20 Jahre, nachdem «Die Ärzte» mit «Männer sind Schweine» die deutschen Charts stürmten, ist die Parole nun auch in der politischen Debatte salonfähig geworden. Wobei die Wortwahl inzwischen noch eine Stufe drastischer ausfällt – man muss schliesslich mit der Zeit gehen: «Männer sind Müll», heisst es neu. Die Ironie ist weg, dafür geht die Alliteration wunderbar leicht von den Lippen.
Der Hashtag #MenAreTrash trendet gerade auf Twitter. Unter dem Eindruck eines Wochenendes, das von Gewalt gegen Frauen geprägt war, verbreiten auch Schweizer Meinungsführer wie SP-Nationalrat Cédric Wermuth die Losung weiter. Es gehe ihm darum, das Konzept von Männlichkeit, das «voller Gewalt und Dominanz» sei, zu kritisieren – und nicht um die einzelnen Männer, sagte er zu watson.
Natürlich sei die Aussage pauschalisierend, so Wermuth weiter. Offenbar komme man in dem Fall jedoch nicht darum herum, den Zweihänder auszupacken – schliesslich seien bisher alle anderen Versuche, auf den Zusammenhang zwischen systematischer Gewalt an Frauen und Rollenbildern hin, ungehört verhallt.
Nun: Eine klare Sprache ist in der Politik der Schlüssel zum Erfolg. Das weiss keiner besser als Kommunikationsprofi Wermuth, der in der SP massgeblich zu einem neuen, populäreren Stil beigetragen hat – und den Sozialdemokraten damit auf die Erfolgsstrasse zurückverhalf. «Als ich der SP beigetreten bin, hatte ich teilweise das Gefühl, wir machen keine Wahlkampagnen, sondern Bewerbungen für den Vorkurs der Kunsthochschule», brachte der Aargauer den Wandel in seiner Partei unlängst in einem watson-Interview auf den Punkt.
Im aktuellen Fall sind der SP-Mann und seine Mitstreiter aber übers Ziel hinausgeschossen.
Die Zuspitzung «Männer sind Müll» ist nicht zulässig. Menschen sind kein Müll. Und erst recht wirkt die Formulierung befremdlich aus dem Mund von einem, der sonst bei jeder Gelegenheit die Unantastbarkeit der Menschenwürde betont und Political Correctness grossschreibt.
Ein einfaches Gedankenexperiment: Wie wären die Reaktionen wohl ausgefallen, hätte nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo jemand «Muslime sind Müll» getwittert? Sicher: Die Gewalt und der Herrschaftsanspruch des radikalen Islamismus sind in aller Schärfe zu verurteilen. Wer jedoch gegen alle Muslime schiesst, um diesen Punkt zu verdeutlichen, darf mit Fug und Recht als Hetzer bezeichnet werden.
Selbst wenn die Botschaft von #menaretrash bis zur ersten Sekunde seines Gebrauchs falsch gewesen wäre, hätten ihn originellerweise die Reaktionen darauf rehabilitiert. Fakt ist: Wir haben ein gröberes Problem mit unserem Konzept von Männlichkeit.
— Cédric Wermuth (@cedricwermuth) 16. August 2018
Dabei ist es egal, wie gehässig die Reaktionen auf die Männer-sind-Müll-Kampagne ausgefallen sind (ein Umstand, den Wermuth als Beleg dafür nimmt, dass der Hashtag eben doch seine Berechtigung hat). Und es hilft auch nicht, spöttisch zu bemerken, dass die Aufforderung #MenPleaseReflectonYourBehavior («Männer, bitte denkt über euer Verhalten nach») auf Twitter ganz bestimmt durch die Decke gegangen wäre.
bestimmt wäre der hashtag #menpleasereflectonyourbehavior viel besser angekommen als #menaretrash, wir wissen ja aus der vergangenheit dass aktivismus umso besser funktioniert umso freundlicher er ist pic.twitter.com/q1SVqqTefM
— ☂️ Straftaten Gut ☂️ (@fireantprincess) 16. August 2018
Wer die Hälfte der Bevölkerung pauschal aufgrund biologischer Merkmale abwertet, sät neuen Hass anstatt den alten zu bekämpfen.
Die strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Frauen müssen mit aller Entschlossenheit angegangen werden. Freundlichkeit ist in der Debatte nicht vonnöten – aber ein Mindestmass an Respekt.