Früher, in einer ganz andern Zeit, da gab es Traumjobs für Frauen, das glaubt man heute fast nicht mehr. Nummer eins: Hostesse, und zwar bei der Swissair. Nummer zwei: Fernsehansagerin beim Schweizer Fernsehen. Vielleicht wars auch umgekehrt. Bei beiden zählte: Das Aussehen und die souveräne Vermittlung zwischen den schwierigen Materien Mensch und Technik.
Die Fernsehansagerin musste zum Beispiel sagen: «Den folgenden Film zeigen wir Ihnen im Cinemascope-Format, deshalb kann es sein, dass Sie oben und unten an Ihrem Bildschirm einen schwarzen Streifen sehen, bitte, seien Sie nicht beunruhigt.» Oder: «Leider ist es uns nicht rechtzeitig gelungen, den folgenden Film in der deutschen Synchronfassung zu erhalten, daher müssen wir ihn ausnahmsweise im französischen Original zeigen, wir bitten Sie um Verständnis.»
Die Fernsehansagerin war quasi die Packungsbeilage, die in der Medikamentenwerbung so eindringlich beworben wird. Ihren Job haben heute die Nachrichtensprecher am Ende der «Tagesschau» und die ewig wiederholbaren Trailer übernommen. Die schlauen Frauen, die das TV-Futter für uns vorverdauen, die braucht es nicht mehr.
Eine von ihnen ist jetzt mit 78 Jahren gestorben. Sie hiess Dorothea Furrer und trug oft eine grosse Brille, sie trug auch den Titel «Schätzli der Nation», und irgendwann hat sie sich vom Fernsehen ab- und der Alternativmedizin zugewandt. Sie sagte einmal, sie habe eine «Weltverbesserungsader» und wolle am liebsten eine Sendung über Kinesiologie moderieren und den Menschen «eifachi, gäbigi Energie-Üebige» vermitteln.
Ich habe sie als Kind bewundert und auch ein wenig gefürchtet, sie schaute und klang streng, oft hatte sie grosse Maschen um ihren Hals gebunden und mochte gerne massiven Schmuck. Sie war very Seventies in den Seventies, und ausgesprochen Eighties, bis sie Mitte der Eighties mit 48 Jahren vom Bildschirm abtrat. Und wir, die Nation, die damals erst drei deutsche und drei Schweizer Kanäle sehen konnte, studierte jedes Haar und jedes Garderobenstück der Dorothea Furrer aufs genauste.
Ich fand damals, dass meine Mutter weit schöner und besser angezogen war als Dorothea Furrer. Und meine Gotte. Aber die beiden waren nicht im Fernsehen. Und Dorothea Furrer hatte in der Schweiz ja schliesslich auch die erste Live-Fernsehsendung in Farbe – sie hiess «Holiday in Switzerland» – erfunden beziehungsweise angesagt, am 1. Oktober 1968. Sie verkündete da in einem crazy grün gemusterten Kleid: «Wir freuen uns, Ihnen nun die erste Eigenproduktion des Schweizer Fernsehens in Farbe zeigen zu können.» Das Jahr der Revolten revolutionierte auch die Schweizer Sehgewohnheiten.
Begonnen hatte jedoch alles 1964 an der Expo Lausanne, als Dorothea Furrer spontan einsprang, um über die 20 Monate alten Bären Gabriel, Paulette, Albertine und Edmondo zu berichten. Ein Coup. Denn Tiere waren schon damals ein Publikumsgarant. Der Bärenfilm das Büsivideo von einst. Auch Dorothea Furrers Kollegin Heidi Abel etablierte das Tier am TV: Bei einer Homestory waren ihre Katze und ihren Wellensittich dabei, und ihre Besuche in Löwengehegen sind SRF-Legenden.
Merci liebe TV-Missen, liebe Dorothea, Heidi, Rosemarie, Rita, Regina, Eva, Monique, Cordelia, Flavia und alle andern, ihr habt einen Traumjob gemacht!