Sie erwarte «ein positives Signal» des Bundesrats in Richtung Brüssel, meinte eine Aussenpolitikerin diese Woche im Bundeshaus. Dabei bezog sie sich auf den Entscheid über das weitere Vorgehen beim institutionellen Abkommen mit der EU, der für Freitag erwartet wurde. Sie hoffe auf ein deutliches «Ja» und ein mildes «Aber», so die Parlamentarierin.
Nun hat der Bundesrat entschieden. Doch das Signal an die EU ist alles andere als eindeutig. Wenn man den bilateralen Weg als Strasse betrachten will, dann hat die Landesregierung beim Rahmenvertrag gerade mal vom ersten in den zweiten Gang geschaltet. Oder um den Sportjargon zu verwenden: Der Bundesrat versucht, auf dem politischen Spielfeld weiter Zeit zu schinden.
Etwas anderes bleibt ihm kaum übrig. In den Konsultationen wurden zu viele Vorbehalte gegen das von Staatssekretär Roberto Balzaretti ausgehandelte Abkommen geäussert. Von den Parteien bekannten sich nur BDP und GLP uneingeschränkt dazu. Die SVP sagte klar Nein, alle anderen ergänzten ihr Ja mit einem mehr oder weniger deutlichen Aber. Dem ist der Bundesrat gefolgt.
Eigentliche Nachverhandlungen will er nicht führen. Vermutlich hat der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn sie im Gespräch mit Aussenminister Ignazio Cassis einmal mehr ausgeschlossen. Nun soll im «Dialog» mit der Europäischen Union «eine für beide Seiten befriedigende Lösung» zu den drei Aspekten gefunden werden, die in den Konsultationen am meisten Anstoss erregt haben.
Gemeint sind die flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping, die staatlichen Beihilfen und die Unionsbürgerrichtlinie. Kein Thema mehr ist offenbar das ebenfalls kritisierte Schiedsgericht. Die Erfolgschancen sind ungewiss. Bei der Unionsbürgerrichtlinie scheint der Bundesrat notfalls zu einer einseitigen Erklärung bereit zu sein, weil sie im Vertragstext gar nicht erwähnt wird.
Die Sicherung des Lohnschutzes muss primär durch innenpolitische Massnahmen erfolgen. Der Arbeitgeberverband erklärte sich in einer Mitteilung bereit, zusammen mit den Sozialpartnern Vorschläge zu entwickeln, «damit der bisherige Arbeitnehmerschutz in der Schweiz erhalten und gleichzeitig EU-konform ausgestaltet werden kann». Das stimmt zumindest vorsichtig optimistisch.
Ob dies auch für eine weitere Verlängerung der Börsenanerkennung gilt, muss sich zeigen. Justizministerin Karin Keller-Sutter machte vor den Medien klar, dass der Bundesrat einen entsprechenden Entscheid aus Brüssel erwartet. Sie verwies auf die beiden europapolitisch positiven Volksentscheide vom 19. Mai zum AHV-Steuerpaket und zum Waffenrecht.
Kann sein, dass die EU sich noch einmal erweichen lässt. Die erste Reaktion aus Brüssel war ziemlich einsilbig, aber nicht negativ. Allerdings kann der Bundesrat den endgültigen Entscheid zum Rahmenabkommen nicht ewig hinausschieben. Er sollte bis Ende Jahr erfolgen, aus mehreren Gründen. So wird die EU eine endlose Zeitschinderei kaum goutieren.
Ignazio Cassis erklärte, beide Seiten seien an einem raschen Ergebnis interessiert. Es sei im Interesse der Schweiz, mit den Leuten zu sprechen, die sich mit der Materie auskennen. Die neue EU-Kommission müsste sich erst einarbeiten, und ob sie der Schweiz gewogener sein wird als das Team des scheidenden Präsidenten Jean-Claude Juncker, darf zumindest bezweifelt werden.
Der Hauptgrund aber ist, dass der Bundesrat sobald wie möglich erklären muss, ob er den bilateralen Weg wirklich «weiterentwickeln» will, wie er in seiner Mitteilung betont. In diesem Fall führt kein Weg am institutionellen Abkommen vorbei. Sich durchzuwursteln ist keine langfristig tragfähige Option im Umgang mit unserem wichtigsten Handelspartner.
Der Bundesrat sollte auch nicht warten, bis die Begrenzungsinitiative der SVP vom Tisch ist, wie es die Gewerkschaften wünschen, um den Offenbarungseid in der Europafrage möglichst weit hinausschieben zu können. Bis Ende Jahr muss ein Ja zum institutionellen Abkommen her. Oder man lässt es bleiben und nimmt die Konsequenzen in Kauf. Alles andere ist der Schweiz nicht würdig.