Schweiz
Migration

Schweiz kann deutlich mehr Marokkaner ausgeschaffen

ZUR EIDGENOESSISCHEN ABSTIMMUNG UEBER DIE VOLKSINITIATIVE „ZUR DURCHSETZUNG DER AUSSCHAFFUNG KRIMINELLER AUSLAENDER (DURCHSETZUNGSINITIATIVE)“ AM SONNTAG, 28. FEBRUAR 2016, STELLEN WIR IHNEN FOLGE ...
Das Ausschaffungsgefängnis am Zürcher Flughafen Kloten.Bild: KEYSTONE

Warum die Schweiz trotz fehlenden Abkommens immer mehr Marokkaner ausschafft

Abgewiesene Asylsuchende aus Marokko können oftmals nicht ausgeschafft werden, weil die Behörden in der Heimat nicht kooperieren. Jetzt scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Neue Halbjahreszahlen zeigen: Mehr Marokkaner werden zwangsweise zurückgeführt.
11.08.2017, 14:3811.08.2017, 21:37
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Am diesjährigen Sechseläuten wollte Badr Benhmidane gegen die Asylpolitik von Mario Fehr demonstrieren. Doch die Aktion scheiterte und der marokkanische Sans-Papier wurde verhaftet. Er kam in Durchsetzungshaft ins Flughafengefängnis in Kloten. Diese bezweckt, dass der Gefangene zur freiwilligen Ausreise bewogen wird. Denn die Behörden können ihn wegen fehlender Dokumente nicht ausschaffen. 

Doch dann ging alles ganz schnell. Benhmidane wurde in Ausschaffungshaft verlegt und vergangene Woche, knapp vier Monate nach seinem Protest, zurück nach Marokko geschafft. Dass dies so plötzlich geschah, lässt seine Schweizer Freunde ratlos zurück. 

Denn bisher galt es als praktisch unmöglich, Marokkaner auszuschaffen. Insbesondere, wenn sie sich gegen ihre Abschiebung wehrten. Sonderflüge, bei denen die Insassen gefesselt im Flugzeug sitzen, werden von Marokko nicht toleriert. Und trotz jahrelanger Bemühungen seitens der Schweizer Behörden gibt es bisher kein Rückübernahmeabkommen mit Marokko. Fachleute sprechen von einem Vollzugsnotstand bei den abgewiesenen Asylsuchenden aus den Maghrebstaaten.

Benhmidanes Fall zeigt nun aber auf, dass Bewegung in die festgefahrene Situation gekommen ist. Auf Anfrage sagt Lukas Rieder, Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM), dass sich die Zusammenarbeit mit Marokko bezüglich den Rückschaffungen in den letzten zwölf Monaten verbessert habe. Vermehrt würde die marokkanische Botschaft in Bern «Laissez-Passer»-Dokumente ausstellen. Dabei handelt es sich um provisorische Reisedokumente für Personen, die über keinen Pass verfügen. Liegt dieses vor, könne der Vollzug der Ausschaffung grundsätzlich vollzogen werden, so Rieder. 

In der Vergangenheit scheiterte es oftmals daran, dass die Beschaffung solcher «Laissez-Passer»-Dokumente sehr zäh verlief. Die SEM-Anfragen blieben oft Monate oder gar Jahre von der marokkanischen Botschaft unbeantwortet. 2016 fragte das SEM in 171 Fällen um ein «Laissez-Passer» für Marokkaner an. Nur 22 Dokumente wurden in dem Jahr tatsächlich ausgestellt. 

Anders sieht es dieses Jahr aus. Bis Ende Juli hat das SEM in 71 Fällen bei der marokkanischen Botschaft Dokumente angefordert. Tatsächlich ausgestellt wurden 35. Auf das ganze Jahr ausgerechnet, bedeutet das ein grosser Anstieg der Aushändigung der Papiere.

Die grössere Kooperation der marokkanischen Botschaft mit der Schweiz wirkt sich auch auf die Zahl der Zwangsausschaffungen aus. SEM-Sprecher Rieder bestätigt, dass dieses Jahr die Zahl der zwangsrückgeführten Marokkaner gestiegen ist. Im vergangenen Jahr wurden 18 Marokkaner unter Zwang ausgeschafft. Dieses Jahr waren es bis Ende Juli bereits 20 Zwangsausgeschaffte. 

Zahl der Zwangsausschaffungen von Marokkanern 2010 bis Ende Juli 2017

Zwangsausschaffungen, Ausschaffungen, zwangsweise Rückführung
Bild: infogram

Warum sich die marokkanischen Behörden dieses Jahr kooperativer zeigen und wovon es abhängt, dass ein «Laissez-Passer»-Dokument ausgestellt wird, kann das SEM nicht beantworten. Es heisst einzig: «Der Dialog mit Marokko dauert weiter an.»

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Video: reuters
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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reaper54
11.08.2017 15:18registriert März 2015
Klingt im ersten Moment positiv. Die Art wie Marokko versucht sich seiner eigenen Staatsbürger zu entledigen ist absolut unterste Schublade.
Das Aussendepartement sollte dringend Entwicklungshilfe an Kooperation knüpfen. Ist zwar traurig aber es wäre der beste Weg gegen Wirtschaftsflüchtlinge aus Nordafrika.
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vaste
11.08.2017 16:40registriert September 2016
Wo vorhanden, wird die menschliche Hilfsbereitschaft leider immer wieder zutiefst ausgenutzt. In Europa hat die Gutgläubigkeit mittlerweile industrielle Reife erreicht. Schade, denn eine ganze Generation von Wohlstandskindern (Baby-Boomer) verscherbelt damit die aussergewöhnlichen, vielleicht einmaligen, sozialen Errungenschaften vorhergehender und nachfolgender Generationen. Warum sie dies tun? Vielleicht weil sie denken, staatliche Sozialleistung sei auf immer und ewig abgesichert, ein Menschenrecht und müsse theoretisch somit auch jedem Menschen zustehen. Ich denke, dieser Ansatz ist falsch
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Wald Gänger
11.08.2017 17:45registriert Juli 2017
Schrecklich....jetzt werden diese armen Menschen wieder nach Marokko zurückgeschafft, wo schon seit gar nicht ein total nichtstattfindender Krieg wütet.
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