Der Schweizerische Fussballverband (SFV) will diskutieren, ob Doppelbürger nicht mehr vom Verband ausgebildet und in die Nationalmannschaft berufen werden sollen. Der SFV befeuert damit die Doppeladler-Affäre erneut, die er eigentlich für beendet erklärt hatte. Aus der Doppeladler-Diskussion wir nun eine Doppelbürger-Debatte.
Das Gesicht dieser Polemik ist SFV-Generalsekretär Alex Miescher: Man wage einen Vorstoss und überprüfe, wie die Resonanz ist, sagte er gegenüber Medien: «Wenn es dann heisst, es sei eine Schnapsidee, dann ist das okay.»
Wenn er sich da mal nicht täuscht. Die Reaktionen in den Sozialen Medien können ihm nicht gefallen. Droht dem SFV ein herber Image-Schaden?
Kaum jemand, der den Vorschlag begrüsst. Es lassen sich grob fünf Gruppen von Reaktionen und Argumenten ausmachen:
Eine häufige Argumentation der Twitterer ist: Würde man die Doppelbürger aus der Schweizer Nationalmannschaft ausschliessen, dann würde der Substanzverlust die Schweiz auf ein tieferes Niveau sinken lassen. Das kleine San Marino ist ein genanntes Beispiel.
Ohne die Doppelbürger wird unsere Nati auf dem Niveau von San Marino oder Andorra spielen. Will der Fussballverband das wirklich? Zudem: immer mehr in der Schweiz lebende Menschen sind Doppelbürger. Hat der Verband einen Tipp von der SVP erhalten?
— Hanspeter Mathys (@hapemathys) 6. Juli 2018
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Das sieht auch die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr so:
Bye-bye 🇨🇭 Fussball. Tipp an die Doppelbürger in Fussball und anderswo: Streikt doch mal! Dann merken vielleicht die Nationalisten im Fussball und anderswo, dass es ohne euch nicht geht. #doppeladler Übrigens: auch @rogerfederer ist Doppelbürger . https://t.co/UFiaaXVTt6
— Jacqueline Fehr (@jacquelinefehr) 6. Juli 2018
Ist das Problem gelöst, wenn ein Spieler einen von zwei Pässen abgibt? Nein, meint Nationalrätin Irène Kälin. Ob man zu einem Land hält, hängt mit dessen Gefühlen zum Herkunftsland zusammen, ist also administrativ nicht zu lösen:
Dumm, dümmer, am Dümmsten! Die #Doppel-Herzen in der Brust von #Migrant_innen verschwinden nicht, wenn man einen Pass abgeben muss. Wenn nur noch #Kälin‘s für die #CH tschutten, dann können wir gleich zuhause bleiben. #Vielfalt statt #Einfalt! #WM2018 https://t.co/xn6UPipLkk
— Irène Kälin (@KaelinIrene) 6. Juli 2018
Überhaupt verstehen viele nicht, warum der Fussballverband die Diskussion mit der Doppelbürger-Debatte neu anheizt, nachdem er sich bei der Doppeladler-Affäre um Ruhe bemüht hatte und immer wiederholte, dass die Pose nichts mit Politik zu tun habe, sondern Ausdruck der Freude sei.
Welche Auswirkungen hat die Debatte auf andere Sportarten? Was ist zum Beispiel mit Tennis? Roger Federer besitzt auch die Südafrikanische Staatsbürgerschaft. Soll er diese abgeben müssen? Gar gesperrt werden, falls er dies nicht tut?
Nur so nebenbei:
— Matthias Wyrsch (@MatthWyr) 6. Juli 2018
Roger Federer, Stan Wawrinka, Belinda Bencic usw...alles Doppelbürger!#Doppelbürger
Der Angriff auf die Doppelbürger unter den Nati-Spielern lässt viele Twitterer für sie Partei ergreifen:
Dr Xhaka, dr Shaqiri und ich, mir hän zimmli viil gmeinsam... sie sind us Basel, ich bi us Basel... sie sind Doppelbürger, ich bi Doppelbürger ... frei nach dem Sunrise-Werbespot mit Federer.
— Marco Greiner (@heinzle) 6. Juli 2018
Andere erinnern daran, dass in der Schweiz 1.5 Millionen Doppelbürger leben. Das ist jeder vierte Schweizer. Und die Twitterer fragen sich, warum der SFV denen an den Karren fährt.
Mancher flüchtet sich in Zynismus. Schauspieler und Oltner Mike Müller geht auf Distanz zum Solothurner Kantonskollegen Miescher:
Der Solothurner Generalsekretär des SFV findet Doppelbürger in der Nati problematisch. Als Oltner finde ich Solothurner im SFV problematisch. https://t.co/3uHQw8JRAX
— Mike Müller (@MikeMuellerLate) 6. Juli 2018
Entlarvend auch diese Meinung:
Wie hat es Benzema so schön auf den Punkt gebracht. “Treffe ich bin ich ein Franzose, verlieren wir bin ich ein Araber.”
— Daniil Hungerbühler 🌹 (@MrDanHu) 6. Juli 2018
Genau das Gleiche macht Miescher jetzt mit den Doppelbügern. “Gewinnt die Mannschaft sind alle Schweizer, verliert sie sind sie Doppelbürger.”
Dieser schweiz-italienische Doppelbürger reagiert nur noch genervt:
Die Doppelbürger-Diskussion. Schon wieder.
— gianpaolo (@gi_pi_ri) 6. Juli 2018
Es nervt. Massiv.
Gruss. Ein Doppelbürger. pic.twitter.com/Rhr8Itx50I
Und wo bleibt der Applaus für den Schweizer Fussballverband und dessen Generalsekretär Miescher? Auf Twitter kaum zu finden. Es melden sich rechte Kreise, die lieber mit «echten» Schweizern untergehen, als mit «falschen» Schweizern zu siegen. (aargauerzeitung.ch)