Schweiz
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Ständerat stimmt für Lohnanalysen und lässt die CVP-Männer im Regen stehen

Pirmin Bischof, CVP-SO, links, und Konrad Graber, CVP-LU, rechts, sprechen miteinander an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 13. Dezember 2017 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/ ...
Pirmin Bischof und Konrad Graber haben sich mit ihrer Rückweisung verrannt.Bild: KEYSTONE
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In der Lohndebatte haben sich die CVP-Männer so richtig blamiert

Ausser Spesen nichts gewesen: Der Ständerat hat die Lohngleichheitskontrollen angenommen, die er vor drei Monaten an die Kommission zurückgeschickt hatte. Die CVP-Männer stehen im Regen.
29.05.2018, 14:4030.05.2018, 05:56
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Im zweiten Anlauf hat es geklappt: Der Ständerat hat am Dienstag eine Änderung des Gleichstellungsgesetzes mit 27 zu 15 Stimmen angenommen. Sie verpflichtet Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen. Ziel ist es, die anhaltende Ungleichheit der Löhne von Mann und Frau zu beseitigen.

Die kleine Kammer zog damit einen vorläufigen Schlussstrich unter das penible Schauspiel, das sie fast genau drei Monate zuvor geboten hatte. Damals war der Ständerat auf die Vorlage eingetreten, um sie sogleich an die vorberatende Kommission zurückzuschicken. Den Antrag hatte der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber eingereicht, und das ohne Vorwarnung.

Damit stiess er bei Kommissionssprecherin Anne Seydoux-Christe (CVP, JU) auf wenig Gegenliebe: «Die Kommission hat seriöse Arbeit geleistet, Herr Graber», belehrte sie ihren Parteikollegen. Besonders empört war die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz. «Ein übles Spiel» sei hier aufgeführt worden, sagte sie zu watson und meinte explizit die Männer aus der CVP.

Öffentliche Hand als Sündenbock

Diese hatten sich tatsächlich stark im Sinne der Rückweisung exponiert. Während Konrad Graber forderte, die Kommission solle Modelle der Selbstdeklaration prüfen, nahmen andere die öffentliche Hand als «Sündenbock» aufs Korn. Denn auch bei Bund, Kantonen und Gemeinden verdienen die Frauen nicht immer gleich viel für gleiche Arbeit wie die Männer.

Der Walliser Beat Rieder regte einen Pilotversuch an, um «zuerst einmal vor der eigenen Tür» zu wischen. Geradezu pathetisch äusserte sich der Solothurner Pirmin Bischof: «Ich möchte für meine zweijährige Tochter dieses Gesetz revidieren; ich möchte dort, wo man etwas machen kann, etwas machen – und das kann man bei der öffentlichen Hand sehr schnell.»

Leuthard findet es «peinlich»

Justizministerin Simonetta Sommaruga rückte die Relationen zurecht: Die Lohngleichheitsanalyse gelte für die öffentliche Hand genauso wie für Private. Die nicht erklärbare Lohndifferenz liege im privaten Sektor bei 7,5 Prozent und im öffentlichen Sektor bei 6,9 Prozent. Die Kommission fand ebenfalls keinen Ansatz zu Verbesserungen, sie hielt mit acht zu vier Stimmen an ihrer Vorlage fest.

Lohngleichheit zwischen Mann und Frau – Fehlanzeige!

Video: srf

Die Winkelzüge ihrer Herren der Schöpfung stiessen in der CVP, die gegen einen anhaltenden Wählerschwund ankämpft, auf wenig Verständnis. «Transparenz hilft. Ich finde es peinlich, dass sich das Parlament so schwer tut damit», sagte Bundesrätin Doris Leuthard in der aktuellen NZZ am Sonntag über die Lohnanalysen.

Die Botschaft kam an. In der Debatte vom Dienstag glänzten die CVP-Männer verbal weitgehend durch Abwesenheit. Pirmin Bischof meldete sich mit einem kurzen Statement und sagte, er könne «mit dieser Lösung leben». Konrad Graber als Urheber der Rückweisung kündigte im Vorfeld im «Blick» an, er werde mit Ja stimmen, «obwohl ich nicht glücklich bin mit dieser Variante».

Weitere Verwässerung befürchtet

Am Ende brachte es Bundesrätin Sommaruga auf den Punkt: In der Politik müsse man manchmal «mit dem halbvollen oder halbleeren Glas hantieren». Ein grosser Wurf ist die Gesetzesrevision tatsächlich nicht. Der Bundesrat wollte die Lohnkontrollen für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden vorschreiben. Es ist zu befürchten, dass die Vorlage im Nationalrat angesichts der Mehrheitsverhältnisse weiter verwässert wird.

Die Gegner aus den Reihen von Bürgerlichen und Wirtschaft verweisen gerne darauf, dass man die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern sollte. Dies nütze den Frauen mehr als die «bürokratischen» Lohnanalysen. Man könnte auch das eine tun und das andere nicht lassen. Vielleicht ist das ein Ansatz für die CVP, um die Scharte aus der Ständeratsdebatte auszuwetzen.

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38 Kommentare
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Bündn0r
29.05.2018 15:16registriert Januar 2018
Die öffentliche Hand arbeitet weitgehend mit tabellierten Standardlöhnen. Eine bevorzugung eines Geschlechts ist so gut wie unmöglich. Trotzdem kommt die Statistik des Bundes auf -6%, auf Kosten der Frauen. Wie soll eine Statistik, die bereits an solch durchschaubaren Lohngebungsrastern scheitert, die komplexere Lohnpolitik in der freien Marktwirtschaft überwachen?
Bei meinem Arbeitgeber verdienen die Frauen übrigens 7% mehr, nach offizieller Statistik. Keiner im Betrieb weiss wie der Wert zustande kommt, aber der Patron hat sich köstlich amüsiert an der letzten Teamsitzung.
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Pogon
29.05.2018 18:02registriert September 2017
"Ich möchte für meine zweijährige Tochter dieses Gesetz revidieren"

Ja dann haben wir ja Glück gehabt dass es kein Junge war! Sonst wär die Lohndifferenz doch kein Problem gewesen.
Wie peinlich.
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Bruno Wüthrich
29.05.2018 17:30registriert August 2014
Mich stört der Unwille der Presse, die Prozentzahlen, die uns immer wieder (auch auf Watson) um die Ohren gehauen werden, zu erklären. Wie kommen die Zahlen zustande? Was wurde berücksichtigt? Was nicht? Gibt es erklär- und nachvollziehbare Gründe für einige Ungleichheiten oder gibt es die nicht.
Die Presse (darunter auch Watson) scheint diesen Fragen nie wirklich auf den Grund gehen oder sie erklären zu wollen.
Meiner Ansicht nach sollte es oberstes Ziel der Presse sein, die Leserschaft korrekt zu informieren und Sachverhalte zu erklären, und erst danach kommt die Beeinflussung.
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