Alltag für Cyberpolizisten: Sie verfolgen Pädokriminelle bis in die Tiefen des Darknets und stossen dann an ihre Grenzen: Administratoren entsprechender Internet-Tauschbörsen oder Chatrooms verlangen als Eintrittsticket oft Bilder und Videos mit Kinderpornographie – in der Szene auch «Keuschheitsprobe» genannt. Nur wer neue Bilder oder Videos von Kindesmissbrauch hochlädt, kann sich einloggen.
Doch: Das Verbreiten von solchem Material ist strafbar – auch für Ermittler. Deutschland setzt nun auf eine neue Lösung: Um sich das Vertrauen geschlossener Zirkel zu erschleichen, dürfen Ermittler künftig computergenerierte Kinderporno-Dateien hochladen und anbieten. Es handelt sich um synthetische, künstliche Bilder, die täuschend echt wirken.
Den entsprechenden Entschluss haben die Justizminister der Länder letzte Woche gefasst. Wenn den Bildern kein echter Missbrauch zugrunde liege und wenn kein echtes Kind abgebildet sei, sei das eine denkbare Lösung, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Winfried Bausback.
Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann brachte zunächst die Idee ins Spiel, im Einzelfall auch echtes Kinderpornographisches Material für Ermittlungen zu nutzen. Es gebe in jüngster Zeit Angebote von Opfern, die ihr bereits im Umlauf befindliches Material zu diesem Zweck zur Verfügung stellen würden, sagte sie zum «Spiegel». Diese Idee wurde von verschiedenen Seiten jedoch klar abgelehnt.
Schweizweit wurden im letzten Jahr rund 1300 sexuelle Übergriffe an Kindern in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst, die Anzahl verbotener Pornografie ist um 17 Prozent angestiegen. Trotz dieser Zunahme kommen Massnahmen wie jene in Deutschland für die Schweiz nicht in Frage. Denn auch wenn für die Herstellung von animierten oder gezeichneten Kinderpornos keine Kinder missbraucht werden, ist der Erwerb, Besitz und Vertrieb von solchen Filmen illegal. «Wir arbeiten nicht mit solchen computergenerierten Bildern und werden das wohl auch zukünftig unterlassen», sagt Fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu.
Musliu ergänzt: «Wir möchten wir die Szene nicht noch mit solchen Inhalten füttern – egal ob computergeneriert oder echt.» Die Ermittler dürften nicht «Agent Provocateur» spielen. «Sie sollen das Vertrauen der Täter mit anderen Mitteln gewinnen», so die Sprecherin. Wie Schweizer Ermittler Pädokriminellen konkret auf die Spur kommen, will das Fedpol nicht verraten, um «Rückschlüsse auf verdeckte Ermittler zu vermeiden.»
Auch in Deutschland sind nicht alle von der neuen Regelung begeistert. Sebastian Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter: «Verfälschte oder künstlich erzeugte Bilder sind für Täter relativ leicht als Fälschungen zu erkennen.»
Beispiele aus anderen Ländern zeigen jedoch, dass die Praxis Erfolg haben kann. In Australien etwa haben Ermittler ein Jahr lang das Kinderporno-Forum «Child's Play» betrieben und sind damit zahlreichen Pädokriminellen auf die Spur gekommen.