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Staatsanwaltschaft untersucht Spesen Genfer Stadträte

17'000 Franken Handyrechnung: Staatsanwaltschaft untersucht Spesen der Genfer Stadträte

07.11.2018, 13:0407.11.2018, 13:36
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Le conseil administratif de ville de Geneve, Guillaume Barazzone, Conseiller administratif du departement de l'environnement urbain et de la securite, Sami Kanaan, Maire de Geneve et du departeme ...
Barazzone in Erklärungsnot.Bild: KEYSTONE

Die Auswüchse bei den Spesen der Genfer Stadtregierung haben juristische Folgen. Die Genfer Staatsanwaltschaft untersucht die Spesenabrechnungen der Stadträte.

Sie habe ein Strafverfahren eröffnet, weil einige der ungerechtfertigten Ausgaben wahrscheinlich in den Anwendungsbereich des Strafrechts fielen, teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Das Verfahren läuft gegen Unbekannt, die fünf Stadträte haben den Status von Auskunftspersonen. Geleitet wird es von Generalstaatsanwalt Olivier Jornot und dem ersten Staatsanwalt Yves Bertossa.

Am Morgen führten die Ermittler zudem eine Durchsuchung in den Büros der Stadträte und bei verschiedenen Dienststellen der Stadt durch. Weitere Informationen wollte die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens nicht bekanntgeben.

Taxifahrten und private Essen

Der Genfer Rechnungshof hatte bei seiner Untersuchung der Spesen der Genfer Stadtexekutive Ausgaben festgestellt, die keinen beruflichen Zusammenhang hatten. Der vergangene Woche veröffentlichte Prüfungsbericht kritisiert allen voran CVP-Nationalrat Guillaume Barazzone, der seit 2012 in der Stadtregierung von Genf sitzt.

Barazzone war laut dem Prüfungsbericht dasjenige Exekutivmitglied, das mit 42'000 Franken am meisten Spesen verrechnete. Von dieser Summe entfallen über 17'000 Franken auf Mobiltelefonkosten im 2017.

Barazzone und Esther Alder (Grüne), die über einen Parkplatz im Stadtzentrum sowie ein Abonnement der Verkehrsbetriebe verfügt, benutzten 2017 zudem je über hundert Mal das Taxi für insgesamt 3000 Franken pro Kopf. Gewisse Taxifahrten erfolgten spät in der Nacht und führten zu privaten Adressen.

Als weitere Beispiele für nicht gerechtfertigte Vergütungen nannte der Bericht späte Nachtessen an ungewöhnlichen Orten für öffentliche Funktionen, so etwa an Touristenorten im Ausland oder in Imbissstuben am Strand. Auch soll es vorgekommen sein, dass Mitglieder der Genfer Stadtregierung an Feiertagen wie zum Beispiel dem 25. Dezember auf Kosten der Steuerzahler Spesen machten.

Keine klaren Regeln

Weitere Auslagen betrafen starke alkoholische Getränke, ebenso wie eine edle Champagner-Flasche. Der Rechnungshof kritisiert, dass die Stadt Genf keine klaren Regeln für berufliche Unkosten festgelegt hat. Ausserdem gebe es keine fundierte Überprüfung der Ausgaben.

Die Genfer Stadtregierung trat am vergangenen Donnerstag im Anschluss an die Präsentation des Berichts des Rechnungshofes in corpore selber vor die Medien. Barazzone räumte dabei «ungewollte Fehler ein».

Der 36-jährige Politiker erklärte, er habe einen «intensiven, aber keinen übermässigen Gebrauch» seines Mobiltelefons, das sein wichtigstes Arbeitsinstrument sei. Nachdem er seine Spesen seit seinem Eintritt in die Stadtregierung 2012 analysiert habe, habe er beschlossen, 51'896 Franken zurückzuzahlen.

Kreditkarten verwechselt

Er habe diejenigen Quittungen aussortiert, die mit Aktivitäten zwischen 01.00 und 06.00 Uhr verbunden waren, sagte er. Barazzone gestand ein, dass darauf eine Flasche Champagner und drei Cocktails in einer Karaoke-Bar figurierten. Die Fehler seien auch entstanden, weil er seine privaten und beruflichen Kreditkarten verwechselt habe, die sich sehr ähnlich sähen.

Erst vor drei Wochen war bekannt geworden, dass sich Barazzone - ähnlich wie der Genfer FDP-Regierungsrat Pierre Maudet - in die Vereinigten Arabischen Emirate zu einem Formel-1-Rennen einladen liess. (aeg/sda)

Loro & Nicos Spesen unter der Lupe

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Whitchface
07.11.2018 14:34registriert November 2015
Passiert mir auch immer, dass ich meine geschäftliche Kreditkarte mit der Privaten verwechsle. Wirklich ganz häufig. Des Weiteren, finde ich Handyrechnungen von über CHF 10k durchaus in Ordnung, auch über das Handyabo würde ich mir keine Sorgen machen. Ist doch ganz normal... Ironie off. Ich hoffe bloss, die Genfer erinnern sich bei den nächsten Wahlen noch an diese Geschichte.
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Imfall
07.11.2018 16:00registriert März 2016
tolle "volksvertreter" haben die...
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