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Uni-Arbeit «Uf de Gass» zeigt die St.Galler Drogenszene als «Multimedia-Story»

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Bild: screenshot/uf-de-gass.ch
Multimedia-projekt

Uni-Arbeit «Uf de Gass» zeigt die St.Galler Drogenszene als «Multimedia-Story»

27.08.2014, 13:3027.08.2014, 15:00
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Der 24-jährige St.Galler Multimedia-Production-Student Angelo Zehr hat für seine Bachelorarbeit uf-de-gass.ch sechs Monate lang Zeit mit «Randständigen», Süchtigen, Polizisten und Sozialarbeitern verbracht. Seine Eindrücke hat er zu einer Multimedia-Website kondensiert. watson hat ihn befragt, welche Überlegungen hinter seiner Arbeit standen.

Angelo Zehr, Ihre Eindrücke und Erfahrungen «uf de Gass» haben Sie als «Multimedia-Story» erzählt. Was versteht man unter dieser Medienform? 
Genau betrachtet ist es eigentlich nur die Kombination aus bestehenden Medienformen, sprich Text, Video, Foto oder Infografik. Man kann aber schon sagen, dass Multimedia eine neue Kategorie mit neuen Möglichkeiten schafft. Ich habe in meiner Arbeit zum Beispiel ganz bewusst versucht abzuwechseln zwischen eher anstrengenden Formen wie längeren Texten und Fotos oder Grafiken, die innert Sekundenbruchteilen erfasst werden. Das Interesse bleibt so länger aufrechterhalten und eine Geschichte wird angenehmer, weil abwechslungsreicher.

Der 24-jährige Student erzählt in seiner Bachelorarbeit seine Eindrücke und Erfahrungen aus dem St. Galler Gassenleben.
Der 24-jährige Student erzählt in seiner Bachelorarbeit seine Eindrücke und Erfahrungen aus dem St. Galler Gassenleben.Bild: zvg

Wie lange hat der durchschnittliche Leser für die Story? 
Ich habe es versucht so aufzubauen, dass man sich auch nur einzelne Teile der Geschichte ansehen kann. Das zeigen nun auch die Zugriffszahlen: Viele gehen nach zwei, drei Minuten wieder von der Seite. Ein Grossteil davon kommt dann aber noch einmal und verweilt dann bis zu einer Stunde oder auch länger.

Eine «Multimedia-Story» ist mit grossem Aufwand verbunden. Wieso haben Sie die Geschichte nicht in einer einfachen Bachelorarbeit verfasst?
Als Multimediaproduzent wollte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, was Multimedia im Journalismus ist und wie es aussieht, wenn man alle Möglichkeiten ausnutzt. Bei allen multimedialen Reportagen, die ich bisher gesehen hatte, habe ich nämlich immer den Eindruck gehabt, es geht in erster Linie um Text, der dann noch ein bisschen angereichert wird. Ich wollte meine Arbeit von Grund auf multimedial gestalten. 

Bei seinen Recherchen suchte Zehr das Gespräch mit den Süchtigen im St.Galler Stadtpark.Bild: zvg
Er besuchte Drogensüchtige zu Hause.Bild: zvg
Besonders häufig anzutreffen sind die «Randständigen» beim St.Galler Marktplatz.Bild: zvg
Zehr war bei der Drogeneinnahme dabei.
Zehr war bei der Drogeneinnahme dabei.Bild: zvg

Welche Vorteile haben Multimedia-Storys in der heutigen Zeit? 
Ich bin bei meiner Arbeit zu folgendem Fazit gekommen. Multimedia kann Inhalte ganzheitlicher darstellen, Interesse am Inhalt wecken und dies über eine längere Zeit halten. Multimedia kann aber auch Betroffenheit und Emotionalität auslösen und komplexe Sachverhalte reduzieren und erklären.

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Sie sprechen die Vielfalt der Medientypen an. Man sagt doch, dass der mediale Trend Richtung Smartphone-Konsum geht – stehen lange Multimedia-Storys nicht im Widerspruch dazu? Wer soll diese lesen?
Einen Zusammenhang zwischen Länge und Erfolg eines Textes gibt es nicht. Auch lange Texte oder Filme können funktionieren, wenn es ihnen gelingt, das Interesse aufrecht zu erhalten. Es stimmt aber auch, dass während den ersten Tagen mehr als 50 Prozent der Besucher per Smartphone auf meine Seite kamen. Nach einigen Tagen wurde dieser Anteil kleiner. Aber es ist absolut Pflicht, auch multimediale Geschichten Smartphone- bzw. Tablet-gerecht aufzuarbeiten. 

Sie arbeiten als Multimedia-Redaktor bei der «Südostschweiz». Welche Bedeutung werden solche Storytelling-Geschichten im tagesaktuellen Journalismus haben?
Die Vorteile von Multimedia kann man auch in kurzen News gezielt einsetzen. Ich denke aber auch, dass Multimedialität seine volle Wirkung erst bei grösseren Geschichten erzielt. Dies steht für mich aber nicht in einem Widerspruch. Sehr gerne würde ich mich zum Beispiel mit der Frage auseinandersetzen, wie man viele kleine News zu einer grossen multimedialen Geschichte verweben kann. Ich sehe hier grosses Potential, da ja viele Newsportale auf grossen Archiven sitzen. 

Sie sind im St.Galler Stadtparlament. Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Bachelorarbeit für Ihre politische Arbeit mitnehmen können?
Ich habe bereits geäussert, dass St.Gallen ein sogenanntes Fixerstübli vertragen könnte – ein Ort, wo Süchtige unter stressfreien, hygienischen Bedingungen eigene Drogen konsumieren können. Fast wichtiger fände ich aber ein niederschwelliges Angebot zur Übernachtung. Ich weiss konkret von zehn Personen, die momentan obdachlos sind. Die Notschlafstelle kostet 70 Franken pro Nacht. Das übernimmt zwar in der Regel das Sozialamt, aber da muss man zuerst bezugsberechtigt sein und ich weiss auch von Leuten, die dort rausgeworfen wurden.

Die Bachelorarbeit kann unter www.uf-de-gass.ch angeschaut werden.
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