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Zuwanderung: Chancen auf Deal mit der EU sind minim

Aussenminister mit Krücken: Didier Burkhalter an der FDP-Versammlung vom Samstag in Brugg.
Aussenminister mit Krücken: Didier Burkhalter an der FDP-Versammlung vom Samstag in Brugg.
Bild: KEYSTONE

Burkhalter denkt trotz Brexit positiv – aber die Chancen für einen Deal mit der EU sind minim

Aussenminister Didier Burkhalter glaubt, dass die Chancen der Schweiz auf eine Lösung mit der EU bei der Personenfreizügigkeit trotz Brexit intakt sind. Ein Parteikollege widerspricht.
28.06.2016, 09:5028.06.2016, 10:40
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Die Briten wollen raus aus der Europäischen Union. Mit ihrem Volksentscheid aber haben sie vor allem ein Chaos ausgelöst. Das beginnt im eigenen Land, wo die Sieger der Abstimmung selber nicht wissen, wie es nun weitergehen soll. Es setzt sich fort in der EU, die um den richtigen Umgang mit dem «abtrünnigen» Mitglied ringt. Und es äussert sich in der Schweiz, die eine einvernehmliche Lösung im Streit um die Personenfreizügigkeit anstrebt.

Sie ist nach dem Brexit-Entscheid in Frage gestellt. In den Reaktionen aus der Politik dominiert die Befürchtung, dass die EU durch das britische Votum absorbiert sein wird und die Schweiz hinten anstehen muss. Eine Vereinbarung vor dem Ende der dreijährigen Frist zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative am 7. Februar 2017 ist unwahrscheinlich. Plan A des Bundesrats, ein Deal mit der Europäischen Union, wäre hinfällig.

Hans-Peter Portmann teilt Burkhalters Optimismus nicht.
Hans-Peter Portmann teilt Burkhalters Optimismus nicht.
Bild: KEYSTONE

Aus der Landesregierung haben sich bislang nur die FDP-Bundesräte offiziell geäussert. Sowohl Bundespräsident Johann Schneider-Ammann wie auch Aussenminister Didier Burkhalter gaben sich zuversichtlich. «Ich gehe davon aus, dass wir uns am Verhandlungstisch auf etwas einigen können, dass nach innen und aussen akzeptierbar ist», meinte Schneider-Ammann im Interview mit der «SonntagsZeitung». Burkhalter sagte der NZZ, er sei immer noch optimistisch: «Auch wenn ich weiss, dass es zurzeit fast verboten ist, positiv zu denken.»

Die Schweiz als Labor?

An der FDP-Delegiertenversammlung am Samstag in Brugg bekräftigte der Vorsteher des Aussendepartements seinen Optimismus: Zwar befänden sich die Positionen der Schweiz und der EU «noch ziemlich weit auseinander». Mit einer «kleinen Dosis Pragmatismus» aber könne man diese Probleme lösen. Im Gespräch mit Journalisten ging Burkhalter noch weiter: Die Schweiz als Drittstaat könne zu einer Art Labor für die Gespräche mit Grossbritannien werden.

Es war einem Parteikollegen vorbehalten, kräftig Essig in Burkhalters süssen Wein der Zuversicht zu schütten. Der Zürcher Nationalrat Hans-Peter Portmann ergriff das Wort, als Didier Burkhalter die Versammlung bereits verlassen hatte, und sprach Klartext: «Wer glaubt, dass man uns entgegenkommt, der irrt!» Portmann kennt die Materie, er ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und der EU/Efta-Delegation des Parlaments.

Parlamente legen sich quer

In dieser Funktion hat er Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa. Was er von diesen zu hören bekommt, stimmt ihn weniger optimistisch als den Bundesrat. Auf der Minister- und Bürokratenebene der EU könne die Schweiz vielleicht eine Lösung bei der Zuwanderung erreichen, erläutert Portmann auf Anfrage: «Aber aus den nationalen Parlamenten erhalte ich klare Signale, dass dies nicht in Frage kommt.» Sie seien nicht gewillt, in der «Zwangsehe» mit der EU die Kröten aus Brüssel zu schlucken, «während wir als Nichtmitglied eine Ausnahme bekommen».

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Die nationalen Parlamente würden es nicht länger zulassen, dass Entscheide in der EU allein auf Ministerebene gefällt werden, erklärt Portmann weiter: «Das entspricht nicht dem Geist des Lissaboner Vertrags.» Für die Schweiz bedeute dies, dass eine Lösung mit der EU nicht möglich sei, die dem neuen Zuwanderungsartikel 121a in der Bundesverfassung entspreche. «Gerade die Osteuropäer sind überhaupt nicht erpicht darauf, dass wir die Personenfreizügigkeit einschränken.»

Auftrieb für RASA-Gegenvorschlag

Bundesrat Burkhalter glaubt dennoch, dass sich für die Schweiz ein Zeitfenster öffnet, ehe vermutlich im Herbst die «Scheidungsverhandlungen» der EU mit Grossbritannien beginnen. Diese Zuversicht erlitt einen argen Dämpfer, als das EU-Parlament eine für Montag geplante Anhörung mit dem Schweizer Chefunterhändler Jacques de Watteville kurzfristig absagte. Seine übrigen Treffen in Brüssel lassen ebenfalls nicht auf einen baldigen Durchbruch schliessen.

Damit läuft alles auf Plan B heraus, die einseitige Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. Hans-Peter Portmann möchte, dass Bundesrat und Parlament dem Stimmvolk ein konsequentes Gesetz im Geiste von Artikel 121a vorlegen, «aber gleichzeitig auf die Gefährdung der bilateralen Verträge hinweisen». Der nächste Schritt wäre nach seiner Meinung ein Gegenvorschlag zur RASA-Initiative, welcher im Verfassungsartikel die Forderung nach Höchstzahlen und Kontingente streichen würde.

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Die RASA-Initiative will den Volksentscheid vom 9. Februar 2014 rückgängig machen. In Bundesbern wird dies als zu riskant betrachtet, weshalb sich ein Gegenentwurf zunehmender Beliebtheit erfreut. Auch SP-Präsident Christian Levrat machte sich an der Delegiertenversammlung seiner Partei in Chur dafür stark. Das Stimmvolk hätte die klare Wahl: Einschränkung der Zuwanderung gemäss SVP-Initiative oder Erhalt der Bilateralen.

Vorerst aber müssen Bundesrat und Parlament einen Weg finden, um Verfassungsartikel 121a möglichst bis zum nächsten Februar umzusetzen. Eine Aufgabe, die mit dem Brexit-Chaos noch ein Stück schwieriger geworden ist.

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