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China-Besuch: Schluss mit der Menschenrechts-Heuchelei!

epa05721846 China's President Xi Jinping (L) and Swiss Federal President Doris Leuthard (L-3) arrive for a business roundtable event for Swiss business leaders in Bern, Switzerland, 16 January 20 ...
Business über alles: Xi Jinping (l.) und Doris Leuthard beim Treffen mit Vertretern der Schweizer Wirtschaft.Bild: EPA/KEYSTONE POOL
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China und die Menschenrechte: Schluss mit der Heuchelei!

Chinas Präsident Xi Jinping wurde von der offiziellen Schweiz hofiert, während die Polizei Jagd auf tibetische Demonstranten machte. Höchste Zeit, die Menschenrechts-Heuchelei zu beenden. Im Umgang mit China geht es nur ums Geschäft.
17.01.2017, 09:3018.01.2017, 08:40
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Solche Bilder kennt man aus der Türkei, oder aus Weissrussland. In der Schweiz will man sie eigentlich nicht sehen. Genau das aber spielte sich am Sonntag ab, auf dem Bärenplatz in Bern. Polizisten in Kampfmontur gehen auf drei junge Frauen tibetischer Abstimmung los. Kollege Philipp Mäder von der «Schweizer Illustrierten» hat es mit Foto und Video auf Twitter dokumentiert.

Die Aktion der jungen Tibet-Aktivisten war nicht bewilligt, sie fand nach der offiziellen Kundgebung statt. Ihr erklärtes Ziel war es, die Ankunft von Chinas Staatschef Xi Jinping auf dem Bundesplatz zu stören. Rechtfertigt das aber das harte Eingreifen der Berner Polizei? Laut der Zeitung «Bund» wurde sogar eine junge Frau aufgefordert, eine vor ihrem Fenster hängende Tibet-Flagge zu entfernen, weil ihr Haus an der Anfahrtsroute zum Bundeshaus lag.

Das Problem «löste» sich, nachdem die Route geändert wurde. Es wäre keine Überraschung, wenn dies einzig wegen des umstrittenen Stofffetzens geschehen wäre. Die Rechtsgrundlage für die von der Polizei geforderte Entfernung war ohnehin mehr als wackelig. Was aber sagte der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) zum Vorgehen seiner Truppe? «Die Stadt Bern hat versucht, eine gute Balance zu wahren zwischen der Meinungsäusserungsfreiheit und den völkerrechtlichen Verpflichtungen einem ausländischen Staatsgast gegenüber.»

Letzte Woche hatte sich Nause gegenüber dem «Bund» ehrlicher geäussert: Für die Schweiz stehe «wirtschaftlich einiges auf dem Spiel». Nichts soll den Geschäftsgang mit der Volksrepublik China beeinträchtigen, der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt und drittgrössten Handelspartnerin der Schweiz. Schon gar nicht demonstrierende Tibeter. Migmar Dhakyel, Mediensprecherin des Vereins Tibeter Jugend in Europa, bezeichnete dies im watson-Interview als «Schande».

Man kann die offizielle Schweiz teilweise verstehen. Der Eklat beim Staatsbesuch des damaligen Präsidenten Jiang Zemin 1999 sollte sich keinesfalls wiederholen. Kaum etwas ist für die Chinesen schlimmer als der Gesichtsverlust. Und es stimmt, fast alle westlichen Staaten verhalten sich kriecherisch gegenüber dem riesigen Wirtschaftswunderland. Man ist fast froh um die härteren Töne des neuen US-Präsidenten Donald Trump, auch wenn ihm die Menschenrechte egal sind.

People with Chinese flags and banners are waiting in front of the House of Parlament for the visit of China's President Xi Jinping (not pictured) to Switzerland, in Bern, on Sunday, January 15, 2 ...
Pro-China-Demonstranten: Sie durften auf den Bundesplatz.Bild: KEYSTONE

Die etwas gar wolkigen Hoffnungen, der wachsende Wohlstand in China werde zu mehr Freiheit führen, haben sich nicht erfüllt, im Gegenteil. Heute ist die Repression so gross wie nie seit dem Tiananmen-Massaker 1989. Das einzige Ziel der Kommunistischen Partei ist der Machterhalt. Mit wachsendem Wohlstand aber werden die Menschen kritischer und anspruchsvoller. Deshalb greift die Partei durch und sperrt Menschen jahrelang ein, weil sie mehr Freiheit fordern.

Die Schweiz kann daran kaum etwas ändern. Sie will es auch nicht. Deshalb sollte sie ehrlich sein und die Menschenrechte bei künftigen Gesprächen mit der chinesischen Regierung gar nicht mehr erwähnen. Und sie sollte die Alibiübung namens Menschenrechtsdialog einstellen. Alles andere ist pure Heuchelei. Und nebenbei könnte sie dem Dalai Lama zu verstehen geben, dass seine Besuche bei der grössten Tibetergemeinde Europas nicht länger erwünscht sind.

Geschehen wird das nicht. Eher wird die offizielle Schweiz sich selbst und die Menschen weiter belügen, das Schicksal der unterdrückten Chinesen und Tibeter liege ihr am Herzen. Während sie sich dem einzigen Thema widmet, das sie wirklich interessiert: Dem Business.

China soll chinesischer werden

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China soll chinesischer werden
Kein Land bewundern und beneiden die Chinesen so sehr wie die USA. Dass sich mit dieser Obsession auch Geld verdienen lässt, haben Chinas Immobilienunternehmer verstanden. Das ist der Grund, warum so viele neue Hochhausparks, Bürotürme und Shopping-Malls in China auch englische Namen tragen. So wie das futuristische Einkaufszentrum «Galaxy Soho» hier in Peking.
quelle: imaginechina / tian zhe
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91 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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CreatorsWolf
17.01.2017 11:34registriert April 2015
Jaja heuchlerisch, dann könnte die offizielle Schweiz sich auch fragen ob sie noch amerikanische Staatvertreter empfängt, einem Land was seit Jahrzehnten Völkerrecht bricht, illegale Angriffskriege führt und ausländische Regierungen wegputscht. Hinter der Menschenrechtsfassade geht es doch immer um wirtschaftliche Macht bei China ist dies halt einfacher zu durchschauen.
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Wilhelm Dingo
17.01.2017 10:26registriert Dezember 2014
Theoretisch hat Peter Blunschi recht, aber wir leben in der Realität. Warum nicht gute Geschäftskontakte zu China pflegen und gleichzeitig für Menschenrechte einstehen? So können wir selber entsheiden, wem wir Asyl gewähren (Tibeter) oder welche Personen wir wie empfangen wollen. Diesen Balanceakt als Heuchelei abzutun ist einfach zu billig.
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Der Beukelark
17.01.2017 10:25registriert Januar 2016
Schön ist das nicht. Aber mal ganz objektiv betrachtet, wie erreicht man wohl mehr? 1. Im Dialog bleiben und Mikrodosen an Kritik äussern, oder 2. Diplomatische Beziehungen aufs Spiel setzen und von China in Zukunft ignoriert werden? Ich schätze unseren Bundesrat als schlau genug ein, um die Situation richtig beurteilen zu können.
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