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Von Basler Türsteher geoutet – Transfrau erhebt schwere Vorwürfe

Video: watson

Gefährliches Fremd-Outing im Basler Ausgang: Eine Transfrau wehrt sich

Am Sonntag geht ein Instagramvideo einer jungen Frau viral. Sie schildert unschöne Erfahrungen, die sie als queere Person in einem Basler Club gemacht hat.
07.12.2022, 14:5308.12.2022, 17:59
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Die junge Frau wirkt sichtlich aufgewühlt, ins Video startet sie mit einem tiefen Seufzer. Darin wird Folgendes berichtet: Die Baslerin und eine Freundin von ihr, die ebenfalls trans ist, seien angestanden, um in den Club zu kommen. Vor ihnen standen zwei junge Männer an, die vom Türsteher abgewiesen wurden. Die Männer hätten dann behauptet, dass sie gemeinsam mit den zwei Frauen den Club besuchen würden.

Die zwei Frauen blockten ab und erklärten, dass das kein gemeinsamer Clubbesuch sei. Dann habe der Türsteher etwas gesagt, das die junge Frau wütend machte. Er habe den zwei Männern in der Schlange in etwa Folgendes gesagt: «Ihr wisst schon, dass die zwei biologisch gesehen Männer sind.»

Alle Menschen, die am Anstehen waren, hätten die Aussage des Türstehers gehört. Das fand die junge Baslerin nicht in Ordnung, ihre Geschlechtsidentität habe niemanden zu interessieren und sei ihre Privatsache. Das sei nicht das einzige negative Erlebnis, welches sie in diesem Club als Transperson erlebten musste.

So äussert sich die junge Baslerin auf Instagram

Video: watson

Während eines anderen Clubbesuchs sei die junge Frau sexuell belästigt worden. Sie sei auf einen Sicherheitsmitarbeiter zugegangen und habe ihn auf den Vorfall hingewiesen. Dieser habe ihr erklärt, dass sie damit klarkommen solle. Sie sei schockiert gewesen von dem Verhalten. Sie habe sich hilflos gefühlt, denn die Sicherheitsmitarbeitenden seien ja genau für solche Vorfälle im Club: zum Schutz der Besucherinnen und Besucher.

Im Video ist zudem von einem dritten und vierten Vorfall die Rede. Erneut hätten sich Mitarbeiter des Clubs das Recht herausgenommen, sie als trans zu outen. Es kam laut ihr mehrmals vor, dass in ihre Privatsphäre eingedrungen wurde. Und zwar ausgerechnet wieder von den Menschen, die ebendiese Privatsphäre hätten schützen müssen.

«Wir bedauern die uns vorgeworfenen Vorfälle zutiefst, nehmen dies sehr ernst und sind daran, den Fall intern aufzuarbeiten.»
Balz Klub

Die Vorwürfe der Frau richten sich an den Balz Klub. Für die Betreiber ist klar, dass diese Vorwürfe und mögliche Vorkommnisse aufgearbeitet werden müssen. Auf Anfrage von watson formuliert die zuständige Person eine schriftliche Stellungnahme, die auch auf Social Media publiziert wurde. Dem Club liege sehr viel daran, dass sich alle Leute sicher und akzeptiert fühlten. Ein kooperatives Vorgehen wird vorgeschlagen: «Wir bedauern die uns vorgeworfenen Vorfälle zutiefst, nehmen dies sehr ernst und sind daran, den Fall intern aufzuarbeiten (...) Die betroffene Person wurde von uns kontaktiert und zu einem klärenden Gespräch eingeladen, bei dem wir uns auch persönlich entschuldigen werden.»

Keine strafrechtliche Verfolgung möglich

Der Club zeigt sich versöhnlich und ein mögliches Fehlverhalten wird nicht a priori ausgeschlossen. In diesem Fall scheint man einsichtig zu sein. Doch das Video regt zum Nachdenken an. Denn harmlos sind solche Grenzüberschreitungen nicht: Wer fremd-geoutet wird, kann sogar die Persönlichkeitsverletzung zivilrechtlich einklagen. Falls eine Widerrechtlichkeit des Verhaltens festgestellt werden kann, kann gegebenenfalls Genugtuung eingefordert werden.

Ein strafrechtliches Vorgehen gegen ein Fremd-Outing ist aktuell aber nicht möglich. Zwar wurde 2020 die Antirassismus-Strafnorm im Strafgesetzbuch angepasst und homo- und bifeindliche Handlungen und Äusserungen sind nun strafbar. Doch da es kein Verbot von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität gibt, können Transmenschen bei transfeindlichen Äusserungen und Handlungen in den meisten Fällen lediglich zivilrechtlich vorgehen.

Laut dem Verein humanrights.ch leben in der Schweiz rund 40'000 Transmenschen. Gemäss der Schweizer Organisation «Transgender Network Switzerland» gehen andere Schätzungen allerdings von deutlich höheren Zahlen aus. Bis zu drei Prozent der Bevölkerung könnten Transmenschen sein.

Fremd-Outing kann gefährlich sein

Fast 50 Prozent ebendieser Transpersonen in der Schweiz wurden schon einmal fremd-geoutet. Wie viele davon mehrmals fremd-geoutet wurden, so wie im Fall der jungen Baslerin, ist unklar. Je nach Kontext kann es auch sein, dass eine Transperson nicht böswillig fremd-geoutet wird, sondern aufgrund von strukturellen Bedingungen, beispielsweise bei einer Passkontrolle. Ein solches Outing, egal ob absichtlich oder unabsichtlich, ist für die Betroffenen unangenehm und kann verletzend sein. Doch es geht weit über das hinaus: Für Transmenschen kann ein Fremd-Outing auch gefährlich sein.

Jedes Fremd-Outing könnte potenziell eine Gefahr darstellen. Denn oft ist es nicht abschätzbar, wie das Gegenüber auf das Outing reagiert. Wenn man mit einer Person ins Gespräch kommt, ist im Vorhinein meistens unklar, welche Haltung diese Person gegenüber Transmenschen hat. Das Gegenüber könnte in der Begegnung mit einer Transfrau eine Bedrohung für seine Männlichkeit sehen.

Transmenschen werden weltweit vermehrt Opfer von Gewaltdelikten. 327 Trans- und gender-diverse Menschen wurden weltweit zwischen dem 1. Oktober 2021 und dem 30. September 2022 ermordet. Ein Bericht des Netzwerks Transgender Europe zeigt auch, dass in diesem Zeitraum zum ersten Mal der Mord an einer Transfrau in der Schweiz in den Systemen erfasst wurde.

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132 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Unicron
07.12.2022 15:07registriert November 2016
"Das Gegenüber könnte in der Begegnung mit einer Transfrau eine Bedrohung für seine Männlichkeit sehen"

Man(n) muss schon ein extrem verletzliches Ego haben um sich gleich bei jeder Gelegenheit in seiner Männlichkeit verletzt zu fühlen.
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Q.E.D.
07.12.2022 15:25registriert Dezember 2021
Nehmen wir an, man kommt sich näher.

Ist es trans-feindlich, wenn ich die Person frage, was er/sie zwischen den Beinen trägt (natürlich anders formuliert), um sicher zu gehen, dass ich mich auf das einlasse, was auch ich möchte?

Ist keine wertende Frage. Ich möchte nur wissen, wie das andere handhaben würden.
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Cosmopolitikus
07.12.2022 15:14registriert August 2018
Der Klub hat immerhin gut reagiert und zeigt eine positive Reaktion.
Was mich aber noch mehr beschäftigt, sind die Reaktionen der Securities. Schade, dass auch dort schwarze Schafe arbeiten, die dem Ruf der Branche nicht förderlich sind. Manchmal ist eben Hirnschmalz wichtiger als Muskelmasse.
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