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Cassis will bei flankierenden Massnahmen auf EU zugehen

Bundesrat Ignazio Cassis spricht an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 11. Juni 2018 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bundesrat Ignazio Cassis hat mit einem Interview bei SRF für Aufsehen gesorgt.Bild: KEYSTONE

EDA relativiert Cassis' Aussage: Flankierende Massnahmen weiterhin «rote Linien» 

Die Schweiz sei bereit, im Rahmen der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen bei den flankierenden Massnahmen der EU entgegen zu kommen, sagte Cassis am Mittwoch. Nun hat das Aussendepartement die Aussagen des Bundesrates relativiert.
13.06.2018, 15:2313.06.2018, 22:55
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Bundesrat Ignazio Cassis ist bereit, im Rahmen der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen bei den flankierenden Massnahmen der EU entgegenzukommen.

Aktuell: EDA dementiert Cassis' Aussagen
Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) dementierte, dass Cassis mit diesen Aussagen explizit die flankierenden Massnahmen gemeint habe. Es handle sich um ganz allgemeine Aussagen zu Verhandlungen, heisst es in einer Stellungnahme. Die vom Bundesrat festgelegten roten Linien würden auch weiterhin gelten. Cassis hatte im März an einer Medienkonferenz zu den flankierenden Massnahmen gesagt: «Der Bundesrat hat diese roten Linien bestätigt.»

Weiter schreibt das EDA, der Aussenminister teile die Position des Bundesrates, der den Schutz von Arbeitnehmenden, allen voran der Entsandten, für notwendig erachte – speziell in Anbetracht der Besonderheit des Schweizer Arbeitsmarktes. Es gelte die Bestimmungen in der Substanz zu verteidigen. «Bei den aktuellen institutionellen Verhandlungen sind sich die EU und die Schweiz einig über die Notwendigkeit, potentiellen Missbrauch in adäquater Weise zu bekämpfen», heisst es weiter.

Cassis, der selbst aus einem Grenzgebiet stamme und damit besonders sensibilisiert sei für das Thema Arbeitnehmerschutz, «ist gleichzeitig überzeugt, das innovative Lösungen vorstellbar sind». Das EDA verweist auf die Nutzung moderner Technik, die bereits in anderen Ländern angewendet wird. Was das konkret sein könnte, wird aber nicht genannt. (sda)

«Wir müssen, sowohl die EU wie die Schweiz, hier bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen und kreative Wege zu finden», sagte der Schweizer Aussenminister am Mittwoch in der Sendung «Rendez-vous» von Radio SRF.

Schon lange kritisiert Brüssel die flankierenden Massnahmen, die Arbeitnehmende vor Dumpinglöhnen und missbräuchlichen Arbeitsbedingungen schützen.

Nicht den Grundsatz stellt die EU in Frage, doch einzelne Regeln gehen ihr viel zu weit – wie etwa die Regel, die von EU-Dienstleistungserbringern verlangt, sich acht Tage im Voraus bei den Schweizer Behörden anzumelden.

Andere Wege – gleiches Ziel

Cassis betonte nun, Ziel der flankierenden Massnahmen sei der Schutz des Schweizer Marktes. Dies könne jedoch «auch auf anderen Wegen, die vielleicht für das 21. Jahrhundert heute existieren, erreicht» werden. «Ich glaube, wenn beide Seiten sich Mühe geben, gibt es die Möglichkeit, dass man sich trifft», gab sich der Aussenminister zuversichtlich.

Die EU-Kommission hatte bereits durchblicken lassen, sie könne sich als eine von mehreren Möglichkeiten vorstellen, dass die Schweiz die EU-Durchsetzungsrichtlinie übernehmen könnte.

In der EU regelt die Entsenderichtlinie, unter welchen Bedingungen Arbeitende aus einem EU-Land in einem anderen arbeiten können. Die dazu gehörende Durchsetzungsrichtlinie hat diese Bedingungen noch verdeutlicht.

Cassis' Ankündigung kommt nur eine knappe Woche nach einem Brüssel-Besuch von Staatssekretär Roberto Balzaretti, Direktor der Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA).

Rote Linie nicht mehr so rot

Es scheint also Bewegung in die Verhandlungen über das Rahmenabkommen gekommen zu sein. Denn noch im März hatte Cassis an einer Medienkonferenz zu den flankierenden Massnahmen gesagt: «Der Bundesrat hat diese roten Linien bestätigt.»

Ein ranghoher EU-Diplomat hatte Ende Mai gegenüber Schweizer Medienvertretern darauf hingewiesen, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seinem Schweiz-Besuch letzten November einen Schritt auf die Schweiz zugegangen sei.

Um die festgefahrenen Verhandlungen über das Rahmenabkommen zu deblockieren, hatte Juncker vorgeschlagen, bei der Streitschlichtung ein Schiedsgericht einzusetzen. Zuvor war immer die Rede vom EU-Gerichtshof (EuGH) als Streitschlichter gewesen, was die Schweiz nicht akzeptieren konnte.

Der EU-Diplomat forderte daher die Schweiz dazu auf, sich nun ihrerseits zu bewegen: «Jetzt ist es an der Schweiz, auf die EU zuzugehen», sagte er damals.

Kritik an der signalisierten Kompromissbereitschaft der Schweiz bei den flankierenden Massnahmen kommt postwendend vom Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Ständerat Paul Rechsteiner (SP/SG). «Hier gibt es keine Konzession. Das ist die Bedingung für die Unterstützung dieses bilateralen Wegs», sagte er gegenüber SRF. (sda)

«Nöd Waffe tötet! Mensche tötet!»

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