Als «Generation Praktikum» sind sie besonders in den Nachbarländern bekannt: Junge Berufseinsteiger, die gleich viel chrampfen wie Festangestellte, dafür aber einen massiv tieferen Lohn erhalten.
Ob mies bezahlte Praktika auch in der Schweiz zum problematischen Massenphänomen geworden sind, weiss niemand so genau. Offizielle Studien fehlen. Hier will die Grünen-Nationalrätin Lisa Mazzone ansetzen. «Es geht doch nicht, dass wir keine Ahnung haben, was Praktikanten in unserem Land machen und wie sie behandelt werden.» In einem Vorstoss fordert sie deshalb einen Situationsbericht.
Der Bund soll in einer Analyse aufzeigen, wie genau es Unternehmen mit den Lern- und Ausbildungszielen ihrer Praktikanten haben und in welchem Ausmass Praktikanten als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden. Debattiert darüber wird nächste Woche im Parlament.
Auch die Gewerkschaft Unia fordert einen solchen Überblick: «Praktika werden hierzulande total stiefmütterlich behandelt», sagt Jugendsekretärin Kathrin Ziltener. «Wer weiss, wie viele Praktika missbraucht werden, um eine Anstellung hinauszuzögern? Wie viele unterbezahlt sind? Niemand.»
Es sei auch unklar, was für Arten von Praktika überhaupt existierten. Denn für die einen ermöglicht das Praktikum den Einstieg ins Berufsleben, für andere ist es ein obligatorischer Teil des Studiums; es gibt Praktika, die vor einer Lehre verlangt werden, solche für Langzeitarbeitslose, et cetera. Ziltener: «Kurz gesagt: Wir wissen es nicht. Es gibt dafür schlicht und einfach zu wenige statistische Daten.» Im Berufsalltag werde jedoch deutlich, dass Praktika bereits vor der Lehre stark zunehmen und dass viele Praktikanten zu sehr tiefen Löhnen arbeiten, ergänzt sie.
In Italien, Frankreich und Deutschland ist das Phänomen «Generation Praktikum» bestens bekannt und untersucht. In Deutschland gibt es gar ein Mindestlohngesetz, dem auch Praktikanten unterstellt sind. In der Schweiz ist es nicht das erste Mal, dass sich das Parlament mit Praktika auseinandersetzt. Entsprechende Vorstösse kamen bereits von links wie rechts.
So forderte SVP-Nationalrat Thomas Aeschi eine maximale Praktikumszeit von einem Jahr und scheiterte damit sowohl im Bundesrat wie im Nationalrat. Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard will für Praktikanten unter anderem einen Mindestlohn festlegen – sein Vorstoss ist im Parlament hängig.
Der Bundesrat hatte für diese Rufe bisher jedoch kein Gehör. Das unterstrich er auch in seiner Antwort an Lisa Mazzone: Eine aufwändige Erhebung in einem nationalen Bericht über Praktika sei unnötig. Er verweist auf eine Studie zur Praktikasituation von Hochschulabgängern, die laut ihm beweist, dass die Situation nicht besorgniserregend sei. Danach absolvieren lediglich 1,2 Prozent aller Arbeitnehmenden ein Praktikum. Ohnehin unterlägen auch Praktika dem schweizerischen Arbeitsrecht und somit denselben gesetzlichen Schutzbestimmungen wie alle anderen Arbeitsverträge. Es bestehe somit keinen Bedarf, «in einer aufwändigen Erhebung einen nationalen Bericht über Praktika zu erstellen.»
Unia-Jugendsekretärin Kathrin Ziltener bezeichnet diese Erläuterungen als «fadenscheinig»: «Der Bundesrat verkennt dabei, dass es verschiedene Formen von Praktika gibt und bezieht sich hier nur auf Hochschulabgänger. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2017 zeige, dass sich 9,3 Prozent der 15-24-Jährigen in einem Praktikumsverhältnis befinden. «Was durchaus darauf hindeutet, dass die Problematik nicht zu negieren ist.»
Auch Mazzone zeigt sich wenig begeistert von der Stellungnahme des Bundesrats. Sie spricht von einem möglichen «Clash of Generations»: «Die Antwort des Bundesrates ist abgehoben und fern von der Realität. Die ‹Generation Praktikum› ist eine Tatsache, das zeigt der Berufsalltag.»
Anders als frühere Vorstösse zum Thema beantrage sie zudem lediglich einen Situationsbericht und keine Massnahmen – jedenfalls in einem ersten Schritt. «Nicht hinzuschauen, wie die Lage derzeit ist, kann sich das Parlament nun wirklich nicht leisten.»