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Männer sind kein Müll

Nicht zu verwechseln: Abfall und Mann. 
Nicht zu verwechseln: Abfall und Mann. bild: unsplash.com
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Männer sind kein Müll

Für Zuspitzungen sind Politiker immer zu haben – und wir Journalisten sowieso. Der Hashtag #menaretrash ist jedoch menschenverachtend und dient der Sache nicht.
17.08.2018, 06:1118.08.2018, 06:38
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20 Jahre, nachdem «Die Ärzte» mit «Männer sind Schweine» die deutschen Charts stürmten, ist die Parole nun auch in der politischen Debatte salonfähig geworden. Wobei die Wortwahl inzwischen noch eine Stufe drastischer ausfällt – man muss schliesslich mit der Zeit gehen: «Männer sind Müll», heisst es neu. Die Ironie ist weg, dafür geht die Alliteration wunderbar leicht von den Lippen.

Der Hashtag #MenAreTrash trendet gerade auf Twitter. Unter dem Eindruck eines Wochenendes, das von Gewalt gegen Frauen geprägt war, verbreiten auch Schweizer Meinungsführer wie SP-Nationalrat Cédric Wermuth die Losung weiter. Es gehe ihm darum, das Konzept von Männlichkeit, das «voller Gewalt und Dominanz» sei, zu kritisieren – und nicht um die einzelnen Männer, sagte er zu watson.

Natürlich sei die Aussage pauschalisierend, so Wermuth weiter. Offenbar komme man in dem Fall jedoch nicht darum herum, den Zweihänder auszupacken – schliesslich seien bisher alle anderen Versuche, auf den Zusammenhang zwischen systematischer Gewalt an Frauen und Rollenbildern hin, ungehört verhallt.

Nun: Eine klare Sprache ist in der Politik der Schlüssel zum Erfolg. Das weiss keiner besser als Kommunikationsprofi Wermuth, der in der SP massgeblich zu einem neuen, populäreren Stil beigetragen hat – und den Sozialdemokraten damit auf die Erfolgsstrasse zurückverhalf. «Als ich der SP beigetreten bin, hatte ich teilweise das Gefühl, wir machen keine Wahlkampagnen, sondern Bewerbungen für den Vorkurs der Kunsthochschule», brachte der Aargauer den Wandel in seiner Partei unlängst in einem watson-Interview auf den Punkt.

Im aktuellen Fall sind der SP-Mann und seine Mitstreiter aber übers Ziel hinausgeschossen.

Ein einfaches Gedankenexperiment: Wie wären die Reaktionen wohl ausgefallen, hätte nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo jemand «Muslime sind Müll» getwittert?

Die Zuspitzung «Männer sind Müll» ist nicht zulässig. Menschen sind kein Müll. Und erst recht wirkt die Formulierung befremdlich aus dem Mund von einem, der sonst bei jeder Gelegenheit die Unantastbarkeit der Menschenwürde betont und Political Correctness grossschreibt.

Und was hältst du von dem Hashtag #MenAreTrash?

Ein einfaches Gedankenexperiment: Wie wären die Reaktionen wohl ausgefallen, hätte nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo jemand «Muslime sind Müll» getwittert? Sicher: Die Gewalt und der Herrschaftsanspruch des radikalen Islamismus sind in aller Schärfe zu verurteilen. Wer jedoch gegen alle Muslime schiesst, um diesen Punkt zu verdeutlichen, darf mit Fug und Recht als Hetzer bezeichnet werden.

Freundlichkeit ist in der Debatte nicht vonnöten – aber ein Mindestmass an Respekt.

Dabei ist es egal, wie gehässig die Reaktionen auf die Männer-sind-Müll-Kampagne ausgefallen sind (ein Umstand, den Wermuth als Beleg dafür nimmt, dass der Hashtag eben doch seine Berechtigung hat). Und es hilft auch nicht, spöttisch zu bemerken, dass die Aufforderung #MenPleaseReflectonYourBehavior («Männer, bitte denkt über euer Verhalten nach») auf Twitter ganz bestimmt durch die Decke gegangen wäre.

Wer die Hälfte der Bevölkerung pauschal aufgrund biologischer Merkmale abwertet, sät neuen Hass anstatt den alten zu bekämpfen.

Die strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Frauen müssen mit aller Entschlossenheit angegangen werden. Freundlichkeit ist in der Debatte nicht vonnöten – aber ein Mindestmass an Respekt.

Tausch dich mit Andersdenkenden aus – und beantworte folgende Frage:

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153 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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plaga versus
17.08.2018 06:25registriert November 2015
Ich gehöre wohl zu der sprachlosen Mehrheit. Ich weiss nicht, was ich sagen soll und was ich ich tun soll.

Ganz ernst. Was. Soll. Das.
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sealeane
17.08.2018 07:05registriert November 2017
Ja es gibt Probleme mit unserer "Männlichkeitskultur" und das hat nichts mit gleichmacherei zu tun (ich mag unterschiede die brauchts es auch). Aber ich habe schon den Eindruck das sich viele Männer eigentlich verunsichert fühlen. Und sich deshalb an einem verdrehten Männerbild orrientieren.

DENNOCH dieser Hashtag IST Müll. Das hat für mich auch nichts mit provozieren zu tun, sondern ist abwertend. Der erste Artikel dazu war kaum lesbar... Mit käme es nie in den Sinn soetwas über Frauen zu sagen. Auf dieser Ebene kann keine Disskusion stattfinden, im Gegenteil.
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Theor
17.08.2018 08:57registriert Dezember 2015
Ich glaube, der beste Umgang mit dem aktuellen Trend ist ebenfalls ein zutiefst männlicher:

"Mit den Schultern zucken und sich wieder um Wichtigeres kümmern."
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Scroll dich durch den Stauporn – und du wirst schneller (vorwärts-)kommen
Sie ist fast so bekannt (und zuverlässig) wie das Schweizer Sackmesser: die Blechlawine vor dem Gotthard an Festtagen im Frühling. Und das schon seit Jahren. Eine kurze Zeitreise gegen die Langeweile.

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