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SDA-Verwaltungsrat: «Kantone haben kein Recht auf einen gratis Rundumservice»

Matthias Aebischer, SP-Nationalrat, Mitte rechts, demonstiert mit Journalistinnen und Journalisten der Schweizerischen Depeschenagentur SDA (ATS) und Gewerkschaftsvertretern gegen den geplanten Stelle ...
Politiker und Journalisten demonstrieren gegen den geplanten Abbau bei der SDA.Bild: KEYSTONE

SDA-Verwaltungsrat: «Kantone haben kein Recht auf einen gratis Rundumservice»

Bei der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) brodelt es weiter. Die Verhandlungen zwischen Verlag und Redaktion sind geplatzt. Im Interview fordert Verwaltungsrats-Mitglied Matthias Hagemann, dass der Bund der kriselnden Nachrichtenagentur mit vier Millionen Franken unter die Arme greift.
21.02.2018, 07:1621.02.2018, 17:44
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Herr Hagemann, bei der SDA will einfach keine Ruhe einkehren. Nun sind die Verhandlungen mit der Redaktion nach vier Runden geplatzt. Wie kam es dazu?
Matthias Hagemann: Das frage ich mich auch. Wir starteten mit einem grosszügigen Sozialplan und machten während der Verhandlungen sogar noch weitere Zugeständnisse. Ich hegte wirklich die Hoffnung, dass wir den Streit bald beilegen können.

Worauf führen Sie es zurück, dass die Redaktion nicht eingestiegen ist auf den «grosszügigen Sozialplan» über 2,5 Millionen Franken?
Das ist mir wirklich auch ein Rätsel. Konkret geht es um 12 Frühpensionierungen und acht Kündigungen ohne Anschlusslösung. Für diese steht ein grosser Teil der 2,5 Millionen Franken zur Verfügung, das ist ein sehr gutes Angebot. Ich will niemandem etwas unterstellen. Aber ich hatte persönlich den Eindruck, dass die Gewerkschafter gegen Schluss komplett das Zepter übernommen haben – und ihre eigene Profilierung über die Interessen der Redaktion stellten.

Matthias Hagemann
Matthias Hagemann ist Mitglied des SDA-Verwaltungsrates. Bild: basilisk.ch
«Das Interview war geradezu darauf angelegt, Herrn Schwab schlecht aussehen zu lassen.»

Am Anfang des Streits stand ein Interview, das Ihr CEO Markus Schwab der «NZZ am Sonntag» gegeben hatte. Darin sagte er, die SDA sei keinem Service-public-Gedanken verpflichtet. War diese Aussage ein Fehler?
Das Interview war geradezu darauf angelegt, Herrn Schwab schlecht aussehen zu lassen. Man muss wissen, dass es von einem ehemaligen SDA-Journalisten geführt wurde. Er hat gewisse Aussagen stark zugespitzt.

Und diese Zuspitzungen sind Ihren Kommunikationsleuten beim Gegenlesen durch die Lappen gegangen? Oder wurden die Kürzungen erst nach der Autorisierung vorgenommen?
Das weiss ich nicht.

Eine der Hauptforderungen der Redaktion bleibt, dass sich der Verwaltungsrat zum Service-public-Charakter der SDA bekennt. Tun Sie das?
Da muss man sehr präzis sein: Die SDA hat keinen Service-public-Auftrag – von wem auch? Sie ist ein privates Unternehmen, das von den Verlagen zu Selbsthilfezwecken gegründet worden war. Der Service-public-Gedanke beschränkt sich auf den Basisdienst: Dieser wird mehrsprachig betrieben, obwohl etwa der französische Dienst massiv defizitär ist. Das ist meiner Meinung nach Servic public in Reinkultur.

«Allerdings haben die Kantone kein Recht auf einen gratis Rundumservice der SDA.»

Um diese Leistungen bangen nun die Kantone. So äusserten etwa die Basler und die Bündner Regierung die Befürchtung, dass es der SDA nach der Sparrunde nicht mehr möglich sein wird, umfassend aus ihren Regionen zu berichten. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass Grund zur Sorge besteht. Allerdings haben die Kantone kein Recht auf einen gratis Rundumservice der SDA. Wenn die Regierungen wollen, dass in jeder Parlamentsdebatte ein SDA-Journalist anwesend ist, dann müssen sie halt auch bereit sein, dafür zu bezahlen. Das Angebot in den Regionen wird aber auch nach der Restrukturierung sehr gut sein.

Ganz konkret: In welchem Ausmass wird die SDA nach der Sparrunde noch in der Lage sein, über Ereignisse in den Regionen zu berichten?
In dem Ausmass, wie es unsere Kunden wollen und bereit sind, dafür zu zahlen.

«Nur eine multimediale Medienagentur wird in Zukunft noch eine Daseinsberechtigung haben, das ist die feste Überzeugung des Verwaltungsrates.»

Sie streichen 35 von 150 Vollzeitstellen, bevor überhaupt eine redaktionelle Strategie für die Zukunft vorliegt. Kommt dieses Vorgehen aus strategisch-unternehmerischer Sicht nicht einer Bankrotterklärung gleich?
Im Gegenteil! So macht das ein Unternehmer: Er schaut, dass er Ende Jahr herauskommt. Eine redaktionelle Strategie zu erarbeiten, wird Aufgabe der Chefredaktion sein – und sie arbeitet daran. Sicher ist, dass wir dank der Fusion mit Keystone vermehrt multimediale Leistungen anbieten werden. Denn nur eine multimediale Medienagentur wird in Zukunft noch eine Daseinsberechtigung haben, das ist die feste Überzeugung des Verwaltungsrates. Die Nachfrage nach blossen Texten nimmt ab.

Ist die Fusion mit Keystone nicht gerade der Grund dafür, dass die SDA nun so radikal fit getrimmt werden muss?
Nein. Der Grund dafür ist das klar geäusserte Bedürfnis der Kunden, weniger zu zahlen für die Leistungen der Nachrichtenagentur. Die Verlage machen schwierige Zeiten durch, fast alle Redaktionen im Land unterstehen einem Sparbefehl.

Im eingangs erwähnten «NZZ am Sonntag»-Interview sagte Markus Schwab, dass er vor rund einem halben Jahr bemerkt habe, dass die Kunden mit dem Angebot der SDA unzufrieden sind. Lief da nicht etwas gewaltig schief? Schwab ist seit fünfzehn Jahren CEO!
Markus Schwab leitet die SDA seit fünfzehn Jahren mit viel Umsicht und Können. Nur deshalb blieben wir bislang vor grösseren Sparübungen verschont. Was wir nicht sehen konnten, war, wie stark sich die Situation bei den Verlagen im letzten Jahr verschärft hat. Alle Zeitungen hofften nach dem Krisenjahr 2016, dass die Talsohle bei den Einnahmerückgängen bald erreicht ist. Doch stattdessen nahm der Druck im Herbst exponentiell zu.

Schwabs Aussagen haben die Redaktion nachhaltig verärgert. Ist er der richtige Mann, um die SDA nach der Restrukturierung in die Zukunft zu führen?
Ja. Der Verwaltungsrat hat Markus Schwab gestern ausdrücklich sein Vertrauen ausgesprochen. Er ist ein exzellenter CEO und der richtige Mann für diese Aufgabe. Die Redaktion sollte in Ruhe auch daran denken, wie sehr er ihr in den letzten Jahren den Rücken frei gehalten hat. Wenn es danach trotzdem Journalisten gibt, die nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten möchten, kennen wir ja in der Schweiz einen freien Arbeitsmarkt.

«Der Streik hat dem Image der SDA Schaden zugefügt. Zudem wird er uns auch finanziell in die Bredouille bringen.»

Wie geht es nun, nach dem Scheitern der Verhandlungen, weiter?
Wir haben die Einigungsstelle des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) angerufen und hoffen, so zu einer Lösung zu gelangen. Während des Einigungsverfahrens besteht eine 45-tägige Friedenspflicht, das heisst, ein weiterer Streik der Redaktion wäre widerrechtlich. Dies gilt unserer Meinung nach schon seit Einreichung des Gesuchs.

Ende Januar hat die Redaktion ihre Arbeit bereits während vier Tagen niedergelegt. Welche Folgen wird der Streik für das Unternehmen haben?
Der Streik hat dem Image der SDA Schaden zugefügt. Zudem wird er uns auch finanziell in die Bredouille bringen. Unsere Kunden zahlen dafür, dass wir eine Leistung erbringen. Nun haben wir diese Leistung eines Morgens plötzlich ohne Vorwarnung nicht mehr erbracht. Ich befürchte, dass die Kunden reagieren und Schadensersatzforderungen stellen werden. Ein erneuter Streik wäre diesbezüglich fatal.

«Nötig wäre eine Subvention in der Höhe von vier Millionen Franken – so hoch ist der Verlust, der uns entsteht, weil wir unsere Dienste mehrsprachig anbieten.»

Derzeit diskutiert die Bundespolitik darüber, ob die SDA künftig zwei Millionen aus der Medienabgabe – dem heutigen Billag-Topf – erhalten soll. Inwiefern würde das die wirtschaftliche Situation entspannen?
Das kommt sehr darauf an, welcher Leistungsauftrag damit verknüpft wäre. Im schlimmsten Fall führte der Auftrag zu Mehrkosten und unter dem Strich bliebe nichts übrig. Ganz grundsätzlich fände ich es einen besseren Anknüpfungspunkt, wenn der Bund die SDA im Rahmen des Sprachengesetzes – und nicht über das Radio- und TV-Gesetz – unterstützen würde. Nötig wäre eine Subvention in der Höhe von vier Millionen Franken – so hoch ist der Verlust, der uns entsteht, weil wir unsere Dienste mehrsprachig anbieten. In dieser Beziehung besteht volle Einigkeit zwischen den Sozialpartnern.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sir_kusi
21.02.2018 07:45registriert März 2016
Ich finde es eine Frechheit, dass zb watson und andere Medien mit gratis angebotenen Artikeln ihr Geld verdienen und nun indirekt fordern, dass diese (SDA-) Artikel von mir als Steuerzahler finanziert werden sollen. Wenn das Geld nicht ausreicht, die Journalisten anständig zu bezahlen, muss man halt aufhören die Inhalte gratis anzubieten und die Werbeeinnahmen auch noch mit Facebook/Google zu teilen.
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derEchteElch
21.02.2018 08:12registriert Juni 2017
„Die SDA hat keinen Service-public-Auftrag (..) Sie ist ein privates Unternehmen, das von den Verlagen zu Selbsthilfezwecken gegründet worden war„

Und eben jene Verlage waren es doch, welche den Preis der SDA Dienstleistungen massiv gedrückt haben. Namentlich z.B. AZ-Medien (watson) und Tamedia (20min).

Sollen die Verlage doch wieder mehr zahlen oder lieber ein paar Journalisten aus den eigenen Redaktionen entlassen.

SDA-Artikel werden ohnehin copy&paste abgedruckt. Warum es dafür einen Journalisten braucht ist mir schleierhaft..
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Pbel
21.02.2018 07:47registriert April 2017
Den letzten Absatz mag ich: Geschäftsleitung und Belegschaft sind sich vollständig einig, das man gerne des Geld anderer ausgeben/einnehmen würde :)
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