Sag das doch deinen Freunden!
Ja, ich bin jetzt ein «Hündeler». Und im Gegensatz zu den 20 Prozent, die sich nicht an die Regeln halten, absolviere ich sämtliche obligatorische Kurse. Seit etwas mehr als drei Monaten habe ich einen Mischling namens Hugo zuhause. Noch vor wenigen Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können. Dann war er plötzlich da und ich ziemlich überfordert. Und auch ein bisschen verwundert, weil ich folgendes Prozedere durchlaufen muss:
Empfohlen wird ein Welpenkurs à vier Lektionen plus ein Junghundekurs à zehn Lektionen. Viele Hundeschulen bieten keine praktischen Kurse mit vier Lektionen mehr an. Weil sie überzeugt sind, «auch bei kleinen Hunden braucht es mehr als vier Lektionen, um einen guten Grundstein zu setzen». Der Spass kostet mich bisher:
Alle halten sich, wie gesagt, nicht daran. Dies zeigt der Bericht des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Demnach besucht jeder fünfte Hundehalter die obligatorischen Kurse nicht. Unter ihnen gibt es solche, die sich trotz Busse weigern, in die Hundeschule zu gehen.
Ich war mittlerweile mehr als ein halbes Dutzend Mal dort. Zuerst bin ich kritisch im Kreis gestanden mit den anderen zum Kurs verknurrten Frauen und Männern inklusive ihren Vierbeinern. Wir haben den Theorien der Kursleiterin gelauscht und versucht, es mit unseren Hunden umzusetzen. Die anfänglich negativen Stimmen von wegen Geldmacherei und unnötiger Schikane sind rasch verflogen. Alle sind wir uns jetzt schon einig:
All die Hundebücher, die wir uns angeschafft haben, die Recherchen im Internet, sind zwar schön, in der Praxis funktioniert jedoch jedes Gespann Mensch-Hund verschieden und genau hier helfen die Kurse enorm.
Hugo etwa ist ein durchaus lernfähiges und im Umgang mit Menschen zutrauliches Wesen. Auch spielt er gerne mit anderen Hunden frei. Sieht er allerdings während des Spazierens an der Leine einen Hund und darf nicht zu diesem hin, bellt er. Oft ziemlich laut und lange.
Immer wieder bringt er mich dadurch an den Anschlag, in peinliche Situationen. Allerdings weiss ich dank des Hundekurses jetzt, wie ich das Problem mittelfristig loswerde. Die Kursleiterin brachte mir bei, den angeleinten Hugo konsequent mit Hilfe einer Leberpaste wegzulocken von anderen Hunden. Bellt er nicht, wird er weiter belohnt.
Fahre ich Bus, in dem ich für den Hund im Gegensatz zu einem Kleinkind ein Billett lösen muss, und beobachte Eltern mit ihren sperrigen Kinderwagen, die ebenfalls am Anschlag sind, geht mir regelmässig der Gedanke durch den Kopf:
Sehe ich die überforderten Mütter und Väter, die ihre schreienden und Essen zu Boden werfenden Kinder zu beruhigen versuchen, denke ich an die Zeit mit Hugo vor dem Kurs, in dem ich beweisen muss, dass mein Tier keine Gefahr für die Gesellschaft ist. Daran, wie ich immer wieder versuchte, sein Bellen abzustellen, jedoch kein Mittel fand.
Im Hundekurs lernte ich, dass ein Hund ein Hund ist. Ich lernte, ihm Grenzen zu setzen. Es ist beispielsweise okay, ihn im Büro in einer Ecke für eine Weile anzubinden. Er muss nicht immer um Menschen sein. Es ist hingegen nicht okay, wenn er bellt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb – so wurde mir beigebracht – gehe nie zu ihm, wenn er bellt. Tue ich das, wird er wieder und wieder bellen; weil er dadurch zum Ziel kommt. Es ist wichtig, ihm von Anfang an die Hierarchie klar zu machen. Ich bin der Leitwolf und bestimme, was er zu tun hat und nicht umgekehrt. Mit Kindern ist es im Prinzip doch genau das Gleiche: Viel zu viele Eltern «bibääblen» ihre Kinder und lesen ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab. Wenig verwunderlich, verhalten die sich so.
Auch wenn ich Mensch und Tier auf keinen Fall auf dieselbe Ebene stellen will, auch wenn ich es akzeptiere, dass jede und jeder ein Kind haben darf bei uns, scheue ich den Vergleich nicht und sage: Obligatorische Kurse, in denen Eltern den richtigen Umgang mit Kleinkindern im Alltag lernen vor dem Kindergarten-Alter, wären sinnvoll. Kinder sind zwar nie eine Gefahr für die Gesellschaft, machmal aber eine Zumutung. Dem könnten Kurse mit individuellen Tipps für Eltern entgegenwirken. Vor allem aber würden sie wohl gestresste Eltern samt ihren Kindern entspannter machen.
Durch gezielte Übungen in Alltagssituationen machen Hugo und ich kleine, aber sichtbare Fortschritte. Ich werde noch viel Zeit und Geduld aufbringen müssen. Ich weiss jedoch, was ich in welcher Situation zu tun habe und dass dies über kurz oder lang zum Ziel führen wird. Eine auf meinen Hund zugeschnittene Lösung fand ich nirgendwo anders als im Hundekurs. Deshalb verstehe ich all die Verweigerer nicht und begrüsse das Hundekurs-Obligatorium, das es in der Schweiz seit 2008 gibt.
Damit stehe ich übrigens nicht alleine da. Laut dem BLV-Bericht geben Hundebesitzer, welche die obligatorischen Kurse besucht haben, diesen grundsätzlich gute Noten. Viele von ihnen besuchen im Anschluss gar freiwillig weitere Kurse.
PS: Hugo ist ein «Wunsch-Hund», kein Kinderersatz.