Das Kind bekommt nicht, was es will. Heulend wirft es sich vor der Migros-Kasse zu Boden, weigert sich partout, wieder aufzustehen. Für ein solches Verhalten kennen wir im Schweizerdeutschen ein Wort: «toibele».
Ganz ähnlich wie das Kind vor der Migros-Kasse verhält sich derzeit zum Beispiel die FDP, wenn es um die Familienpolitik geht. Noch vergangene Woche inszenierte sich die Partei als pragmatische Kraft: Eine kategorische Ablehnung der Vaterschaftsurlaubs-Initiative, wie der Bundesrat sie fordere, sei für die Fraktion keine befriedigende Lösung, teilte sie mit. Und kündigte an, einen indirekten Gegenvorschlag zu portieren.
Dieser sollte aus drei Elementen bestehen:
Bereits eine Woche später droht die Partei jedoch damit, den Vorschlag zurückzuziehen. Denn der Nationalrat hat beschlossen, das Programm zur Finanzierung neuer Krippenplätze um vier Jahre zu verlängern. Damit droht das dritte Element des FDP-Plans wegzubrechen. In dem Fall sehe man sich «bei den Papiferien nicht mehr in der Pflicht», sagte Fraktionspräsident Beat Walti zum Blick.
Das ist eine klassische Trotzreaktion: Die FDP weigert sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen, wenn sie nicht bekommt, was sie will. Nun findet Politik natürlich nie im luftleeren Raum statt. Parteien brauchen ein Verhandlungspfand, um in einer Diskussion ans Ziel zu gelangen.
Wenn das Ziel für die FDP aber wirklich darin besteht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, wie sie dies vorgibt, dann macht eine Verweigerungsstrategie wenig Sinn.
Zur Einordnung: Der erste Punkt des FDP-Plans sieht vor, dass der heutige Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen durch einen Elternurlaub von 16 Wochen ersetzt wird, der zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden kann. Will die Mutter nach der Geburt gleich lang der Arbeit fernbleiben, wie ihr dies heute zusteht, bleiben noch 2 Wochen für den Vater übrig.
Das Engagement für einen solchen Kurz-Vaterschaftsurlaub an die Bedingung zu knüpfen, dass die Anschubfinanzierung für Kinderkrippen gestrichen wird, ist fast schon zynisch. Denn: Wer schaut nach den 2 Wochen Papi-Zeit und den 14 Wochen Mutterschaftsurlaub zum Kind? Eine Elternzeit ersetzt den Krippenplatz nicht.
Natürlich kann man gleichzeitig für Krippen und gegen eine weitere Anschubfinanzierung sein. FDP-Mann Christian Wasserfallen warb im Nationalrat dafür, die direkte Subventionierung von Kitas zu beenden und stattdessen die Steuerabzüge für die externe Kinderbetreuung zu erhöhen. So, wie es der FDP-Plan unter Punkt zwei vorsieht.
Das mag ordnungspolitisch die elegantere Lösung sein. Wer aus Protest gegen ein vierjähriges Finanzierungsprogramm jedoch alle Pläne für einen Vaterschaftsurlaub begräbt, dem kann es nicht so ernst damit sein, die «traditionellen Rollenbilder aufzubrechen», wie es die Partei in ihrer Strategie formulierte. So dachten offensichtlich auch einzelne FDP-Exponenten: Laurent Wehrli (VD), Isabelle Moret (VD) und Christoph Eymann (BS) stimmten der Krippenfinanzierung im Nationalrat zu – gegen den Widerstand der eigenen Fraktion.
Wir werden im Zuge der Debatte über die Vaterschaftsurlaub-Initiative noch den einen oder anderen Alternativvorschlag von Parteien präsentiert bekommen. Während die CVP ihre Idee für einen 2-wöchigen Vaterschaftsurlaub neu lanciert, fordern die Grünen eine Elternzeit nach skandinavischem Vorbild. Der heutige Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen bliebe dabei unangetastet. Zusätzlich sollen Mütter und Väter weitere 14 Wochen Elternzeit frei untereinander aufteilen können, wovon mindestens 8 Wochen der Mann beziehen müsste.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Modell im Jahr 2018 in der Schweiz mehrheitsfähig ist, scheint gering. Klar ist darum: Die Parteien müssen aufeinander zugehen, wenn sie ihr Versprechen, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen, tatsächlich einlösen wollen. Und versprechen tun sie dies – mit Ausnahme der SVP – alle (siehe Bildstrecke).
Der springende Punkt dabei ist: Es sind keine sentimentalen Gründe, die zur seltenen Einhelligkeit führen, sondern knallharte Wirtschaftsinteressen. Die Erkenntnis, dass der Schweizer Arbeitsmarkt auf weibliche Fachkräfte angewiesen ist, hat sich längst quer durch alle politischen Lager durchgesetzt. Nur ist man vor lauter Trötzeln nicht bereit, auch nur einen Schritt vorwärts zu machen.
Es wäre darum hilfreich, sich an den Erwachsenen an der Migros-Kasse zu orientieren. Diese bezahlen ihre Einkäufe im Körbli in der Regel – und legen sich nicht tobend auf den Boden, nur weil ein Artikel nicht mehr in der Lieblingsausführung erhältlich ist.