzählt Jann.

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«Es braucht einen grossen Aufwachmoment, eine grosse Klimaschutz-Kampagne des Bundes»

Ob in Zürich oder Bern: Für die Klima-Bewegung steht mit dem Streik vom 15. März der nächste Höhepunkt bevor. Seit der letzten nationalen Demo im Februar sei es gelungen, die Aktivitäten der Schweizer Klimabewegung auf viel mehr Schultern zu verteilen.« Wir sind ein kreativer, bunter Haufen», so Pati.

Nun sei es an der Zeit, den Systemwandel hin zu einer ökologischeren Lebensweise der Gesellschaft voranzutreiben. Das sagten die Klimastreiker auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei einen Treffen Anfang März. Sommaruga müsse jetzt Position beziehen und ihre Verantwortung übernehmen. «Auch die Regierung muss den Leuten die Augen öffen. Es braucht einen grossen Aufwachmoment, eine grosse Klimaschutz-Kampagne des Bundes», fordert Jann. Solange die Erdöl-Lobby im Parlament so stark sei, bleibe dies aber wohl Wunschdenken.

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Video: watson/Chantal Stäubli, Emily Engkent

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quelle: ap/ap / markus schreiber
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sleeper
14.03.2019 20:13registriert April 2014
Aus ökonomischer Sicht ist der menschengemachte Teil des Klimawandel das Resultat eines Markversagens. Die Kosten der Konsumgüter (fliegen, autofahren, etc...) wiederspiegeln nicht die verursachten Schäden an der Umwelt. Wie generell bei Marktversagen müsste hier eigentlich die Politik einschreiten, was aber aufgrund der Lobbying-Situation kaum oder nur zu langsam geschieht. Statt aber wieder wie im Mittelalter zu leben (dies ist keine Kritik, ich respektiere Jeden, der dies vorzieht), kann sich aber jeder Einzelne bereits entscheiden... (Teil 1/2)
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Pinkerton
14.03.2019 20:38registriert Februar 2019
Jaja, der alte Traum vom grossen Systemwechsel. So wenig in den 60ern all die Hippiekommunen den ewigen Weltfrieden eingeläutet haben, wird es auch dieses Mal mit dem Klima-Kloster nicht klappen. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
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Ohniznachtisbett
14.03.2019 21:16registriert August 2016
Soso... der Rainer Langhans des 21. Jahrhunderts also. Ich freue mich schon, wenn er dann in 40 Jahren durch dir Talkshows tingelt. Und bitte stellt mal richtig: Wir haben in der Schweiz keine Basisdemokratie wo wir diskutieren (oder sind es "Anführer" die diktieren?) bis alle gleicher Meinung sind oder davongelaufen bzw gegangen worden sind. Wir haben eine Konkordanzdemokratie wo man versucht Mehrheitsfähige Kompromisse zu finden, dann wird abgestimmt, ist die Mehrheit dafür machen auch die Unterlegenen mit. Das ist ein sehr grosser Unterschied. Eigentlich Journalistenarbeit dies zu erklären.
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