«Neue Flüchtlingsroute in die Schweiz» lautete die Headline des SRF am Dienstagmorgen, «Maurer: Schlepper testen Weg über Bündner Südtäler» titelte kurz darauf Tagesanzeiger.ch. Die Anzahl Grenzübertritte in der Südschweiz sei massiv angestiegen, in Chiasso würden bald Rekorde geschrieben, und: Die Verstärkung betreffe auch die Grenzübergänge in Graubünden.
Maurer stellt fest: Neuerdings würden Flüchtlinge über die Bündner Südtäler illegal in die Schweiz einreisen, um weiter nach Deutschland oder Österreich zu kommen. Die Schlepper würden wohl alternative Routen abtasten, dafür gebe es Anzeichen, sagte der Bundesrat gegenüber dem SRF.
Maurers Aussage basiert einerseits auf der Anzahl gestellter Asylgesuche in Chiasso, die gemäss Staatssekretariat für Migration zwar höher ist als im April, aber niedriger als im Mai 2015 ausfielen. Andererseits versuchten vor wenigen Tagen 14 Flüchtlinge im Raum Campocologno im Puschlav über die Grenze zu reisen. Das heisst für den Bundesrat: Steigt der Druck auf Chiasso, werden auch andere Grenzübergänge frequentiert – die Flüchtlingsroute verschiebt sich.
Das ist soweit naheliegend. Aber nur auf den ersten Blick.
Der Bündner SVP-Nationalrat und Migrations-Experte Heinz Brand sagt, das Puschlav biete sich eigentlich weniger für illegale Grenzübertritte an als das weiter weg vom voraussichtlichen Ausgangspunkt Mailand gelegene Münstertal. Das Puschlav sei schmal, ein V-Tal, mit nur ein bis zwei Durchgangsmöglichkeiten.
Bei den Flüchtlingen handelte es sich um 13 Eritreer und eine Person aus Togo. Die Eritreer gaben an, ein Asylgesuch stellen zu wollen. Sie wurden nach der Kontrolle in das Empfangs- und Verfahrenszentrum des Staatssekretariats für Migration gebracht. Der Mann aus Togo wollte die Schweiz nur transitieren. Diese Person wurde nach Italien rücküberstellt.
War es ein Test der Schlepper? Oder ist es der Anfang einer Verlagerungsbewegung aus dem Tessin? – Das sei schwierig einzuordnen, sagt Brand.
Auch das Schweizerische Grenzwachtkorps (GWK) wägt ab: In der Vergangenheit seien «nur vereinzelte rechtswidrige Aufenthalter» in den südlichen Tälern festgestellt worden. «Nach wie vor werden die meisten rechtswidrigen Aufenthalter, insbesondere in der Süd- und Ostschweiz, im Bahnverkehr festgestellt», heisst es auf Anfrage.
Die monatliche Statistik des GWK stützt Maurers Aussage nicht. Verdachte auf Schlepper gab es in der Südostschweiz im Januar 16, im Februar 6, im März 9, im April 5 und im Mai noch 2.
Im Januar wurden ausserdem 672 rechtswidrige Aufenthalte in der Südostschweiz gezählt, im Februar 400, im März 179, im April 187 und im Mai nur noch 150. Im Tessin hingegen sprang die Zahl von 370 im Januar auf 1261 im Mai.
Viel Lärm um Nichts also? Brand widerspricht: «Es ist gut, kommuniziert Maurer die Möglichkeit einer neuen Schlepper-Route. Es müssen Zeichen gesetzt werden, dass auch dort wirksame Massnahmen ergriffen werden», sagt er. (dwi)