Während der Sommerferien geht es in der Abteilung «Einbürgerungen» des Kantons Zürich üblicherweise etwas gemächlicher zu und her. Nicht so dieses Jahr: Im Juli und August gingen insgesamt über 1300 Einbürgerungsgesuche ein – 86 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr.
Im Oktober nun erreichte der Ansturm seinen vorläufigen Höhepunkt – mit 791 Gesuchen in einem einzigen Monat. Zum Vergleich: Im Oktober vor einem Jahr hatten noch 478 Ausländer Interesse am Schweizer Pass angemeldet.
Ursache dürften die 40'000 Briefe sein, die die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch im Mai verschickt hat. Darin ermunterte die SP-Politikerin Einwohner ohne Schweizer Pass, sich «genauer über die Möglichkeiten einer Einbürgerung zu informieren». Angesprochen waren insbesondere Ausländer mit einer B- oder F-Bewilligung, die bereits seit langem in der Schweiz leben. Sie haben nur noch bis Ende Jahr die Möglichkeit, sich um den Schweizer Pass zu bewerben.
Denn ab 2018 gelten bei Einbürgerungen schweizweit neue Regeln: Nur, wer über eine Niederlassungsbewilligung C verfügt, kann künftig noch Schweizer werden. Für Sarah Notter, Leiterin der Abteilung Einbürgerungen des Kantons Zürich, liegt es auf der Hand, dass der Boom auf Mauchs Brief zurückzuführen ist: «Im Mai, kurz nachdem das Schreiben verschickt worden war, ging es los.»
In einem ersten Schritt gelangen die Gesuche zur Überprüfung an den Kanton – erst später entscheidet die Wohngemeinde des Einbürgerungskandidaten darüber. Notter schätzt, dass aktuell fast jedes zweite Gesuch aus der Stadt Zürich kommt, davor waren es rund 40 Prozent. Doch auch aus dem Rest des Kantons gehen mehr Anträge ein als üblich. «Das Echo in der Presse war so gross, dass vermutlich auch Ausländer aus anderen Gemeinden vermehrt auf die Regeländerung aufmerksam wurden.»
Die Folge: Die Anträge stapeln sich beim Kanton. Die Einbürgerungswilligen würden informiert, dass die Bearbeitung ihrer Gesuche etwas länger dauern könne, so Notter. Zudem habe sie Verstärkung angefordert: «Per 1. Januar 2018 stellen wir temporär eine zusätzliche Mitarbeiterin ein, um die vielen Gesuche abzuarbeiten.»
Bei der Stadt Zürich werden die Gesuche, die nach der Brief-Aktion aufgesetzt wurden, erst in einigen Monaten eintreffen. Doch auch dort stellt man fest, dass das Interesse am Thema stark zugenommen hat. «Die Zahl der Anfragen stieg in den Wochen nach dem Versand stark an – und verharrt bis heute auf hohem Niveau», sagt Michael Lamatsch, Leiter Einbürgerungen und stellvertretender Stadtschreiber.
Dies – zusammen mit den «sehr positiven und bisweilen berührenden Rückmeldungen» – lasse darauf schliessen, dass der Informationsbrief seinen Zweck erfüllt. Wie viele zusätzliche Schweizer die Aktion hervorbringen wird, werde sich aber frühestens nächstes Jahr zeigen.
Das Departement von Mauch hatte die Brief-Aktion damit begründet, dass es für eine lebendige Demokratie wichtig sei, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligten. Im bürgerlichen Lager provozierte der Appell heftige Kritik.
Schon jetzt liegen die Einbürgerungszahlen in der Stadt Zürich über dem Schnitt der letzten Jahre. Lamatsch führt dies auf den Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative zurück, der die Schweiz Anfang 2016 in Atem gehalten hatte. Die Debatte, wonach auch Secondos bei gewissen Delikten der Landesverweis droht, habe damals zu einer merklichen Zunahme an Gesuchen geführt.
Da das ganze Einbürgerungsprozedere im Schnitt rund eineinhalb Jahre dauert, werden aktuell viele dieser Verfahren abgeschlossen.
Auch national steuert die Schweiz auf einen neuen Einbürgerungsrekord zu. In den ersten neun Monaten wurden bereits 29’779 Personen eingebürgert – das sind leicht mehr als im selben Zeitraum des Rekordjahres 2016. Davor waren die Einbürgerungszahlen jahrelang rückläufig gewesen.