Das Gerücht geistert schon eine Weile herum, doch nun wird es konkret: Apple entwickelt ein selbstfahrendes Auto. Ziel sei, dass dieses 2025 ohne Mensch am Steuer losfahren könne, berichtete Bloomberg kürzlich.
Ein ehrgeiziger Zeitplan, der laut Fachleuten schwierig einzuhalten sein wird. Andererseits existieren schon seit Jahren Technologien, um Fahrzeuge autonom navigieren zu lassen. Unternehmen wie Tesla und Google sind vorgeprescht. Und auch die Schweiz war Pionierin: Die ersten selbstfahrenden öffentlichen Busse der Welt, die Smartshuttles von Postauto, waren ab 2016 in Sion unterwegs.
Fünf Jahre später ist der Smartshuttle museumsreif. Das Pilotprojekt hat im Oktober geendet, das eine der beiden Fahrzeuge steht nun im Verkehrshaus in Luzern. Steht, wohlgemerkt. Geplant ist, dass es künftig wieder fährt, auf dem Gelände des Verkehrshauses, aber nicht autonom, sondern mit einer Chauffeuse oder einem Chauffeur am Steuer.
Ganz alleine waren die Smartshuttles aber auch in den fünf Jahren in Sion nie unterwegs. Es musste eine Begleitperson an Bord sein, die jederzeit die Steuerung übernehmen konnte - so die Vorgabe des Bundesamts für Strassen. 50 000 Passagierinnen und Passagiere wurden auf diese Weise befördert.
Wieso wurden die Busse nun aus dem Verkehr gezogen, statt dass eine Flotte davon angeschafft wurde? Reif für den grossen Einsatz sind sie noch nicht. Da sind einerseits technische Hürden, wie Martina Müggler, Leiterin Strategie und Innovation bei Postauto, sagt:
Auch mit unerwarteten Hindernissen müssen die Fahrzeuge noch umgehen lernen. Stand zum Beispiel ein Abfallsack etwas weit in der Strasse, bremste der Bus ab und blieb stehen. Er konnte nicht entscheiden, ob er nun um dieses Objekt herumfahren durfte. Das waren Situationen, in denen die Begleitperson einschreiten musste.
Und sogar wenn Fahrzeuge in ein paar Jahren technisch in der Lage wären, selbstständig Entscheide zu treffen, fehlen die Regeln dazu. Dahinter stecken schwierige moralische Fragen: Was soll ein Fahrzeug zum Beispiel tun, wenn es zwischen zwei fatalen Optionen wählen muss? Soll es in einen Baum fahren und seine Insassen opfern, wenn es so Fussgängern ausweichen und diese dadurch retten kann?
Die Busse in Sitten fuhren allerdings maximal 20 Kilometer pro Stunde, womit kritische Situation wie oben beschrieben höchst unwahrscheinlich sind. Platz boten sie für elf Personen. «Diese Technologie könnte in erster Linie da interessant werden, wo grössere Busse nicht fahren können», sagt Martina Müggler von Postauto. Das könnte etwa in der Fussgängerzone einer Innenstadt sein, aber auch in einer abgelegenen Gegend oder in der Nacht, wo grössere Fahrzeuge schlecht ausgelastet sind und nicht wirtschaftlich betrieben werden können.
In einem Vorort von Sitten hat Postauto in den letzten Monaten gar auf Fahrplan und fixe Routen verzichtet, die beiden Smartshuttles konnten per App an einen beliebigen Ort innerhalb des Rayons bestellt werden. Ein ähnliches Projekt verfolgen aktuell die Verkehrsbetriebe Genf (TPG) auf dem Gelände der psychiatrischen Klinik Belle-Idée. Derzeit läuft eine Testphase, voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres können dann Fahrgäste die Busse abrufen. Fahrzeuge vom selben Typ verkehrten zuvor bereits versuchsweise auf einer Linie im Genfer Vorort Meyrin.
Die Bevölkerung steht selbstfahrenden Fahrzeugen offen gegenüber. Das war für Postauto eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt in Sitten. Eine Studie zeigte auch, dass die Bedenken in Sitten, wo die Leute die Busse bereits in ihren Alltag integriert hatten, geringer waren als andernorts.
Das Vertrauen ist berechtigt. Denn längerfristig ist die Maschine sehr wahrscheinlich die bessere Fahrerin als der Mensch. Der Bund rechnet laut dem neulich erschienenen Bericht «Verkehrsperspektiven 2050» mit sinkenden Versicherungskosten durch die Automatisierung. Davon geht auch die Swiss Re aus, die als global tätiger Rückversicherer die internationalen Bewegungen nicht nur beobachtet, sondern auch mitgestaltet.
Andrea Keller, die den Bereich Automobil- und Mobilitätslösungen bei Swiss Re leitet, sagt:
Bislang sind menschliche Faktoren für viele Unfälle verantwortlich. Hier zeige sich bereits der Einfluss neuer Entwicklungen: «Mit Technologien wie dem Notbremsassistenten, der eine Notbremsung unterstützt oder automatisch einleitet, haben wir einen klaren Trend zu weniger Unfällen und weniger grossen Schäden.» Jedoch brächten neue Technologien auch Risiken mit sich, etwa die Gefahr eines Cyberangriffs, die mit zunehmender Vernetzung der Fahrzeuge zunimmt.
Im November hat die Swiss Re eine Partnerschaft mit dem chinesischen Techgiganten Baidu bekannt gegeben. Ziel ist es, Expertise zu sammeln und Versicherungslösungen für die autonomen Fahrzeuge von Baidu zu entwickeln. Deren Robotaxis sind bereits in Pilotversuchen in chinesischen Städten unterwegs. «Noch gibt es kaum Schäden, anhand derer wir die Risiken einschätzen können», erklärt Keller. «Solche Kooperationen sind für uns wichtig, um Risikomodelle zu entwickeln.»
Eine Versicherungslösung gefunden haben die beiden Firmen schon für den Parkservice, der bereits vollautomatisch klappt. Wie sich Autos selbstständig in Parkhäusern zurechtfinden, hat neben Baidu in China auch Bosch am Flughafen Stuttgart in einem Pilotprojekt demonstriert. Das Auto wird in der Nähe des Eingangs abgestellt. Von dort fährt es alleine zu einer Parklücke, gelotst durch Kameras am Fahrzeug oder an der Parkhausdecke. Per Klick in der Smartphone-App wird es später zur Zone bestellt, wo die Fahrerin oder der Fahrer zusteigen will.
Bei der Swiss Re wird gemäss Andrea Keller damit gerechnet, dass in den kommenden zehn Jahren an spezifischen Orten Fahrzeuge vollautonom, also ganz ohne Eingreifen des Menschen, unterwegs sein werden. Das könnte zum Beispiel auf bestimmten Strassen sein, etwa auf einer Autobahn. In Deutschland ist im Juli eine entsprechende Gesetzesänderung in Kraft getreten: Auf festgelegten Strecken dürfen Fahrzeuge autonom fahren. Somit könnte etwa eine Lieferwagenfahrerin unterwegs Büroarbeit erledigen.
In der Schweiz ist die Gesetzgebung noch nicht so weit. Der Mensch muss hier das Fahren dauerhaft überwachen und darf die Lenkvorrichtung nicht loslassen (nur für den Einparkassistenten gibt es eine Ausnahme). Und eine Erschliessung durch autonome Busse, wie sie Postauto vorschwebt, ist komplizierter als Fahren auf der Autobahn. Um die Kräfte zu bündeln, haben sich im Juni diverse Akteure, darunter Postauto und die Genfer Verkehrsbetriebe, zusammengeschlossen zur Swiss Association for Autonomous Mobility.
«Fachleute rechnen damit, dass 2025 in der Schweiz die gesetzlichen Voraussetzungen für das automatisierte Fahren erfüllt sein werden», hiess es in der Medienmitteilung zur Gründung dieser Vereinigung. Bis autonome öffentliche Busse regulär unterwegs sind, dürfte es laut Martina Müggler von Postauto aber noch länger dauern. Und sie werden die klassischen Busse nicht verdrängen, sondern ergänzen. «Der Fahrer leistet auch Kundenservice und übernimmt Aufgaben im Ticketing und in der Kommunikation», sagt sie. «Dieser Bedarf wird bleiben.» (aargauerzeitung.ch)